Gar manches Mal, wenn ich nach schwülen Tagen am Abend in des Waldes Schatten mir Erholung suchte und an der Kreuzhorst Rand den letzten Gruß der Sonne fing und lauschte, wie der Vögel Schar im Dickicht ihre letzten Weisen sang – dann scholl herüber plötzlich ferner Glockenklang. Bald traurig ernst, bald froh und hoffend ertönte Randaus Feierabendruf. Manch Herz klang mit. Und manchem sprach der volle Ton ein Wort des Trostes, manchem rief er Glück.

Der Glocken Mund hat mir auch vieles da erzählt. Was selbst erlebt sie hatten und der Vordern inhaltreiches Leben vertrauten sie dem Ohr des Lauschenden. Und wer in Freundschaft Dorf und Kirche zugetan, dem soll es wiederum verkündet sein. 

Im zwanzigsten Jahre, nachdem unseres Herrgottes Kanzlei der Raublust kaiserlicher Heere zum Opfer gefallen war, beginnt in dem damals vielleicht hundert Seelen fassenden Pfarrdörfchen der Pastor Johannes Kretschmar Schlacco Werdensis Bohemus ein Kirchenbuch zu schreiben: Die frühesten Aufzeichnungen, die Randau besitzt. Was da schon Älteres überliefert sein mochte, ging bei Zerstörung des Dorfes im Jahre 1631 unter. Zwei Glocken sind dem allgemeinen Verderben entronnen: „In der Kirchen zu Randau, welche bey belägerung der Stadt Magdeburgk Anno 1631 inwendig sehr verderbet worden, also das weder altar noch Predigtstuel geblieben, sindt anitzo vorhanden zwo glocken, eine  ohngefehr von zwei oder drithalb Centnern: die andere ein klein Stimmglöcklein.“ Als Kretschmar das schrieb, ahnte er wohl nicht, daß diese kleine Glocke noch über 250 Jahre ihre Stimme im Dienste der Kirche erklingen lassen würde. Erst 1908 machte sie einem Kinde der Neuzeit Platz. Vielleicht hat sie auch schon erlebt, wie Randau sich zur Lehre Luthers bekannte. Das geschah ziemlich früh. Scheinbar als erster seines Geschlechtes trat Andreas von Alvensleben über. Ihn kennt des Dorfes Geschichte als Erbauer einer Kirche. In diesem neuen Hause das Wort Gottes zu verkünden, beruft er als Patron den Johannes Schwanberger:

„Ich Andreas von Alvensleben us Calbe und Randau Erbgesessen, vor mich, meine Erben, Erbnehmer, In Krafft dieses brieffs offentlich thue Kundt und bekenne, daß Ich dem Ehrwürdigen, wohlgelahrten Herrn Johan Schwanbergern daß Pfarr Ambt alhie zu Randau in ieziger vorfallender verledigung hinwieder Zeitseines lebens, Sampt dem Gebrauch und nutzung aller und ieder Zubehörunge, so von alters dem Pfarr Ambt anhengig gewest, gewilligt und versprochen, also daß Er meine unterthanen hirselbst mit verkündigung göttliches worts, auch uberreichung der Sacramenten versehen, undt seine lehr allenthalb der Augspurgischen Confession nachrichten soll, wie Ich daß an ihm keinen Zweifel stellen will. Dagegen will Ich ihn bey aller hergebrachten gerechtig Keiten und einkommen der Pfarr fördern undt schützen helffen, inmassen Er darob ein gut begnügen undt gefallen haben soll, undt will auch mit auch mit fleiß darob sein, daß die Pfarr zum Calenberg welche eine Zeithero in manglung eines prädicanten in andere wege bestellt, wiederumb anhero soll incorporirt undt zugeordnet werden.

Daß er auch meinen geneigten willen in werk ferner erspüren möge, will Ich ihme uber das jenige, so er hirvor zugeordnet hatt, noch zwei wispel Korns versichern lassen, die Er jährlichs in sein gewarsam empfangen mag, deß wird wiederumb erwelter HEr Johan sein Ambt also bestellen, darob Ich mich nicht zu beclagen haben möge. Zu wahrer uhrkundt und sicherheit herunten uf diesen brieff mit eigner handt untergeschrieben, undt mit meinem angebohrnen pitschafft befestigett. Gegeben nach Christi unsers einigen Erlösers und Seligmachers gebuhrt, funffzehen hundertt, undt in acht und funffzigsten Jahre, Montags post purificationis Mariae.“

Die Erhöhung der Einkünfte durch zwei Wispel Korn scheint allen Inhabern der Pfarre Randau große Freude bereitet zu haben. Kretschmar nennt sie „das vornembste Accidens oder vielmehr beste Stück zur Pfarrbesoldung gehörig“. Die Lieferung des Getreides wird durch das Kirchenbuch fast bis 1800 bestätigt. Später wurde die Stiftung abgelöst.

Die Verdienste des Andreas von Alvensleben um Kirche und Dorf wurden von der Gemeinde gebührend gewürdigt. „Er lieget in der kirchen zu Randau bey den altar begraben, wie der leichen oder grabstein ausweiset.“ Dieser gut erhaltene Grabdeckel stand früher in einer Nische der Turmmauer, bis er 1886 im Westeingang seinen Platz fand. Andreas zeigt sich uns in ganzer Gestalt, geharnischt, die Streitaxt in der Rechten. Die Ecken sind durch Wappen verziert. Die Inschrift lautet:

„Anno 1565 de 15 Januarii Ist der Erbare und Ernvheste Andreas vo Alvensleve  Christlich gestorben. Got genade der selenn. Amen. Diesē stei hat maria vo hodēberg irē seligē jukerē nachlegē lassē. Also hat godt die welt gelibet das Er seinē Einige Sohn gabe Auf das ale die an ihn glaubē nicht verlorē werdē soder das ewige lebē habē. Johā. 3.“

Bei Gelegenheit der Kirchenrenovierung 1908 wurde der Stein und besonders die Schrift von kundiger Hand ausgebessert und ergänzt, um das Denkmal vor weiterem Verfall zu bewahren. Noch lebte Herr Andreas, da sah das Erzstift Magdeburg die berühmten Tage der ersten lutherischen General-Kirchen-Visitation. 

Auch Randau findet sich in den Protokollen:

„Das dorff gehoret andreasen v. aluensleue u. gehet die pfarre v. Ime dem v. aluensleue zu lehen. Den 21. Aprilis (1564) Pres. u. s. Johannes Schwanberger, Pf. zu Randau, seines alters Im 34. J., Ist a. 1554 zu Stendal ordinirt vormuge seines furgelegten Schriftl. Test., hat seine voc. v. andreasen v. aluensleue u. Ist Sechs J. alda Pf. gewesen. Dieser Pf. ist wol gelert u. zu leren gar tuchtig, klagt aber uber das volk, das sie rohe u. gottlose, der halben in ernstl. gesagt, das sie sich bessern sollten.“

Aus diese freundliche Bermerkung folgt eine Uebersicht über das Einkommen des Pfarrers, die der Vollständigkeit halber nicht fehlen soll:

„9 Stucken ackers In der Santbreide, darzu 2 enden Im ziem gehoren, werden vmbs dritte J. mit 1 ½ wsp. Korns besehet; 2 stucke ackers In der mittelbreite, werden besehet mit 6 Schfl. korns; 6 kleine stucken ackers In der alten Marcke werdet besehet mit 5 ½ Schfl. korns; 6 stucken vff der Schleusenbreide werden besahet, wan sie nit brach liegen, mit 18 Schfl. korn, 3 stucken am rauschen Sche mit 10 Schfl., 6 stucken am kulenhagen am Steinforde mit 6 Schfl., 7 stucken vff dem kulenhagen u. 2 stucken hinter de kulenhagen mit 16 Schfl., 2 stucken nach dem bauholtze vff dem berge mit 3 Schfl. korn. 2 wsp. K. Jarl. Pacht bei heine truden zu Estede In der marcke, So vorhin zu einem geistlichen lehne gehoret haben u. Andreas v. aluensleue mit bewilligung seiner Mitbelehnten vettern der pfarren zu Randaw zueigent u. Incorporirt lauts einer vorschreib. a. 1562.

Wischen und grasung: 20 M. grases außerhalb dem Teiche; 1 M. vff der gresung, 2 stucken wischen bey den dienen weiden, 4 stucken In der altenmarcke diesseit dem Querteiche, 4 Stucken Jenseit dem Querteiche; tragen vngeuerl. des Jares 24 fuder hewe. 8 gr. 4 pf. angelde v. Gotsh.; eyer; 1 wurst u. 1 broth aus Jedem hause vffs newe J.; 1 gr. v. kintt.; 2 gr. v. aufb. u. Cop.; 1 gr. v. begr. Inw. des Pf. 2 eis. Kuhe. Sonst nichts.“

Auch „des Gotshauses Einkommen“ finden wir aufgezeichnet:

„Das lütke hilgenbleck an der Elben In der gose lacke, Ist holtz u. grasung; das große hilgenbleck an der Elben, holtz u. grasung; die gresing fur dem lutken hilgenblecke, Ist aufgethan vor 25 gr. Jarl.; die grasung am großen hilgenblecke an der elben, dauor wirdet Jarl. Gegeben 7 baurgr.; 2 grasing Faueln auf der baurgem., dauor gefelt des Jares 10 baurgr,; 1 ½ wischen vff der westerhusischen wischen tragen Jarl. 15 baurgr.; werden dem Gotsh. zu westerhausen Jarl. Mit 4 gr.  verzcinset; der weidenwerder am großen hilgenbleck, wirdet vormietet vngeuerl. vmb 2 ½ fl. alle J.; 1 M. grases fur der triefft, dauor krigt der Pf. Jarl. 8 gr. 4 pf. Zu Randaw wohnen 20 hausw.“ )

Auch das Jahr 1583 bringt eine teils lesenswerte Visitationsurkunde mit sich:

„Theodoricus Kuls, Pfarrherr zu Randau, seines alters im 37. Jahre, ist anno 1575 im Thumb zu Magdeburg ordinirt, vermöge seines vorgelegten vorsiegelten Testimonii, hatt seine Voation von dem von Alvensleben und der Gemeinde, und ist nunmehr 8 Jahre alda Pfar Herr gewesen.

Dieser Pfarher ist nicht sonderlich gelert, hatt nicht viel beantworten können, weil er aber in seinem Ambt vleißig und eines unergerlichen Lebens, ist man dies mahl mit im zufrieden gewesen, sonderlich weil Er angelobt die Bibel vleißig zu lesen,  dampt der Formula Concordiae. – Zu Randow wohnen 17 hauswirthe und ist noch eine abgebrannte Stedte die nicht gebauet.“

Die nun folgenden Zeiten der Wirren haben fürsorglich dem späteren Beschauer ihr Antlitz verhüllt. Kretschmar hat uns nichts über jene Jahre des Kampfes berichtet, obgleich er doch schon am 10. Mai 1624 die Pfarre übernahm. Nach dem Friedensschlusse setzt seine Berichterstattung aber mit großem Eifer ein. So vertrauen wir auf den nächsten Seiten ganz seiner Führung und wollen von ihm und seinen Nachfolgern hören, was Kirche und Pfarre bis zum Ende den 18. Jahrhunderts erlebt und erlitten.