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Vorwort von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper

Die Bauernsiedlung Calenberge kann auf eine vielfältige, erfolgreiche und vor allem langjährige Historie zurückblicken. Bereits 1209 wird das damalige „Kahlenberch“ zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Das 800 jährige Bestehen ist Grund genug, sich der Geschichte Calenberges zu erinnern, in die Zukunft zu schauen und natürlich dieses freudige Ereignis gebührend zu feiern.

 

Bis 1994 noch ein Dorf vor den Toren Magdeburgs, gehört Calenberge heute als Verwaltungsgemeinschaft Randau/Calenberge zur Landeshauptstadt und ist damit einer der jüngsten Stadtteile. Nach der Eingemeindung 1994 und der feierlichen Einweihung der neuen Ortsschilder durch den damaligen Oberbürgermeister Dr. Willi Polte begann die umfangreiche Sanierung und Erneuerung der Gemeinde. Moderne Elektroanschlüsse, Abwasserleitungen und Gebäuderenovierungen verschönern heute neben neu gepflasterten Straßen das Ortsbild. Hier fühlen sich die Bewohner mir ihrem Stadtteil wirklich verbunden und konnten 1997 mit Stolz den 2.Platz im Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ verkünden. Darüber hinaus bietet das einstige Bauerndorf mit seiner urwüchsigen Umgebung und den zahlreichen Tierarten allen Naturfreunden ein wahres Erholungscentrum im grünen. Nicht nur die Bewohner der Region schätzen daher den Scharm dieser ländlichen Idylle und die damit verbundene Wohnqualität, wie es sie nur noch selten gibt.

 

Die stets überschaubare Anzahl der Bewohner von Calenberge ließ sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht von den Widrigkeiten der Natur, mit dem jährlich wiederkehrenden Hochwasser, entmutigen. Die intensiven nachbarschaftlichen Beziehungen und der Einsatz für die Gemeinde sind für viele ein Vorbild. Genau dieses Arrangement zeichnet Calenberge bis zum heutigen Tag aus. Dafür möchte ich allen Beteiligten herzlich danken und sie auffordern: Machen sie weiter so, damit Randau/Calenberge als modernes Wohngebiet in einer grünen Umgebung noch attraktiver wird. Für die diesjährigen Festlichkeiten zum 800-jährigen Bestehen wünsche ich viel Spaß und gutes Gelingen.

 

h

gez. Dr. Lutz Trümper

Oberbürgermeister

der Landeshauptstadt Magdeburg

 

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Gedanken zu Calenberge von Ernst Schwarzlose

Mitten aber in dem Kranze blühender Gärten, rauschender Baumwipfel, reichen Buschwerks und duftender Wiesen ragte das saubere, freundliche Dörfchen auf, das so ganz geeignet war, den Eindruck heimischen Wohlgefühls hervorzurufen. Und bei den sorgsamen, eifrig schaffenden Bewohnern kam auch deutlich das wohlige Heimatgefühl zum Ausdruck in stiller Lebensfreude und heiterer Fröhlichkeit. Man hörte selten etwas von Zank und Streit, und Rücksichtslosigkeit und Roheit durfte sich nirgends zeigen. Ganz arme Leute waren im Dorfe selten vorhanden. Gegenseitige Aushilfe war bei allen Dorfangehörigen selbstverständlich.“

 

Martin Kahlo 1929 (S.51)

 

historische Postkarte, Calenberge aus der Luft (Bild E.S.)

Calenberge wird als „Kahlenberch“ am 18. Dezember 1209 erstmals urkundlich fassbar, und zwar in einer Besitzbestätigung für das Klosters Berge bei Magdeburg durch Papst Innozenz III. 2009 jährt sich die Ersterwähnung zum 800sten Mal. Im Vorfeld dieses Jubiläums wuchs unter den Calenbergern der Wunsch, die Geschichte unseres Heimatortes einer genaueren Untersuchung zu unterziehen und die geschriebene Historie im Druck zu veröffentlichen.

 

Natürlich wird es nicht mehr gelingen, die Vergangenheit lückenlos aufzuarbeiten, denn zu viel Wissen ist verloren gegangen, längst nicht alles aufgeschrieben und vieles Aufgeschriebene durch Achtlosigkeit, Kriege und politische Veränderungen verloren. Eine große Hilfe in der Aufarbeitung der Calenberger Vergangenheit bietet die bereits 1929 von Martin Kahlo verfasste Schrift: „Calenberge, Dorf und Flur“, in Schönebeck in der Reihe „Veröffentlichungen der Gesellschaft für Vorgeschichte und Heimatkunde des Kreises Calbe“ herausgegeben. Hinzu kommt der glückliche Umstand, dass Martin Kahlo seinerzeit noch Akten und Urkunden einsehen konnte, die heute nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Ergänzt werden seine Erkenntnisse durch eigene Archivrecherchen und das Engagement der Calenberger, die aus ihrem Privatbesitz Fotos und alte Verträge heraussuchten, um sie der Auswertung zu überlassen.

 

Die vorliegende Festbroschüre zum 800-jährigen Dorfjubiläum bietet eine Zusammenfassung der neueren Erkenntnisse, die demnächst in einer ausführlicheren Chronik erscheinen sollen.

Dorfchronik von 1929 (Eigentum B.C.)

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Allgemeines zur Einleitung

Kalenberge (Ld. u. Stg. Magdeburg), Pfardorf, unweit der Elbe, 4¼ M. v. Burg und 1½ M. südöstlich v. Magdeburg; eine evang. Pfarrkirche mit 1 Pr., ein Küster- und Schulh. mit 1 L., 21 Wohnh., 144 ev. Einw., ein Krug, 2 Ackerh., 11 Koss., 3 Häusler und 4 Einlieger, Die separirte Feldmark enthält 560 Mrg. und 12½ katastrirte Hufen, und zwar 152 Schff. Aussaat Aecker 2ter, 83 Schff. 3ter und 17 Schff. 4ter Kl. Meist guter Weizenboden und schöne Wiesen. (194 Thlr. 21 Sgr. Gr., 97 Thlr. Kl. und 7. Thlr. Gew. St.) Die Einw. treiben vorzugsweise Viehzucht. Patron und Gerichtsherr ist der Staat. Früher stand das Patronat dem ehemaligen Kloster Berge zu. (1782. 127 und 1818. 146 E.)

 

Handbuch vom Regierungsbezirk Magdeburg 1842 (S.150)

 

Calenberge, das wie der Magdeburger Dom 2009 sein 800-jähriges Bestehen feiert, gehört erst seit 1994 als Verwaltungsgemeinschaft Randau-Calenberge zu Magdeburg und ist somit einer der jüngsten Stadtteile der Landeshauptstadt. Das einstige Bauerndorf liegt ca. 12 km südöstlich vom Magdeburger Stadtzentrum entfernt in ländlichem Raum und wird auf drei Seiten – im Westen, Süden und Osten – von der an dieser Stelle schlaufenförmig sich windenden Alten Elbe umgeben. In nördlicher bis nordöstlicher Richtung verläuft der Elbe-Umflutkanal, der auf Höhe der Kreuzhorst fast bis an die Alte Elbe heranreicht. Der alte Elbarm begrenzt einerseits die Gemarkung Calenberge und bezeichnet andererseits auf der Südseite gleichzeitig einen Teil der Grenze zum Stadtgebiet Schönebeck mit den Orten Grünwalde, Elbenau und Plötzky. Nach Osten schließt sich der Landkreis Jerichower Land mit der Gemeinde Gommern an, im Norden liegen die Magdeburger Stadtteile Pechau und Kreuzhorst. Als westliche Grenze der Verwaltungsgemeinschaft gilt die Elbe. Randau-Calenberge gehört mit 13,59 km2 flächenmäßig zu den größten Magdeburger Stadtteilen, ist allerdings wegen der ländlichen Struktur mit ca. 550 Einwohnern nur dünn besiedelt. Der gemeinsame Ortsbürgermeister heißt Günther Kräuter und wohnt in Randau.

 

Abgesehen von der Firma „Calenberger Caravan und Pflanzenmarkt“ und dem „Landhaus Elbebiber“ ist der Ort heute eine reine Wohnsiedlung und über eine Buslinie an das Nahverkehrsnetz Magdeburgs angeschlossen. Er befindet sich inmitten einer idyllischen Landschaft, im Naherholungsraum der Elbestädter und am Elberadweg. Calenberges Freizeitwert in naturnaher Umgebung ist unbestritten hoch. Abgesehen von der freiwilligen Feuerwehr, die ebenfalls in diesem Jahr ein Jubiläum feiert, gibt es im Dorf noch einen Turnverein.

 

Die Umgebung Calenberges ist durch eine Kulturlandschaft mit Ackerflächen und Grünland bestimmt. Obwohl die Elbe seit ca. 1.000 Jahren beständig in einer Entfernung von etwa drei Kilometern westlich am Dorf vorbeifließt, ist die Landschaft noch deutlich vom Fluss geprägt. Von Jahr zu Jahr mit unterschiedlicher Intensität wiederkehrende Sommer- und Winterhochwasser hinterließen nicht nur Feuchtwiesen, Sümpfe, Altwässer und Kolke, sondern auch ertragreiche Böden, da sich beim Rückgang des Wassers Sedimente ablagerten. Die Bodenqualität der Gemeinde kann mit durchschnittlich 45 Bodenpunkten für Grünland und 61 Bodenpunkten für Ackerland durchaus als gut bezeichnet werden und ermöglicht einen breiten Querschnitt ländlicher Kulturen. Es lassen sich Raps, Weizen und Gerste, aber auch Kartoffeln und Futtermais, der wiederum der Tierproduktion zu Gute kommt, anpflanzen. Darüber hinaus ist der Wechsel von Acker, Wiese und kleineren Gehölzgruppen mit Strauch- und Baumbeständen, sogenanntem Galeriewald entlang der Altwässer, durch hohen Wildbesatz interessant für die Jagd.

 

Mitten im Urstromtal der Elbe, allseitig von feuchten und sumpfigen Niederungen mit Altwässern und Kolken umgeben, bot eine leichte Erhebung von 1,5 m gegenüber der Feldflur die Grundlage für eine Ansiedlung, die den Namensbestandteil „Berg“ nicht wirklich verdient. Denkbar ist jedoch, dass sich im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende mit den regelmäßigen Überschwemmungen auch das Bodenniveau veränderte und sich die Anhöhe zunehmend nivellierte, wenngleich sie nie wirklich hoch gewesen sein wird. Die geringe Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung und auch die Form dieser leichten Bodenerhebung hat gleichzeitig begrenzend auf die Entwicklung des Dorfes gewirkt, das sich bis zum Anfang des 20.Jahrhunderts als kurzes Reihen- oder Straßendorf mit einem kleinen Anger im Süden entlang der einzigen Dorfstraße erstreckte, die wiederum als Sackgasse von der Landstraße abzweigt. In jüngerer Zeit hat sich die Siedlung in Richtung Norden ausgedehnt, trotzdem umfasst die bebaute Fläche nur ca. 0,2 km2. Erst mit dem Jahr der Eingemeindung 1994 ist die Dorfstraße in „Calenberger Dorfstraße“ umbenannt worden, um Verwechslungen mit Straßen in anderen Magdeburger Ortsteilen zu vermeiden.

 

1781 wird der Ort wie folgt beschrieben: 22 Feuerstellen, darunter 1 Vollspänner, 2 Halbspänner, 6 große Kossaten- und 6 kleine Kossatenhöfe, insgesamt 127 Einwohner, 1 See, 1 Schiffsmühle an der Elbe (alte Elbe).[1] 1842 bestand Calenberge aus 2 Ackerhöfen, 11 Kossatenhöfen, 3 Häuslern und 4 Einliegern, zusammen 21 Wohnhäuser und 144 Einwohner. Die Bezeichnungen Vollspänner oder Ackerhöfe, Halbspänner, Kossaten usw. unterscheiden verschiedene landwirtschaftliche Betriebsgrößen. Calenberges Einwohnerzahl schwankte Jahrhunderte lang nur geringfügig und war im Jahr 1865 mit 185 Seelen selten hoch.[2] Zweimal erging in der Vergangenheit von offizieller Seite das Verbot an die Dorfbewohner, sich weiterhin untereinander zu verheiraten, da die Säuglingssterblichkeit auf ein bedenkliches Maß angestiegen war.[3]

 

Von Anfang an lebten die Calenberger in der ambivalenten Situation, dass ihnen einerseits reiche Fischbestände, Wild und auch die fruchtbaren Böden eine angenehme Lebensgrundlage boten, sie andererseits das Hochwasser ständig gefährdete und es immer wieder katastrophale Schäden anrichtete. Außerdem brachte das feuchte und ungesunde Klima manchmal epidemieähnliche Krankheiten und fiel die Lebenserwartung eher gering aus. Erst mit dem Bau des Elbe-Umflut-Kanals (begonnen 1868) und des Pretziener Wehrs (1871 – 1875) wurde mustergültiger Hochwasserschutz betrieben und somit eine stabilere Situation für das alltägliche Leben in Calenberge geschaffen.

 

Urkunde 1811, Entlassungsurkunde aus dem Militär für Johann Andreas Meseberg mit der Auflage, die Witwe Wäschen zu heiraten (Eigentum E.S.)

Hochzeitszeitschrift für Otto Meseberg und Elisabeth Steinhagen 1905 (Eigentum E.S.)

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Früheste Siedlungsspuren

Die erste urkundliche Nennung Calenberges fällt ins Jahr 1209. Siedlungsspuren sind in der fruchtbaren Umgebung aber bereits für die Jungsteinzeit nachgewiesen. In Nähe des Nachbarortes Randau ist seit den 1940er Jahren ein vierräumiges, 20 m langes Haus der Schönfelder Kultur (2900 – 2100 v. Chr.) mit umfangreichem Inventar aus Stein und Ton und verkohlten Speiseresten ergraben. Etwas weiter nördlich befindet sich im Wald ein bronzezeitliches Gräberfeld. Zu DDR-Zeiten kam in der Calenberger Gemarkung bei Feldarbeiten hinter der LPG, auf einem Flurstück mit dem traditionellen Namen „Die Nachtweide“, ein noch wesentlich älteres Bodenbearbeitungsgerät der Rössener Kultur (4900 – 4700 v. Chr.) zu tage. Hierbei handelt es sich um einen großen Keil, dessen Fund deutlich macht, dass sich in der unmittelbaren Umgebung des Dorfes Calenberge schon vor mehr als 6.000 Jahren Menschen bewegten.

 

Wie weitere archäologische Entdeckungen belegen können, ist auch der Ort Calenberge selbst bereits etwa 1.500 Jahre vor der ersten schriftlichen Erwähnung als Siedlungsplatz genutzt worden. Mehrere im Jahr 1928 und bei Erdarbeiten 1993 in unmittelbarer Umgebung der Dorfkirche gefundene Urnen weisen einen germanischen Begräbnisplatz der vorrömischen Eisenzeit – auch Jastorfkultur (600 v.Chr. bis zum Beginn unserer Zeitrechnung) genannt – nach. Es kann also angenommen werden, dass der Ort auch damals schon relativ hochwassersicher gewesen ist. Eine zweite, 1939 entdeckte Fundstelle, die auf eine eisenzeitliche Siedlung schließen lässt, befindet sich weiter südlich, etwa auf Höhe des ehemaligen Pfarrhauses. Die Fundstücke aus Calenberge werden im Kreismuseum Schönebeck aufbewahrt. Ob in den sich anschließenden Jahrhunderten bis 1209 durchgehend Menschen in Calenberge gelebt haben, weiß niemand. Jüngere Siedlungsspuren sind aber wieder für Nachbarorte belegt.

 

Für die ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt gilt die Entdeckung des Fürstengrabes auf dem Gerstenberg bei Gommern als Sensation, zeugen die Grabbeigaben doch von einem intensiven Handel der östlich der Elbe lebenden Menschen mit den römisch besetzten Gebieten. Dieses im Jahr 1990 gefundene Grab eines germanischen Adligen aus dem 3.Jahrhundert gehört zu den prunkvollsten jener Zeit in Mitteleuropa. Es enthielt Schmuckgegenstände aus Gold und Silber, Prunkwaffen sowie zahlreiche Gegenstände römischer Herkunft aus Glas und Metall.

 

In der Völkerwanderungszeit siedelten sich Slawen, auch Wenden genannt, im Elbraum an. Westlich der Elbe lebten die Sachsen. Erst als diese unter Karl dem Großen zum Christentum übergetreten waren, drang die Christianisierung intensiver nach Osten, in die Gebiete östlich der Elbe vor. Die Ottonen ließen im 10.Jahrhunderts auf dem Ostufer der Elbe in strategischen Abständen Burgen (so auch die Burg von Gommern) errichten, die das Sachsenreich gegen feindliche Übergriffe der Slawen schützen sollten. Ein Slawenaufstand 982 machte jedoch einen Großteil der ottonischen Eroberungen vorerst wieder zunichte, so dass die Elbe vielerorts wieder die Reichsgrenze bildete.

 

Im 12.Jahrhundert wurde das ostelbische Territorium neu besetzt und durch eine gezielte Ansiedlungspolitik innerhalb der ehemals slawischen Gebiete sowie die Gründung neuer Ortschaften und Pfarren weiter gesichert. Eine derartige Stabilisierung der noch von Slawen bewohnten Gegenden mit Kolonistendörfern betrieb nicht nur der Magdeburger Erzbischof, sondern auch der Markgraf von Brandenburg. Ob Calenberge im Ursprung auch als Kolonistendorf bezeichnet werden kann, muss letztendlich offen bleiben. Zahlreiche Ortsnamen der näheren Umgebung gehen auf ursprünglich slawische Namen zurück. Durch ältere Publikationen[4] und Zeitungsartikel ist die Verbindung Calenberges mit einem wendischen Ort namens Lysagora, dessen Übersetzung „kahler Berg“ bedeutet, vorgeschlagen worden. Einen gesicherten Nachweis für einen eindeutigen Zusammenhang oder für die genaue Lage des wendischen Ortes Lysagora gibt es aber anscheinend nicht. In Vorbereitung auf diese Festschrift konnte nicht einmal die ursprüngliche Quelle ausfindig gemacht werden, die den Ort Lysagora überliefert.

 

Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle verwahrt alte Messtischblätter der Historischen Kommission der Preußischen Provinz Sachsen aus der Mitte des 19.Jahrhunderts. Darauf ist in der Gemarkung Calenberge südlich des Dorfes, etwa auf halber Strecke zum „Winkel“, auf den als „Der Klosterhof“ oder „Der Keil“ bezeichneten Flurstücken noch eine mittelalterliche Wüstung, markiert mit dem Buchstaben H, eingetragen.

 

Zeichnung, gefertigt im Landesmuseum Hannover, Bodenbearbeitungsgerät der Rössener Kultur, gefunden auf der Feldmark „Nachtweide“ in der Calenberger Gemarkung, Abbildung verkleinert (E.S.)

Leichenbrandurne mit sogenanntem Seelenloch, gefunden bei Erdarbeiten in Calenberge, um 600 v.Chr., heute im Kreismuseum Schönebeck (Foto E.S.)

Keramik der Jastorfkultur, um 600 v. Chr., gefunden bei Erdarbeiten neben der Calenberger Kirche, heute im Kreismuseum Schönebeck (Foto E.S.)

Keramik um 600 v. Chr., gefunden bei Erdarbeiten in Calenberge, heute im Kreismuseum Schönebeck (Foto E.S.)

Ausschnitt aus dem Messtischblatt der historischen Kommission der preußischen Provinz Sachsen, 1858 aufgenommen, 1873 herausgegeben, 1877 berichtigt (St.A. Rep. KS II 17-4)

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Erste urkundliche Erwähnung Calenberges

Preterea quascunque possessiones, quecunque bona idem monasterium in presentiarum iuste ac canonice possidet aut in futurum concessione pontificium, largitione regum vel principum, oblatione fidelium seu aliis iustis modis praestante domino poterit adipisci, firma vobis vestrisque successoribus et illibata permaneant. In quibus hec propriis duximus exprimenda vocabulis: (…) villas quoque Korit, Kalenberch, Priztere…“.

Papst Innozenz III. 1209

Der Anlass für die 800-Jahrfeier, die erste Erwähnung Calenberges, fällt zusammen mit der gezielten Ansiedlungspolitik im ostelbischen Territorium. Bei der Urkunde handelt es sich um ein von Papst Innozenz III. am 18. Dezember 1209 unterzeichnetes Schreiben, welches die Privilegien des Klosters Berge, seine Rechte, Freiheiten und Besitzungen – darunter auch „Kalenberch“ – auflistetet, bestätigt und das Kloster unter den Schutz des Papstes stellt. Genannt werden neben Calenberge und zahlreichen anderen Siedlungen auch die Nachbarorte Prester und Karith bei Gommern.

Die Urkunde aus dem Lateran ist nicht als Original, sondern in Form von zwei Abschriften aus dem 16. und 17.Jahrhundert, die eine im sog. Privilegienbuch des Klosters Berge, die andere im sog. Weißen Buch des Klosters Berge, überliefert. Die Abschriften verwahrt das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Nachgelesen werden kann der Text ebenfalls unter der Nummer 59 im „Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg“, erschienen 1879 in Halle.

Auszug aus der abschriftlich überlieferten Urkunde von 1209 (LHASA 1)

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Calenberge als klösterlicher Besitz in askanischem Herrschaftsgebiet

Vermutlich schon im Jahr 966[5] zogen die Mönche aus dem Mauritiuskloster am Magdeburger Domplatz in das südlich vor den Toren der Stadt Magdeburg gelegene, neu erbaute und von Otto dem Großen gegründete Benediktinerkloster St. Johannis Baptist auf dem Berge. Der Grund hierfür war die Tatsache, dass Otto sein langgehegtes Ziel, Magdeburg zum Erzbistum zu erheben, erreicht hatte und nun das Mauritiuskloster für die Domherren des Erzstifts zur Verfügung stehen sollte. Spätestens seit Anfang des 12.Jahrhunderts ist das Kloster als Eigentum des Erzbistums nachgewiesen. Wann es exakt zum Erzbistum Magdeburg kam, ist nicht bekannt.

 

Das Kloster Berge gehörte in der Folgezeit zu den wohlhabenderen Klöstern des mittelalterlichen Deutschlands und galt als angesehene Bildungsstätte. Es erhielt sowohl von den Ottonen und ihren Nachfolgern als auch von den Magdeburger Erzbischöfen ansehnlichen Besitz. Nachdem Erzbischof Heinrich I. von Magdeburg (1102 – 1107) dem Kloster auch die Fähre zu Fermersleben bei Buckau, gegenüber Prester, geschenkt hatte, bildete sich bald nach 1100 eine Gruppe von Dörfern im ostelbischen Klosterbesitz. Die Geschichte des Klosters unter besonderer Berücksichtigung seiner dörflichen Besitzungen ist umfassend von Christof Römer herausgearbeitet worden, auf den sich die folgenden Ausführungen beziehen.[6]

 

Zwei Urkunden aus den Jahren 1145 und 1209 (siehe oben) bestätigen den Besitz und geben Auskunft über die klösterlichen Privilegien. Hierbei muss zwischen Grundeigentum und Vogteirechten unterschieden werden. Letztere besaß das Kloster Berge im erst 1209 erwähnten Calenberge nicht. Die Vogteirechte gehörten nämlich zur Burg Gommern, also zu den Askaniern. Zwar hatte Otto I. Gommern dem Mauritiuskloster zum Geschenk gemacht, doch war die Burg im 12.Jahrhundert mit der Mark Brandenburg als Erbe und durch Eroberung in den Besitz von Albrecht dem Bären, und somit zum Herzogtum Sachsen, gekommen. Gommern bildete seinerzeit und bis 1808 eine Enklave im magdeburgisch-brandenburgischen Einflussgebiet.

 

1221 kaufte der Abt vom Kloster Berge dem Burggrafen von Magdeburg die im Bereich der Klosterbesitzungen ausgeübten Vogteirechte ab und übernahm sie mit Zustimmung von Erzbischof, Papst, König und Kaiser als freies Eigentum. Die rechtlichen Grundlagen waren somit zweifelsfrei geklärt. Allerdings galt dies nur für etwa drei Viertel des klösterlichen Besitzes, die Vogteirechte Calenberges und somit auch die oberste Gerichtsbarkeit und die Schutzherrschaft blieben weiterhin bei den Askaniern.

 

Dem Kloster gehörte jedoch Grundeigentum im Umfang von 10 oder 12,5 Hufen und außerdem das Schulzengericht, welches ein Schulze (Schultheiß) in einem Schulzenhof vor Ort ausübte. Das Schulzenamt war nämlich in der Regel an den sog. Siedlungsunternehmer – in diesem Fall das Kloster Berge – gekoppelt und mit Besitz verbunden. Als Beamter des Grundherrn hatte der Schulze die Gemeinde zur Leistung ihrer Abgaben (Zehnte) anzuhalten und diese einzuziehen und für die Einhaltung sonstiger Verpflichtungen zu sorgen. Er wachte über die Gemeindearbeiten, also über die Dienstleistungen, welche die einzelnen Ortsbewohner entsprechend der Größe ihrer Besitzungen zu leisten hatten. Außerdem übte er richterliche Befugnisse auf Gemeindeebene und bei Grenzstreitigkeiten aus. In späteren Jahrhunderten entwickelte sich das Amt des Dorfschulzen zum Dorfvorsteher, Ortsvorsteher oder Bürgermeister. Im Gegensatz zum Schulzengericht hatte das Vogteigericht über schwerere Straftaten mit Todesfolge zu entscheiden.

 

Angesichts der Tatsache, dass die Rechte am Dorf Calenberge geteilt gewesen sind, ist eine Gründung oder auch Neugründung des vermutlichen Kolonistendorfes durch das Kloster Berge und die Askanier, wohl in der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts, denkbar. Rechtlich gehörte das Johanneskloster zwar zum Erzstift Magdeburg, dennoch vertraten die geistig und politisch regen Äbte selbständig die Interessen ihres Klosters. Anschließend wechselte die Zuständigkeit mehrmals, sodass es nicht ganz leicht ist, die Gegebenheiten zu verstehen. Im 14. und 15.Jahrhundert verloren die Vogteirechte ihre wichtige politische Bedeutung. Auch im 16.Jahrhundert änderten sich die Strukturen weiter. In den ostelbischen Klosterorten wandelte sich die askanische Obergerichtsbarkeit in eine kursächsische Landesherrschaft, da die sächsischen Herzöge inzwischen den Titel Kurfürsten trugen.

 

Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass 1283–1343 das Schloss Gommern und somit auch die askanischen Vogteirechte an das Erzstift Magdeburg verpfändet gewesen sind. Ab 1419 bis 1539 gehörten sie dem Rat der Altstadt Magdeburg als Pfand. Durch diesen Umstand war Calenberge von Steuerauflagen und anderen allgemeinen Maßnahmen der kursächsischen Landesherren befreit. Jedoch ergänzte der Magdeburger Rat die mit der Herrschaft über das Schloss verbundenen Rechte wie Blutgericht und Dienste durch Huldigung, Schwur, Folge und einen Geldbetrag und verfügte somit mit Ausnahme der Flurhoheit und der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit, die beide nach wie vor das Kloster Berge über das Schulzengericht ausübte, über die dorf- und landesherrlichen Rechte. Steuern konnte er in Calenberge allerdings nicht durchsetzen.

 

Ein weiterer Abschnitt in der Calenberger Geschichte begann mit der erneuten Ablösung des Gommerschen Schlosses 1539 durch Kursachsen. Der Amtsbezirk Gommern lag jetzt im Kreis Belzig. Somit endete der Einfluss des Rates der Altstadt Magdeburg. In der Folgezeit versuchte Kursachsen bis ins 18.Jahrhundert immer wieder, neben seinen bestehenden Rechten auch die weitere Herrschaft über das Dorf zu gewinnen. Bei der Belagerung Magdeburgs 1551 im Schmalkaldischen Krieg übernahm der Hauptmann zu Gommern den Schutz des Dorfes und ließ sich dafür reichlich entlohnen. Auch versuchte das Amt Mitte des 16.Jahrhunderts das inzwischen wüste Schulzengericht wieder aufzubauen und an sich zu ziehen. Der Abt vom Klosters Berge vereitelte jedoch dieses Bestreben, indem er das Schulzengericht an Hans Aleman zu Magdeburg überschrieb. Diese Verschreibung von 1558 ist wesentlich für die Geschichte des Dorfes gewesen. Zwar hatte Abt Dietrich das verlehnte Schulzengericht schon 1513 freigekauft, aber die politischen Wirrnisse der Zeit, die für das Kloster 1525 mit Plünderungen begannen, hatten jahrzehntelang das Handeln der Äbte stark eingeschränkt. Der neue Klosterschulze Hans Aleman ließ sich als Erbsasse in Calenberge nieder, belebte das Schulzenamt neu und baute es zu einer umfassenden Herrschaft über die Einwohner aus. Erblich war dieser Besitz aber nicht, sondern für mehrere Generationen an seine Familie vertraglich gebunden. Er blieb genaugenommen Eigentum des Klosters, das der Schulze durch seine Aktivitäten sicherte und vermehrte.

 

Über die Abgaben, die sog. Zehnte, welche die Dorfbewohner an das Kloster zu entrichten hatten, ist aus früheren Jahrhunderten nur wenig überliefert. Im 16.Jahrhundert zahlten sie einen Fleischzehnt. Später musste Calenberge auch einen Bienenzehnt an das Kloster abtreten, also Honig liefern, der damals besonders wertvoll war, weil es noch keinen Zucker gab.

 

Wieder versuchte das Amt Gommern zu intervenieren und den Schulzen für sich zu gewinnen – vergeblich. Die Ereignisse nahmen nun einen entgegengesetzten Verlauf. Zwischen 1558 und 1610 kam die Dorfherrschaft, die dem kursächsischen Amt Gommern abgerungen wurde, zum Schulzengerichtshof Calenberge und somit in den Besitz des Klosters. Dies nützte letztendlich den anderen Landesherrn, den Magdeburger Erzbischöfen. Als Entschädigung erhielt das kursächsische Amt Gommern die Eigentumsrechte von zwei Hufen sowie 14 Schillinge von den Höfen, zwei Lachse zur Fastenzeit (wird als Symbol der Gastpflicht gegenüber dem Herrn gedeutet) und zwischen Ostern und Pfingsten 1,5 Ferding (Ferding = 1/4 Mark) vom Wasser, gemeint sind die Einkünfte aus der Fischerei der zur dörflichen Gemarkung gehörenden Teiche. Letzteres galt als Zeichen der Oberherrschaft über die Flur. Die Herrschaftsordnung löste sich in der Folgezeit ganz auf. Im 15. und 16.Jahrhundert waren zwei Drittel der Flur einfaches Pachtland. Die Bauern leisteten aber bis ins 16.Jahrhundert noch Mäh- und Fuhrdienste für den Obergerichtsherrn auf Gommerschen Wiesen.

 

1613/19 beugte das Kloster eine Gefährdung seiner Herrschaft endgültig vor, indem es die Verschreibung an den Dorfschulzen zurückkaufte und seither Pacht und Schulzenamt die Gemeinde vor Ort selbst verwalten ließ. Anfang des 17.Jahrhunderts leisteten die Calenberger Bewohner zur Ablöse des Obergerichts jeder der gommerschen Amtsschäferei nur noch drei Fuder Heu.

 

Wie die anderen Dörfer der Umgebung und auch die Stadt Magdeburg gehörte Calenberge in napoleonischer Zeit ab 1808 zu Westfalen. Das Amt Gommern bildete nun einen Kanton im Distrikt Magdeburg des Elbdepartements.[7] Die Klosterherrschaft endete formell erst mit der Auflösung der Klosterverwaltung durch die Franzosen im Dezember 1809, gleichzeitig fielen der Regierung nun auch die Einnahmen aus den Dörfern zu. Calenberge hatte Verpflegungslieferungen zu leisten und Kriegssteuern zu zahlen, beides in beachtlichem Umfang. Beim Eintreiben von Geldern gingen die französischen Soldaten auf brutale Art und Weise vor. So wird berichtet, ein Soldat habe versucht, dem greisen Calenberger Kantor den Kopf zu spalten, weil das beim Kantor gefundene Bargeld nicht mehr als 7 Taler und 12 Groschen betrug.[8] 1815 ist der Ort preußisch geworden, mit Sitz des Kreisrates in Leitzkau.

Blick zum Klosterbusch (Foto S.U.)

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Die Bauern, die Höfe und die Separation

Niemand soll von des anderen Acker abpflücken, und wenn ihm auch vorher von seinem Nachbar etwas genommen worden, dadurch sein eigener Richter werden, vielleicht auch geschehenes heimzusuchen, obrigkeitliche Hilfe erwarten. Widrigenfalls nach Vorschrift der Prozessordnung von 1686, Cap.9 § 4 gewärtigen, dass von jeder Fuhre in ein Thaler sechs Groschen condemniert werde. Auch soll sich niemand unterstehen, ohne des Eigentümers Erlaubnis Erbsen zu pflücken oder andere Feldfrüchte, so wenig zu eigenem Gebrauch als zum Verkauf abzupflücken, Getreide zu schrippen, Fuhren auszupflügen oder andere dieser Art von Feldbeschädigungen vorzunehmen. Wer darüber beschrieben wird, soll das erste mal sechs Groschen Strafe, wovon der Feldhüter sechs Groschen bekommt, bezahlen, bei wiederholten malen aber mit körperlicher Strafe belegt werden.

 

§5 aus dem Dorf-Articul für die Gemeinde zu Kalenberge 1786[9]

 

Bis ins 19.Jahrhundert setzte sich die Calenberger Gemarkung zum größten Teil aus Wald, Wiesen und Weiden zusammen, Ackerland machte den geringsten Teil aus. Den mit Hufen belehnten Bewohnern standen im Mittelalter in der Regel ein bis zwei Hufen, umgerechnet 30 bis 60 Morgen zur Verfügung. Davon war die Hälfte Wiese oder Weide. Große Teile der Feldmark gehörten als Gemeindeeigentum dem Dorf. Neben diesem gemeinschaftlichen Eigentum gab es auch Nutzungsberechtigungen, die auf dem Grundeigentum lasteten. Hingegen durften die Calenberger Bauern bis 1835 den Klösterlichen Forst nutzen und hier zwei Schweine zur Mast hineintreiben, das ganze Jahr unter der Aufsicht des Revierförsters zweimal wöchentlich trockenes Holz sammeln und dürre Äste mit einem 12 Fuß langen Haken abbrechen sowie unentgeltlich das wilde Obst sammeln. Neben dem Klosterhof bestanden Bauernhöfe und Pfarrhof als selbständige Wirtschaftsbetriebe. Ab dem 14.Jahrhundert waren die Besitzungen des Klosters verpachtet.

 

Wie Christof Römer in seiner Abhandlung über die Kloster Bergeschen Dörfer[10] herausarbeitet, erhielten die Bauern in den ostelbischen Siedlungen des 12.Jahrhunderts allgemein günstige Besitzrechte, wenngleich erhebliche Teile der neuen Dörfer den Eigenhöfen des Klosters vorbehalten blieben. Ein Teil der Bauern wurde jedoch im 13.–15.Jahrhundert weitestgehend von Magdeburger Bürgern sowie Magdeburger Klöstern und Stiften in den Besitzrechten verdrängt, wobei nicht geklärt ist, ob vielleicht auch die alten Familien in die Stadt zogen oder ihre Rechte an Kapitalanleger abtraten. Um 1565 ließen reiche Bürgerfamilien und die Domdechanei zu Magdeburg 7 1/2 der 10 Klosterhufen bewirtschaften, den Calenberger Bauern standen aber nur 2 1/2 Klosterhufe zu.

 

Im ersten Drittel des 17.Jahrhunderts lassen sich die Einwohner Calenberges, bzw. die jeweiligen Familienoberhäupter oder Hofbesitzer, namentlich fassen. Magdeburg erhielt seinerzeit vom schwedischen König Gustav Adolf sozusagen als Wiedergutmachung für die schlimme Zerstörung der Stadt 1631 geistliche Güter aus der Umgebung als Geschenk, darunter auch Calenberge. Anfang 1635 wurde die Schenkung vollzogen. Zu diesem Zweck mussten sich die Bauern nach Magdeburg begeben und den Untertanen-Eid ablegen. Im Vorfeld erstellte, namentliche Verzeichnisse protokollieren ihr Erscheinen. Der zuständige Geistliche Salomon Petri aus Pechau, der des Schreibens und Lesens mächtig war, wurde in punkto „doctrinae et obedientiae“, also in Sachen Lehre und Gehorsamkeit, schriftlich verpflichtet. Als „Untertanen zu Kalenberge“ sind überliefert: Caspar Alemans Witwe (Bürgermeister), Hans Schultze, Valtin Becker, Jürgen Schlüter, Brosius Klehn, Thias Kennemann (Kannenmann), Peter Benegresser (Benengresser), Drewes Jörg (Jöng), Joachim Aldelheit, Joachim Deutscher (Dentscher), Hanß Langen, Paul Telin (Tilen), Hanß Schrader Holtzförster und Friderich Benengresser.[11] Nur zwei dieser Namen lassen sich einige Jahre später noch den Hofstellen in Calenberge zuordnen: Familie Becker 1698 im Kossatenhof Nr.4 und Familie Ahlheit 1701 dem Kossatenhof Nr.10.[12]

 

Die Schenkung ist später für nichtig erklärt worden. Im Gegensatz zu einigen Dörfern in der Nachbarschaft, die im Dreißigjährigen Krieg völlig verwüstet worden sind, gibt es hierzu über Calenberge keinerlei Nachrichten dieser Art.

 

Eine besondere Leistung des preußischen Staates im 19.Jahrhunderts ist die Flurbereinigung gewesen, die als eine Art Agrarreform eine enorme Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und somit eine bessere Versorgung der seit Mitte des 18.Jahrhunderts stark wachsenden Bevölkerung zur Folge hatte. Erste Anfänge sind durch Friedrich II. bereits im 18.Jahrhundert initiiert worden. Bisher bestehende Zwänge und Abhängigkeiten der Bauern von den Grundeigentümern, in Calenberge also vom Kloster Berge und vom Amt Gommern, hemmten die Eigeninitiative der Landwirte ebenso wie der Flurzwang und die Dreifelderwirtschaft. Außerdem war die starke Zersplitterung der Flächen nicht ertragsorientiert. Auf einem Großteil der Grundstücke lasteten Hutungsrechte. Das Hutungsrecht erlaubte Landeigentümern, Vieh auf Grundstücken anderer Besitzer weiden zu lassen. Dies hemmte beispielsweise den Anbau bestimmter Erzeugnisse wie der spät im Jahr zu erntenden Kartoffel. Ein Gesetz zur Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821 zielte auf die wirtschaftliche Zusammenlegung der zerstreut liegenden Eigentumsflächen, die Aufhebung der für die landwirtschaftliche Nutzung nachteiligen Flurzwänge und Weiderechte und die Aufteilung der gemeinschaftlich genutzten Flächen mit der geregelten Zuweisung an die jeweils berechtigten Bauern. Am Abschluss des Separationsverfahrens stand ein Rezess, der die Eigentumsverhältnisse beschrieb, die Rechte und Pflichten der Beteiligten begründete und den Ablauf des Verfahrens darlegte.

 

Aus dem Separationsrezess Calenberges vom 30.März 1847 gehen folgende Informationen zum Bestand und zur erfolgten Aufteilung hervor:

 

Acker 315 1/4 Morgen, Wiese 294 1/3 Morgen, Holzungen 277 1/4 Morgen, Hütungsflächen und unbrauchbares Land 204 2/3 Morgen, Dorffläche 23 1/3 Morgen, insgesamt 1115 Morgen, also etwa 28% Ackerfläche und fast 70% Wiese, Holzung und Weideland. Diese Nutzungsverteilung mit relativ wenig Ackerflächen lehnte sich an die Naturgegebenheiten in Flussauen an. Wiesen, Weideland und Wald gehörten zum großen Teil der Allgemeinheit, der große Anger, die Trift, der Schweineanger und die Nachtweide dienten für „verschiedenes Vieh“ das ganze Jahr als Weide. Geschlagenes Holz aus den gemeinschaftlich genutzten Waldflächen teilten die 14 Hofbesitzern untereinander auf, Pfarre, Kirche und Häusler ausgenommen. Wald war, abgesehen von seiner Wichtigkeit für den Deichbau, als Weidefläche bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts unentbehrlich, da Laub und Gras als Futter dienten, das Laub aber auch als Einstreu in den Ställen Verwendung fand.

 

Wie bereits erwähnt gehörten zum Ort damals 14 Interessenten (Grundbesitzer), 5 Häusler (reine Hausstellen ohne Land wie Zimmermann, Gemeindeholzlager, Kuhhirtenhaus, Schneider), Nachtwächterhaus, Spritzenhaus mit Garten, Kirche, Pfarre und Schule. Die Besitzungen des einstigen Kloster Bergeschen lehensherrlichen Schultheißengerichts und des Kloster Bergeschen Klosterhofs waren verpachtet. Außerdem bestand ein ehemaliges Schönbachsches Gut mit 2,5 Hufen, von den 14 Grundbesitzern bereits aufgekauft und gleichmäßig verteilt.

 

Der Verteilungs- und Zusammenlegungsprozess gestaltete sich folgendermaßen: Nach der Vermessung der Gemeindeflur bewerteten amtlich bestellte Sachverständige die Äcker und Wiesen nach ihrer Ertragsfähigkeit und Qualität. Dem Verteilungsplan lagen der jährliche Reinertrag und die Anteilsrechte der einzelnen Bauern zugrunde. Die Calenberger Landwirte erhielten zwischen 38 und 73 Morgen, die Pfarre 68 1/2 Morgen, dazu das Pfarrwittum (Pfründe) 3 3/4 Morgen, die Kirche 84 3/4 Morgen, die Schule 15 3/4 Morgen, das Schulzenamt 5 1/4 Morgen und die Gemeindekasse 20 Morgen.

 

Im Ergebnis gab es in ganz Preußen und auch in der Calenberger Flur wesentlich mehr Acker- und Weideland und verschwand ein großer Teil der Waldflächen, die nun nicht mehr an die landwirtschaftliche Nutzung gekoppelt waren. Gleichzeitig entstand eine bessere Wegführung. Der private Besitz der Bauern vergrößerte sich.

Hutungsrechte, in der Folgezeit auch Hand- und Spanndienste – welche die Verpflichtung zu körperlicher Arbeit gegenüber dem Grundbesitzer und das Stellen von Zugvieh und Geschirr umfassten – entfielen. 1850 folgte ein Gesetz zur Ablösung der Reallasten. Als Ersatz für die Reallasten musste der Begünstigte mit einer Geldsumme entschädigt werden.

 

Durch die Separation bewirkte Veränderungen in der Landwirtschaft lassen sich in Zahlen belegen. Schon 1865 war der Anteil der Ackerflächen in der Gemarkung Calenberge auf 53,67%, die Wiesen auf 28,14% gestiegen und der Anteil der Holzungen auf 0,42% gesunken. 1937 gab es unwesentlich mehr Wald mit 0,98%, aber nur noch 0,79% Wiesen und jetzt 81,38% Ackerland. Die Betriebe teilten sich jetzt in folgende Größenklassen: 5 mit 0-5 ha, 4 mit 5-10 ha, 15 mit 10-20 ha und 2 mit 20-50 ha.[13]

 

Trotz des Gesetzes von 1850 lasteten in Calenberge noch bis 1879 Verpflichtungen, gemeint sind Abgaben in Naturalien und Gelderträgen, auf verschiedenen Hofstellen und Grundstücken, zum Vorteil der jetzt Kloster Bergeschen Stiftung (Roggen, Gerste, Pacht, Erbzins usw.). Die Pfarre erhielt ebenso Abgaben (Eier, Wurst, Brot) wie die Schule (Eier, Wurst und Roggen). Ab 1879 hatten die Verpflichteten als Ablöse der Realien Renten an die Rentenbank zu zahlen, bis die Verpflichtungen 1920 endgültig erloschen.

 

Haupterwerbszweig der Calenberger blieb bis in DDR-Zeiten die Landwirtschaft, seit 1958 in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) mit Schweine- und Rinderzuchtanlage zusammengeschlossen. Aus der ehemaligen LPG ging nach der politischen Wende die in Randau ansässige Agrar GmbH Randau–Calenberge hervor. Wiesen und Ackerland in der Calenberger Gemarkung werden fast ausschließlich von ihr bewirtschaftet, während die Dorfbewohner inzwischen anderen Berufen nachgehen. Grund und Boden sind allerdings wieder ins Privateigentum überführt.

 

Eine bei der Separation 1847 gegründete Interessentengemeinschaft, in deren Eigentum damals unbrauchbare Ländereien wie Wege, Deiche, Wasserlöcher, Uferstreifen usw. übergingen, existiert mit Unterbrechung in DDR-Zeiten noch heute. Gewinne aus den über 60 ha großen Flächen werden zum Allgemeinwohl des Dorfes investiert.

 

Emma Egerland mit ihren Pferden (Bild E.S.)

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Von Deichen und Fluten

Versuchte der Feind in Kriegszeiten den Damm zu durchstechen, so hatten alle Deicher ihm zu wehren. Wehe dem, der feige den Deichwagen verließ! Er verlor Leben und Eigentum. Auf Diebstahl an Holz, das zum Deichbau gehörte, stand Todesstrafe. Wer einen Mitdeicher bei der Arbeit bestahl, dem wurden die Ohren abgeschnitten. Bei größeren Diebstählen wurde auf Tod durch den Strang erkannt. Kleine Vergehen gegen Mitdeicher und Deichmeister fanden ihre Sühne durch Geld, Naturalien und Züchtigung. Der Verbrecher aber, der einen Deich durchstach, sollte gevierteilt und sein Körper an 4 Enden des Deiches auf 4 Räder geflochten werden, allen zur schrecklichen Warnung.“

 

Willy Otto Riecke 1932 (S.266)

 

Den 23., 24. stürmte das Wasser über alle Dämme und sogar hoch über den Klusdamm, so daß alle hiesige Gegend in eine See verwandelt sind. Die Not stieg aufs höchste besonders an dem Sonntage den 24., da man unter beiden Gottesdiensten am Damm arbeitete. Gegen Abend kam ein Kommissarius von der Kammer und versprach Proviant. Seit 1709 im Febr. ist solche Fluth nicht dagewesen. Vom 24.-30. langsamer Fall und kaltes Wetter. Man fuhr von Königsborn bis vors Tor nach Magdeburg in einem Kahn.

 

Pfarrer Grothe April 1784[14]

 

Calenberges Geschichte und Umland sind eng verbunden mit der Elbe und ihren saisonal wiederkehrenden Hochfluten. Seit dem 10.Jahrhundert entspricht der Verlauf der Alten Elbe um Calenberge seinem heutigen, damals noch als Hauptstrom des Flusses, der sich um das Jahr 1.000 einen neuen Weg durch sein jetziges Flussbett suchte. Aus dem ehemaligen Hauptstrom entstand ein Altarm. Vor dem 10.Jahrhundert floss der Fluss hingegen am heutigen östlichen Ortsrand von Calenberge vorbei durch den heute noch in Resten vorhandenen Calenberger See und dehnte sich, in mehrere Arme verzweigt, bis nach Wahlitz aus.

 

Die Alte Elbe tritt von Osten, beim sogenannten Scheidkolk, in die Calenberger Gemarkung ein, verläuft in einer großen Schleife südlich um den Ort herum, dann zwischen Randau und Calenberge hindurch, bevor sie nördlich von der Kreuzhorst, am Mönchsgraben, eine Verbindung zur Stromelbe findet.

 

Wenn sich im Frühjahr das Schmelzwasser über die Zu- und Nebenflüsse der Elbe seinen Weg suchte, trat es nicht nur über die Ufer der Stromelbe, sondern überschwemmte auch die Felder neben der Alten Elbe. Zum Schutz vor den Wassermassen bauten die Bewohner der Elbniederung unter hohem Kostendruck Deichpolder und Schutzanlagen verschiedener Art, Buhnen, Sommer- und Winterdeiche. Schon Erzbischof Wichmann siedelte im 12.Jahrhundert flämische Kolonisten im Elbraum um Magdeburg an und verpflichtete die erfahrenen Deichbauer zu ersten Deichbau- und Wartungsarbeiten am Elblauf. Verstöße gegen die Deichwartung oder Beschädigung der Deiche hatten brutale Strafen zur Folge, war doch der Schutz vor dem Wasser von existentieller Bedeutung.

 

Es gibt keine Hinweise darüber, wie der Deichschutz in den ersten Jahrhunderten in Calenberge organisiert gewesen ist. Früheste Regelungen zur Kontrolle des Hochwasserschutzes in der Elbniederung bei Magdeburg sind für die Zeit um 1500 überliefert.[15] Deichhauptmänner, Deichschulzen und Deichschöppen traten offizielle Dienste und regelmäßige Deichschauen an. Im Dreißigjährigen Krieg sind die Deiche, nicht zuletzt wegen der kompletten Verwüstung zahlreicher Elbanrainer-Dörfer, stark vernachlässigt und beschädigt gewesen.

 

Deiche führten an drei Seiten um das Dorf herum, nämlich zwischen Calenberge und dem Calenberger See hindurch und am westlich und südlich gelegenen Lauf der Alten Elbe entlang. Ein weiterer Deich lag vor dem Klosterbusch. Der Deich am Ostufer der Alten Elbe, mit dem Namen Pechauer Deich, endete unterhalb von Prester. Darüber hinaus gab es noch einen langen, kräftigen Deich auf dem Elbenauer Werder, Ranieser Deich oder Landschaftsdamm genannt, zwischen der Alten Elbe und der Stromelbe.

 

Schon in früher kursächsischer Zeit, nachweislich spätestens seit Mitte des 16.Jahrhunderts, war das Dorf über das Amt Gommern zum Deichbau verpflichtet. Je nach Größe der Gemeinden sind die zu unterhaltenen Deichstrecken in verschieden lange Stücke aufgeteilt gewesen. Alle Einwohner mussten regelmäßig, vom Dorfschulzen überwacht, Holzpfähle und Reisigbündel für den Deich- und Buhnenbau liefern. Da die Calenberger Gemarkung in jüngerer Zeit nicht mehr über genug Wald verfügte, besorgte man das Holz zum Teil aus dem Pechauer Forst. Die Gemeinde besaß bis in die 1940er Jahre auch ein 6,51 ha großes Grundstück mit der Bezeichnung „Niederweide“ und ehemals mit Eichenwald bewachsen in der Pechauer Gemarkung.

 

Nicht nur bei Hochwasser, auch bei starkem Westwind waren die Dämme in Gefahr, von den hohen Wellen beschädigt zu werden. Fand sich eine Stelle, an der die Deichkrone gelitten hatte oder das Wasser bereits durch drang, so musste die Dammwache Bescheid geben und die Dorfmannschaft an den Dämmen gelagerte Baustoffe, Holzpfähle, Steine, Stroh und Reisigbündel, Erde und Sandsäcke herbeitragen. Nicht selten brachen die Dämme trotzdem. War die Flut besonders schlimm, drohte der komplette Ernteausfall. Im Jahr 1771 – um nur ein Beispiel zu nennen – konnte gar nichts, weder Heu eingefahren noch Korn geerntet werden, da das Wasser neun Wochen lang auf den Äckern gestanden hatte und alle Pflanzen verdorben waren.[16] Wiederholt verstärkte Calenberge seine Deiche.

 

Eine für das Herzogtum Magdeburg, Jerichowschen Kreises erlassene Deichschauordnung von 1721 und eine Zirkularverfügung von 1798 regelten im 18.Jahrundert die Deichaufsicht. Polizeiliche Überwachung der Unterhaltung und Verteidigung der Deiche oblag sogenannten Deichkommissarien, die für die regelmäßigen Deichschauen verantwortlich zeichneten und notwendige Maßnahmen anordneten. Im 19.Jahrhundert erließ die königliche General-Commission, zeitgleich mit der Separation der Weideflächen 1847, ein weiteres Regulativ zur Unterhaltung der Deiche, das die Zuständigkeiten erneut genau festlegte, weil sich die Hochwassersituation zunehmend verschärfte. Der Bau der Berliner Chaussee vor Magdeburg 1827 auf einer hochgelegenen Trasse sowie die Anfang der 1840er Jahre neu eingerichtete Eisenbahnstrecke von Magdeburg nach Berlin hemmten und stauten bei Überflutungen den Rückfluss der Wassermassen. Zudem gab es im 19.Jahrhundert nach schweren Überschwemmungen vermehrtes Viehsterben, wofür man die Verschmutzung der Elbe durch böhmische Bleigruben verantwortlich machte.

 

Nach Feststellung des Kulturbauamtes Magdeburg gab es allein auf dem zwischen Alter Elbe und Stromelbe gelegenen Elbenauer Werder, der die Ortschaften Grünewalde, Elbenau, Ranies und Randau umfasste, im Jahr 1845 etwa 100 Bruchstellen. Außerdem zerstörte das Wasser in Biederitz damals etwa 40 Häuser. In Calenberge rückten die Magdeburger Pioniere an, um beim Schutz des Dorfes zu helfen. 1862 brachen die Calenberger Deiche bei „Louisenthal“.

 

Oftmals reichten die finanziellen Mittel der Dorfgemeinde nicht mehr aus, um die entstandenen Deichschäden zu reparieren. Nach einer schweren Überflutung 1784 gab der König den Befehl, die Dämme zu verstärken und zahlte über 1.000 Taler als Unterstützung dazu. 1865 lieh die Regierungskasse 920 Taler und 15 Silbergroschen, um den gebrochenen Damm an der Calenberger Niederweide wiederherzustellen.

 

Mit dem 1868 begonnen Bau von Umflutkanal und Pretziener Wehr (ab 1871) erwarb das Dorf endlich dauerhaft zuverlässigen Hochwasserschutz und somit auch wirtschaftliche Sicherheit. Starke Sperrdeiche entzogen der Alten Elbe nun das Wasser, so dass sie dem Ort nicht mehr gefährlich werden konnte. In der Fläche für den Umflutkanal ging damals u.a. auch der Jungfernsee bei Calenberge auf. Gleichzeitig reduzierte sich die Anzahl der erforderlichen Deichpolder in der Elbniederung von 20 auf drei. Drei gleichzeitig gegründeten Deichverbänden oblag nun die umfassende Sicherung und Erhaltung dieser Anlagen. Außerdem trugen sie einen Teil der Baukosten, den die Gemeinden bis 1923 in jährlichen Raten entsprechend der Größe und Güte ihrer Ländereien zu zahlen hatten – ein geringes Übel im Vergleich zu den Schäden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die früheren Überschwemmungen. Calenberge gehörte zum Elbenauer Deichverband. Jeder Deichverband stellte einen Deichhauptmann, einen Deichinspektor und einen Deichaufseher. Mit Inbetriebnahme des Umflutkanals überflüssig gewordene Deiche gingen in den Gemeinschaftsbesitz des Dorfes über und wurden zum Teil an die Bauern verkauft.

 

Eine bereits 1737 erwähnte Schiffsmühle am großen Anger auf der Alten Elbe muss spätestens mit Fertigstellung des Pretziener Wehrs abgerissen oder verlegt worden sein. Mit dem Bau der Landstraße nach Magdeburg und Schönebeck und dem zusätzlichen Abzweig nach Randau 1884 verschwand auch der Fähranleger für die Überfahrt zum Nachbarort.

 

1881 übernahm der Staat die Unterhaltung des 1875 fertiggestellten Wehrs. Der ersten harten Probe im März 1876 hatte es allerdings nicht standgehalten, da versäumt worden war, die Schleusen rechtzeitig zu öffnen. Der Wasserdruck schleuderte in Magdeburg sogar die eisernen Kanaldeckel in die Höhe. Infolge der Zerstörung durch die Fluten musste das Wehr erneut gebaut werden. Ältere Dorfbewohner in Calenberge wissen noch von den Anlegestellen der Kähne hinter den Höfen, von wo aus die Bauern nach Schönebeck zum Einkaufen gestakt sind.

 

Heute ist Deichschutz Ländersache und beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) angesiedelt.

 

Grundstücksliste zur Aufteilung der Kosten für den Calenberger Sommerdeich 1838 (Eigentum E.S.)

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Pfarrer und Pfarrgemeinde

die sittlichen Zustände in der Gemeinde sind im Allgemeinen gut zu nennen, doch fehlt es auch nicht gänzlich an Ausnahmen

Pastor Hermes im Visitationsprotokoll 1865

sittliche Umstände günstig, keine uneinige Eheleute, keine bestrafte Verbrecher, kein Concubinat, keinen Trunkenbold, keine einheimischen Bettler; damit soll aber nicht gesagt werden, daß alle Gemeindemitglieder erweckte Christen wären

Pastor Hermes im Visitationsprotokoll 1872

Zur evangelischen Gemeinde Sankt Georg in Calenberge gehören momentan noch 16 Gemeindemitglieder. Die Gläubigen werden zusammen mit denjenigen in Randau von der Pfarrei in Pechau betreut und gehören seit 13 Jahren zum Kirchenkreis Elbe-Fläming Gommern. Gottesdienste in der Calenberger Kirche finden regelmäßig einmal im Monat statt. Termine können im Kreuzhorstkurier oder unter www.kreuzhorstkurier.de eingesehen werden. Trotz der geringen Zahl von Gläubigen hat das christliche Leben des kleinen Ortes weit in die Geschichte zurückreichende Wurzeln.

 

Dass in den neu gegründeten oder aus slawischen Siedlungen hervorgegangenen ostelbischen Dörfern schon sehr früh Kirchen gebaut wurden, ist dem christlichen Missionsbestreben in den ehemals slawischen Gebieten geschuldet. Für Calenberge gilt außerdem, dass sich das Dorf seit seiner Ersterwähnung in klösterlichem Besitz befand. Eine erste Pfarrstelle ist 1309 überliefert. In diesem Jahr schenkte der dortige Pfarrer Conrad von Kalenberge (Conradus plebanus in Kalenberge) zusammen mit zwei anderen frommen Männern dem Kloster Berge urkundlich die Einkünfte aus drei Hufen Land für sein Seelenheil.[17] Eine kleine Kirche im Ort könnte es demnach schon gegeben haben, vielleicht aber auch nur einen Betsaal. Im Januar 1562 erscheint die Calenberger Kirche in einem Inventar des Klosters und ist somit erstmals verbindlich nachgewiesen.[18]

 

Bis zur Reformation war die Pfarrei dem katholischen Bistum Brandenburg im Erzbistum Magdeburg zugeordnet. Spätestens seit Mitte des 16.Jahrhunderts unterstand dem Kloster Berge die Besetzung der Pfarrstelle. Ihm gehörte auch das Eigentum an der Pfarrkirche. Nach Auflösung der Klosterverwaltung unter französischer Herrschaft war die Suptur in Möckern mit der Einsetzung der Pfarrer in Calenberge beauftragt, anschließend lag die Zuständigkeit in Leitzkau und bis vor 13 Jahren in Gommern.

 

Das Dorf selbst muss spätestens seit 1558 protestantisch gewesen sein, allerdings zu dieser Zeit noch ohne Pfarrer. Die Pfarrgeschäfte erledigten die Pechauer oder Randauer Geistlichen. In den folgenden Jahrhunderten änderte sich die Zuständigkeit häufig, da das Dorf einfach zu klein war, um dauerhaft einen eigenen Geistlichen für sich in Anspruch nehmen zu können. Ein kurzer Einblick in die Verwaltung der Pfarre sei an dieser Stelle gegeben: Seit 1606 ist ein gemeinsamer Pastor für Pechau, Calenberge und vermutlich auch Randau nachgewiesen und erst seit 1728 ein eigener Ortspfarrer nur für Calenberge. Dies blieb indes nur bis 1793 so, anschließend hatte wieder der Pfarrer von Pechau die Filialkirche in Calenberge zu betreuen. Ab 1822 konnte das Dorf erneut einen Pfarrer nur für sich allein beanspruchen. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Pastorenstelle endgültig gestrichen und die Gemeinde entweder der Pfarre in Randau angeschlossen oder von Plötzky aus verwaltet. Das ehemalige Pfarrhaus ist seit einigen Jahren in Privatbesitz.

 

Im Archiv der Kirchenprovinz Sachsen sind die Calenberger Pfarrer mit Hilfe des historischen Urkundenmaterials in einer Liste zusammengetragen worden.

  • Mag. Henricus Buntigus; ab 1571
  • Christophorus Weber; ab 1585

1606 – 1728 mit Pechau vereinigt

  • Jeremias Bertram; 1728 – 1746
  • Johann Friedrich Hörstel; 1747 – 1751
  • Johann Friedrich Kleffel, 1751 – 1774
  • Johann Heinrich Theodor Cuno; 1775 – 1776
  • Ernst Benjamin Ludwig Ernesti; 1776 – 1780
  • Johann Ludwig Gottfried Große (Grothe); ab 1781

1785 – 1822 Filial von Pechau

  • Peter Friedrich Hopf; 1822 – 1834
  • Johann Friedrich Conrad Richter; 1835 – 1858
  • Gottfried Ferdinand Hermes; 1858 – 1892
  • Andreas Heinrich Friedrich Hünecke; 1892 – 1905
  • Emil Gustav Biebeler; 1905 – 1929

anschließend unbesetzt, von Randau verwaltet.

 

Wie vollständig diese Liste ist, wäre noch zu überprüfen, taucht doch im Zusammenhang mit dem Kirchbau auch der Name Pfarrer Wichmann auf.[19]

 

Im Jahr 1771 wohnte der damalige Pfarrer im ehemaligen Schulzenhof, dessen Ländereien unter den örtlichen Bauern verpachtet waren. 1791 gab die Gemeinde Calenberge eine neue Orgel in Auftrag. 1864 erhielt der Pfarrer nach Abriss des alten ein neugebautes Wohnhaus und wenig später, 1882, die Gemeinde eine neue Kirche.

 

Sowohl an die Gotteshäuser als auch an die Pfarrstelle waren Besitzungen gekoppelt, die zum größten Teil verpachtet gewesen sind. Hingegen bewirtschaftete der Küster seine wenigen Grundstücke selbst. Gemeindemitglieder leisteten zusätzlich nicht unerhebliche Dienste für die Pfarre, pflügten, säten und ernteten.

 

Eine Aufzählung von Pastor Grothe aus dem Jahr 1781 vermittelt einen Einblick in die Einkommensverhältnisse des Geistlichen. Für die Unterhaltung der Pfarrei und seinen eigenen Lebensunterhalt stand ihm der Ertrag aus mehreren Grundstücken zur Verfügung, die hier exemplarisch aufgeführt sind.

 

Acker: sieben in den Möriken, zwei vor Brauesholz, ein Pachtstück von der Kirche hinter Friedrich an der Brücke, vier auf den Elbmaßen, ein Stück an der Bullenwiese. Zu den ersten fünf Äckern gehört die Holznutzung der an den Dämmen stehenden Bäume.

 

Wiesen: in der Mark vor den breiten Stücken an der Brücke, ein und ein halbes Stück in der Mark, zwei kleine Ackerstücke in der Mark, eine Breite vor dem Möriken Acker, im Schwernitz drei große und drei halbe Stücke, dazu die Holznutzung an der Elbseite und auf den Stücken, hinten im Winkel vier mit Holznutzung, zwei vorn an der sogenannten Stiege, ein Stück Kirchenkabel.

 

Holz: eine Holzkabel im Winkel, das Unterholz in den Kirchenkabeln, die in der sogenannten „Steieige“ ausgenommen.

 

Bareinkünfte der Pfarre: Der Abt des Klosters Berge zahlt 20 Taler, die Kirche 40, das Kloster Berge 25, die Kloster Bergische Pfarrkasse zehn; Beichtstuhl acht Taler, Zeiten-Geld zwei, Accidenzien drei Taler zwölf Groschen.

 

In Summa 108 Taler und 12 Groschen, dazu jährlich sechs Klafter Holz und sechs Schock Wasen.

 

Für eine Trauung oder Leichenpredigt zu zahlen: 1 Taler 8 Groschen, Sermon 16 Groschen, Segen 8 Groschen, Taufe 12 Groschen.

 

Das vom Kloster Berge an die Kirche zu liefernde Holz ist 1842 in eine Geldzahlung umgewandelt worden, gleiches geschah erst 1879 mit Realien Korn, Brot und Eiern.

 

Siegelabdruck der Calenberger Pfarre aus dem 18.Jahrhundert aus einer Akte der Superintendentur Möckern im Kirchenarchiv der Gemeinde Pechau, das Siegel zeigt den Altar der Kirche mit dem Kelch von 1611 und den beiden barocken Leuchtern von 1664

altes Pfarrhaus (Foto S.U.)

Taufe in Calenberge (Bild E.Sch.)

Osterfeuer 2009 (Foto I.S.)

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Kirche und Kirchhof

Bekanntmachung. Der Neubau der Kirche in Calenberge (ausgeschlossen die inneren Einrichtungen) und der Abbruch der alten Kirche, veranschlagt auf 28.820 Mk. 69 Pf. soll an den Mindeßfordernden vergeben werden. Hierzu habe ich Termin auf Freitag, d. 6. Februar cr., Vormittags 11 Uhr in meinem Bureau hierselbst anberaumt, zu welchem ich Unternehmer mit dem Bemerken einlade, daß die Kostenanschläge, Zeichnungen und Bedingungen hier zur Einsicht jederzeit offen liegen. Burg, den 20. Januar 1880. Der Königliche Landrath. I A. Der Kreis-Secretair Meyer.“[20]

 

Zeitungsausschreibung 1880

 

Die kleine einschiffige, traditionell in Ost-West-Richtung ausgerichtete und als Saalbau konzipierte Dorfkirche steht ortsbildprägend und weithin sichtbar an der Calenberger Dorfstraße inmitten eines Kirchhofs, direkt am nördlichen Eingang des historischen Dorfkerns. Eine Mauer aus Bruchsteinen bildet die Einfriedung des sich nach Westen ausdehnenden Kirchhofs. Dem Zeitgeschmack der Bauzeit 1880 – 1882 entsprechend ist die evangelische Pfarrkirche Sankt Georg im Historismus, speziell in neoromanischem Stil gehalten und mit großen Rundbogenfenstern und halbrunder Apsis versehen. Auf der Westseite erhebt sich mittig vor der Giebelwand der hohe Westturm über annähernd quadratischem Grundriss. Er trägt einen spitzen Turmhelm mit Faltdach. Die Fassaden des Massivbaus sind in gleichmäßigem Quadermauerwerk in Sandstein und Kalkstein aufgeführt und werden durch vorgeblendete Lisenen und Rundbogenfriese in leuchtend gelben Ziegeln gegliedert. Die gelben Ziegel stammen aus den Greppiner Werken bei Bitterfeld und waren wegen ihrer festen und wasserabweisenden Qualität seinerzeit sehr verbreitet. Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem Steinmaterial um Ummendorfer oder Pirnaer Sandstein handelt. Ummendorfer Sandstein fand beispielsweise schon beim Magdeburger Dombau Verwendung. Außerdem gibt es Abrechnungen über Aderstedter Steine, wobei es sich vermutlich um die Kalksteinquader handelt.

 

Sowohl das sattelförmige Kirchendach als auch der Turmhelm sind mit schwarzen Schieferplatten gedeckt. Zwei eiserne Kreuze schmücken die Turmspitze und das Kirchendach. Auf der Nordseite schließt sich eine kleine Sakristei an. Von den drei Außentüren befindet sich eine in der Südfassade, eine zweite im westlichen Turm und die dritte in der Sakristei auf der Nordseite. Der Zugang vom Turmuntergeschoss zum Kirchenraum ist allerdings vermauert. Über dem Saalraum hängt eine flache Holzbalkendecke, nur die Apsis ist kreuzrippengewölbt. Ein gusseiserner, polygonaler Deckenleuchter aus der Zeit um 1910 ist in den Formen des späten Jugendstils gehalten. Unterhalb der Orgelempore wurde vor etwa 50 Jahren mit Holz und Glas eine Winterkirche abgetrennt.

 

Nach einer umfassenden Befundung konnte vor wenigen Jahren die Farbgestaltung des Innenraums weitestgehend entsprechend der Originalausmalung aus dem Ende des 19.Jahrhunderts rekonstruiert werden. Sowohl die Kanzel, die von Wandkonsolen und Säulen getragene Westempore für die Orgel, die Orgel selbst als auch das Gestühl sind Originalinterieur aus der Bauzeit. Der Taufstein trägt die Jahreszahl 1888 und steht in der vermauerten Türnische der Winterkirche. Seit 1994 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

 

Für den kleinen Ort dürfte der Kirchenneubau ein bedeutendes und aufregendes Ereignis gewesen sein. In zahlreichen Zeitungen erschien im Januar 1880 nach umfassender Kalkulation sämtlicher Handdienste, Fuhrlöhne, Kosten für Material, Dachdecker, Lehm-, Zimmer-, Steinmetz- und Maurerarbeiten der oben zitierte Ausschreibungstext.

 

Aus der Bauakte des Konsistoriums der Provinz Sachsen[21] geht hervor, dass mehrere Personen an der Ausführung beteiligt gewesen sind und der Ablauf nicht immer reibungslos vonstatten ging. Mit den Planungen war im Vorfeld der königliche Bauinspector bzw. Departements-Baurat der königlichen Regierung Groß aus Magdeburg als leitender Baubeamter betraut. Dass dieser auch den Entwurf fertigte lieg zwar nahe, ist aber nicht verbindlich gesichert. Weiter erscheint in den Akten ein Bauführer R. Leithold zu Ummendorf, anschließend wohnhaft in Magdeburg, Heilige Geiststraße 9, der für Reisekosten und Diäten und für die Bearbeitung der Werkzeichnungen entlohnt wird. Vor Ort leitete der Maurer und Bauunternehmer Chr. Leps aus Cracau sowohl den Abbruch der alten Kirche als auch den Neubau, dessen Fertigstellung er lt. Vertrag bis zum 31. Oktober 1880 leisten wollte. Der Bauunternehmer verpflichtete sich außerdem, anstelle der vorgesehenen Bruchsteine Werkstücke von bestem sächsischen weißen Naturstein zu verwenden. Leps, der auch in Magdeburg zahlreiche Wohnhäuser errichten ließ, hat sich vermutlich auf dem Immobileinmarkt verspekuliert. Am 28. Sept. 1880 weist die Königliche Regierung, Abteilung II, das Konsistorium an, aus der Kirchenkasse 10.000 Mark möglichst schnell an Leps auszuzahlen, da dieser sich in großer Not befände. Mehrere Arbeiter, Fuhrleute und Handwerker blieben anschließend auf ihren Kosten sitzen, da ihr Auftraggeber anscheinend nicht mehr zahlungsfähig war. Ab 1881 wird ein Bauführer Thielecke zu Gardelegen genannt und letztendlich wieder Baurat Groß, der die Leitung des Neubaus zu Ende führte und kurz darauf verstarb.

 

Weiter berichten die Gemeindeakten, dass Maurermeister F. Niemann aus Magdeburg Steinmetzarbeiten, Zimmermeister Alb. Jul. Hitzeroth aus Sudenburg Tischlerarbeiten und W. Oeltze aus Calenberge Lehmarbeiten erledigten. Dachdeckermeister Schopf aus Prester arbeitete am Dach und fertigte auch das Glockengestühl im Turm. Bildhauer Habs schuf die sechs Kapitelle für die Säulchen im Chor. Hierbei handelt es sich mit Sicherheit um den Künstler Ernst Habs, auf dessen Entwurf das Friesendenkmal im südlich vom Dom gelegenen Park am Fürstenwall zurückgeht. Ferner beteiligten sich am Kirchbau der Schlosser Schatz aus Magdburg, F. Krüper in Calenberge mit Schmiedearbeiten, Wüste in Magdeburg mit Glaserarbeiten sowie Grunert und Sohn aus Magdeburg mit dem Turmknopf. H. König in Magdeburg erledigte die Vergoldung und den Anstrich des Turmknopfes. Die Gebr. Böhmer in der Neustadt waren für die Kirchenfenster und die beiden Kreuze auf dem Turm und auf dem Dach verantwortlich sowie für den Glockenbeschlag und das Aufbringen und Aufhängen der Glocke.

 

Das Interieur, Kirchstühle, Altar und Kanzel, fertigte Tischlermeister W. Möhring aus Schönebeck für insgesamt 338 Mark und 52 Pfennige. Die Orgel kostete mit Gehäuse 2511 Mark. Hierfür wurde der Dessauer Orgelbauer A. Nickol engagiert, mit dem es anschließend ebenfalls Ärger gab. So leitete der Calenberger Gastwirt Heinrich Hesse einen Arrestbefehl gegen Nickol ein, weil dieser die Summe für Kost und Logie in Höhe von 290 Mark nicht zahlen wollte. Für die Ausmalung der Kirche sorgte Maler Bunge aus Schönebeck. In einer anderen Liste wird allerdings ein Ohnesorge aus Magdeburg für das Malen der Kirche entlohnt. Fr. Keindorff zu Pechau erhielt Geld für Mauersteine und E. Ludwig in Magdeburg lieferte die Fußbodenfliesen. Turmuhrfabrikant Fuchs aus Bernburg erhielt mit Fertigstellung der Turmuhr 630 Mark und ein halbes Jahr nach Installation der Uhr, und nachdem diese problemlos funktionierte, nochmals 630 Mark. Als nette Episode erscheint uns heute die mit Schwindelanfällen begründete Weigerung von Kantor Willmann, die Turmuhr aufzuziehen, woraufhin das Konsistorium mit Disziplinarmaßregeln drohte, sollte der Kantor seine Pflichten weiter ignorieren.[22] Eine Revision im Jahr 1883 ergab, dass der Kirchbau insgesamt 38.261,84 Mark gekostet hatte, darin 7.312,10 Mark Mehrkosten, begründet durch den Konkurs des Bauunternehmers Leps. Einen Teil der Kosten, nämlich 900 Mark für zu leistende Hand- und Spanndienste, musste die Gemeinde Calenberge selbst aufbringen. 1.954 Mark betrug eine Leps geleistete Kaution, die somit verfallen war. Demnach zahlte die Kirchenkasse des Konsistoriums auf Anweisung der Königlichen Regierung, Abteilung Schul- und Kirchenwesen, 35.407,84 Mark.

 

Obwohl die Calenberger Kirchengemeinde schon seit dem 16.Jahrhundert protestantisch ist, hat auch der Neubau das Patronat aus katholischer Zeit übernommen. Der Heilige Georg, welcher der Legende folgend als Ritter im Drachenkampf dargestellt wird, gilt unter anderem als Schutzpatron der Bauern und scheint daher in dieser ländlichen Gegend der wichtigste Fürbitter gewesen zu sein. Bedauerlicherweise sind von der Vorgängerkirche, die vor dem Abbruch im Jahr 1880 baufällig, eng und düster war und an derselben Stelle stand, keine weiteren Nachrichten überliefert. Denkbar ist, dass es sich hierbei um einen Fachwerkbau wie in Elbenau oder in Fermersleben gehandelt hat, der Ende des 19.Jahrhunderts als abbruchreif galt. Mündliche Überlieferungen bestätigen dies.[23] Andererseits ist es auch möglich, dass die Mauersteine der alten Kirche oder zumindest ihres Sockels in der Friedhofsmauer aufgegangen sind, da diese neben Sandstein aus Quarzitgestein besteht, der auch als Baustein bei mittelalterlichen Kirchen der Umgebung Verwendung fand. Lediglich eine 1708 gegossene Bronzeglocke im Kirchturm, mit der Inschrift „SOLI DEO GLORIA“ und einem Wappen versehen, sowie mehrere Relief-Steinplatten sind noch erhalten.

 

Zwei frühneuzeitliche Wappensteine an den Torpfeilern der Kirchhofsmauer sollen ehemals am Eingang der alten Kirche angebracht gewesen sein. Das linke ist bis zur Unkenntlichkeit verwittert. Ein weiteres Wappen ist auf der Ostseite in die Kirchhofsmauer eingelassen. Außerdem hat sich eine stark verwitterte figürliche Sandstein-Grabplatte aus der Mitte des 17.Jahrhunderts erhalten, die jetzt im Kircheninneren verwahrt wird. Sie zeigt den inschriftlich benannten Dorfschulzen Simon Wilde, lebensgroß, barhäuptig und mit Halskrause im Harnisch, dazu Schwert und Streithammer in den Händen und den Helm zwischen den Füßen, das Gesicht mit dem krausen Haar nach rechts gewandt. Vier Ahnenwappen in den Ecken der Grabplatte ergänzen das Bild. Der Dargestellte wird in einem Kaufkontrakt von 1626 erwähnt und ist vermutlich damals der Dorfschulze gewesen.[24]

 

Über das nicht mehr lesbare Wappen im linken Torpfeiler der Friedhofsmauer berichtet noch Martin Kahlo, dass es die Jahreszahl 1594 und den Namen Alemann zeigte und es sich somit um das Wappen der alten Magdeburger Patrizierfamilie, die in Calenberge seit hundert Jahren ein Lehnsgut und seit 1562 das Schulzenamt inne hatte, handele. Weiter führt er aus, das rechte, vierfeldrige Wappen müsse einem Abt vom Kloster Berge zugeordnet werden. Es zeigt in zwei Feldern Rosen, außerdem Eicheln und Fische. Somit ist sehr wahrscheinlich, dass die beiden Wappen der Vorgängerkirche zu Ehren der Stifter – demnach der Abt vom Kloster Berge und der Dorfschulze – angebracht gewesen sind. Hieraus ist die Schlussfolgerung möglich, dass die Vorgängerkirche Ende des 16.Jahrhunderts errichtet wurde oder zumindest einen umfassenden Umbau erfahren hat. Ob dieser Kirchenbau nun der erste in Calenberge war, bleibt weiterhin offen. Der dritte, etwas größere Wappenstein in der Friedhofsmauer zeigt das Wappen vom Kloster Berge und die Jahreszahl 1701. Ferner sind noch einzelne Buchstaben zu erkennen, rechts BB und links ein W. Es handelt sich hierbei um den Wappenstein des Abtes Wolfhardt (Schreibweise auch Wolfart oder Wohlfahrt).

Aus älterer Zeit gehören noch zum Inventar der Kirche eine vergoldete Taufschale, die inschriftlich am 29.November 1685 von Jürgen und Margareta Böne gestiftet wurde, außerdem zwei barocke Altarleuchter aus Messing, gestiftet 1664 von Catrina Pielen, deren Nachname auf einem Leuchter mit „ie“, auf dem anderen nur mit einfachem „i“ graviert ist. Weiter besitzt die Gemeinde einen silbernen Messkelch mit vergoldeter Kuppa. Neben dem Entstehungsdatum 1711 sind um den Fuß in einer schlecht lesbaren Schenkungs-Inschrift die Namen der Stifter graviert. Es handelt sich hierbei um den damaligen Inhaber des Ackerhofes Nr.1 (Nr.1 laut Separationsrezess) und Gerichtsschulzen in Calenberge Johan Bendix Drope (Schreibweise auch Troppe) und seine zweite Frau Anna Magdalena, geborene Moltrecht aus Gübs.

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Die Schule

Ueber Gründung und Einrichtung der Schule ist keine Kunde auf uns gekommen. Man darf annehmen, daß mit dem Uebertritt des Klosters Berge zur Reformation die Gründung einer Schule in die Wege geleitet wurde.

Martin Kahlo 1929 (S.33)

 

Wie der Schulunterricht noch im 18.Jahrhundert in Preußen aussah, ist für uns heute kaum mehr vorstellbar. Der Schullehrer war manchmal ein ausgedienter Soldat, in besseren Fällen der Kantor und Organist, häufig der Küster, die natürlich auch ihre Aufgaben innerhalb der Kirchengemeinde zu erledigen hatten und nur äußerst gering und mit der Nutzung eines kleinen Gemüseackers entlohnt wurden. Ein Visitationsprotokoll der benachbarten Randauer Kirchengemeinde aus dem Jahr 1651 gibt beispielsweise Auskunft darüber, der Pastor habe den Unterricht meist selbst erteilt, weil der Schulmeister für seinen Lebensunterhalt sein Schneiderhandwerk habe ausüben müssen.[25]

 

Sowohl in den Dörfern als auch in der Stadt bestand eine Klasse häufig aus mehr als 50 Schülern. Der Unterricht fand in dunklen, feuchten, viel zu kleinen Räumlichkeiten statt und reduzierte sich während der Erntezeit oft auf nur zwei Stunden täglich. Es passierte regelmäßig, dass ein Schulkind in den dumpfen Klassenzimmern aufgrund von Sauerstoffmangel in Ohnmacht fiel. Ein Schulzimmer war nicht selten gleichzeitig Gemeindesaal oder ein Raum in einem Privathaus. Ähnlich einfach sah die Wohnung des Lehrers aus, manchmal nur eine feuchte, unbeheizbare Stube unter dem Dach. Ende des 18.Jahrhunderts wurde die Schulbildung, zuvor gänzlich in kirchlicher Hand, verstaatlicht.

 

Die Zustände in Calenberge werden ähnlich, aber vielleicht schon wegen der relativ geringen Einwohnerzahl des Dorfes nicht ganz so drastisch gewesen sein. Von Pechau ist vergleichsweise überliefert, das sich die Schule im wesentlichen aus einem Schulzimmer, Küche, Speisekammer und Schlafzimmer und einem weiteren Giebelzimmer unterm Dach, kleinen Dachkammern, Bodenraum mit Taubenschlag, dazu Stallgebäude mit Scheune und Tenne, zusammensetzte.[26] Seit Ende des 17.Jahrhunderts ist in Calenberge regelmäßiger Schulunterricht nachgewiesen, da ab 1687 die amtierenden Dorflehrer oder Schulmeister – wie üblich auch hier gleichzeitig Küster und Kantor – namentlich überliefert sind. 1786 ließ der Ortspfarrer das Einkommen aus einem Wiesenstück für den Lehrer abzweigen, um dessen finanzielle Situation etwas zu verbessern. Die vielerorts beklagten Umstände änderten sich erst im Verlauf des 19.Jahrhunderts und mit Einführung der allgemeinen Schulpflicht 1919.

 

Seit wann es in Calenberge ein eigenes Schulhaus gab, ist nicht überliefert. Der früheste Hinweis ist an ein trauriges Ereignis geknüpft, denn 1702 ertrank der sechsjährige Sohn des Schulmeisters Conrad Mertz im Graben hinter dem Schulgarten. 1872 wurde das alte, sehr beengte und baufällige Schulhaus abgerissen und auf Kosten der Kirchenkasse ein Neubau errichtet. Das inzwischen überbaute und dadurch stark veränderten Gebäude dient heute als Gemeindehaus.

 

Schülerzahlen lassen sich erst ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts belegen. 1856 besuchten 50 Kinder die Schule (bei etwa 155 Einwohnern insgesamt), 1866 waren es 38. Dann sank die Schülerzahl auf 20 Kinder 1889, 1895 waren es 24 (Einwohnerzahl 160), 1899 29 (Einwohnerzahl 171). 1927 nutzten nur noch 12 Kinder die Calenberger Dorfschule (155 Einwohner), wobei man davon ausgehen muss, dass inzwischen das ein oder andere Kind eine Schule in den Städten der Umgebung besuchte. Richard Perlberg berichtet, dass in den 1930er Jahren die Schülerzahl wieder auf 18 bis 20 Kinder gestiegen war und die Dorfschule aus 8 Klassen bestand, die gemeinsam in einem Raum ihrem Unterricht folgten.[27] Der letzte Calenberger Lehrer Wilhelm Rinne unterrichtete bis 1939, bis die Wehrmacht ihn einzog, anschließend wurde die Schule geschlossen. Die Kinder gingen jetzt in die Randauer Dorfschule. Ab den 1970er Jahren mussten die Schulkinder nach Elbenau fahren, da auch das Randauer Schulhaus aufgegeben worden war.

 

Calenberger Schule um 1912

Die ganze Schule 1937, Lehrer Wilhelm Rinne und 8 Klassen (Bild E.S.)

Mit Lehrer Gustav Seeger, 1929 (Bild D.P.)

Auf dem Schulweg nach Randau (F.H.)

Schulkind in Calenberge (Bild W.K.)

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Kriegerdenkmal

Auf dem kleinen Dorfanger unter einer großen Eiche steht das wohl in den 1920er Jahren für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtete Kriegerehrenmal. An einer großen schlichten Steinstele ist eine Bronzetafel montiert, darauf die Inschrift:

 

1914 + 1918

Ihren tapferen Helden

Wilh. Dankert verm. 24.8.14

Adolf Biebeler gefl. 10.11.14

Herm. Biebeler gefl. 1.1.15

Erich Blume verm. 25.9.15

Felix Biebeler gefl. 3.12.15

Herm. Götze gefl. 28.5.16

Albert Dankert gefl. 27.2.17

Hans Seeger verm. 1.8.17

Gust. Dankert gest. 14.10.18

Heinr. Hesse gest. 16.9.20

die Gemeinde Calenberge.

 

Das Ehrenmal steht unter Denkmalschutz.

 

In der Dorfkirche hängt an der südlichen Stirnseite eine weitere Gedenktafel, die an Friedrich Kahlo, Musketier im 1ten Magd. Infanterie-Regiment Nr.26, erinnert, der im deutsch-französischen Krieg 1871 fiel. Vor ein paar Jahren erst haben die Calenberger im Kirchhof eine weitere Gedenkplatte für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs aufgestellt.

 

Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs (Foto St.M.)

Manöverkarte der 8.Division, 1910, Ausschnitt (St.A. Rep. KS II 29)

Ulan Emil Perlberg (Bild D.P.)

Wasserpumpe neben dem Kriegerdenkmal

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Im Dorfkrug

Im Jahr 1898 gründeten der Gärtner Gustav Wolter und seine Frau Else einen Baumschul- und Obstbaubetrieb, dem eine Gaststätte angegliedert war. Gustav Wolter übernahm die Gaststätte von der Familie Hesse. Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg führten Bruno Gustav Wolter und seine Frau Charlotte in zweiter Generation die inzwischen bekannte Ausflugsgaststätte „Parkrestaurant Wolter“ in Calenberge weiter. Zum Parkrestaurant gehörten ein Rosengarten und ein kleiner Park, darin Gehege für Waschbären, Fasane und Füchse. 1958 musste die Familie Wolter ihren Betrieb an die Konsumgenossenschaft zwangsverpachten. Die Eheleute arbeiteten jetzt als Angestellte im ehemals eigenen Betrieb, ihre Söhne siedelten noch in den 1950er Jahre nach Westdeutschland um und bauten sich eine neue Existenz auf. Nachdem das Anwesen nach der Wiedervereinigung zurück in die Hände der Familie Wolter kam, ist es 1996 an den Holländer Henk Til verkauft worden. Seitdem heißt die Gaststätte „Landhaus Elbebiber“. Sie ist inzwischen verpachtet.

 

Der Anfang eines Gaststättenbetriebes in Calenberge ist spätestens im 18.Jahrhundert zu suchen, denn schon 1819 verkaufte Sophie Justine Nicolai das gesamte Eigentum ihrer Eltern, das einstige Gut des Ortsschulzen. Der Hof mit den Wirtschaftsgebäuden und dem Garten sowie der angeschlossene Krug gingen in den Besitz von Johann Andreas Blume über. Dieser übertrug die Schankgenehmigung auf seinen eigenen Hof, den wiederum Heinrich Hesse 1888 erwarb.

 

Wolters Parkrestaurant, alte Postkarte, gestempelt 1908, Sammlung Lück GF4

Partie in Wolters Garten

Hochzeitsgesellschaft im Saal des Parkrestaurants (Bild E.S.)

Im Garten der Gaststätte Wolters, Sammlung Lück GF7

Familienrunde im Garten der Gaststätte Wolters, Sammlung Lück GF8

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Im Falle eines Feuers

Der Feuerkommissarius und sein Stellvertreter müssen, damit desto gewisser einer zugegen ist, beide nach dem Orte des Feuers eilen, sobald die Sturmglocke geht, oder sie sonst vom Ausbruch eines Feuers Kunde erhalten. Bis zu ihrer Ankunft übernimmt der Ortsvorsteher die Leitung der Löschungs- und Rettungsarbeiten. Erscheint der Landrath am Orte des Feuers, so steht ihm die Anordnung der Löschanstalten zu.

18. der Bestimmungen des Feuerpolizeikommissarius 1823[28]

 

Im Falle eines Feuers mussten alle Calenberger Männer, sobald die Sturmglocke läutete, als Spritzenmänner oder beim Wasserwagen ihren Dienst tun, und zwar nicht nur im eigenen Dorf. In jedem Hausflur hing für den Notfall ein lederner Löscheiner bereit. Für die Wartung der Spritzen hatte als Spritzenmeister der Schmied zu sorgen. Brach in einem Nachbarort ein Feuer aus, so erhielten die eifrigen Calenberger Feuermänner oftmals eine Prämie, die der zuerst angekommenen auswärtigen Spritze gezahlt wurde. Maurermeister Ruthe baute 1850 ein neues Spritzenhaus.

 

Im Jahr 1934 verschmolzen die Feuerwehren Calenberge und Randau bei einem Festakt im Gasthof Wolter in Anwesenheit des Kreisfeuerwehrführers Herrn Bezirksschornsteinfegermeister Wagner aus Loburg und unter den Augen von 24 Randauer und 15 Calenberger Männern. Oberbrandmeister Karl Cupitz kam aus Randau, sein Stellvertreter Fritz Hesse aus Calenberge. Nach dem Krieg teilten sich die Wehren wieder in zwei eigenständige Dorffeuerwehren. Ein 1940 vom Baugeschäft Otto Möbes geplantes zweigeschossiges Gemeinde- und Spritzenhaus mit Gemeindewohnung und Arrestzelle ist nicht realisiert worden.

 

1991 folgte die Freiwillige Feuerwehr Calenberge einer Einladung der Freiwilligen Feuerwehr Uetze in Niedersachsen. Aus dieser Begegnung entwickelte sich in den folgenden Jahren eine intensive Partnerschaft mit gemeinsamen Treffen und Veranstaltungen. Familienfreundschaften, die sich damals entwickelten, bestehen bis heute.

 

Entwurf für ein Feuerwehrhaus in Calenberge (St.A., Bauaktenkammer, Bestand Calenberge)

Vertrag zwischen der Calenberger und der Randauer Feuerwehr 1934 (Eigentum E.S.)

Spritzenhaus

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Nazi-Regime und Zweiter Weltkrieg

Das Ende kam, und es war grauenvoll! Zu Hunderten kamen sie, Flüchtlinge mit und ohne Gepäck, mit kleinen Kindern und alten Leuten, immer in Richtung Westen, weg von den Russen, keiner dachte daran zu bleiben. Aus Ost- und Westpreußen und aus dem Sudentenland kamen die meisten und versuchten über die Elbe zu kommen. Und dann kam die Rote Armee. Nicht mit Panzern und schweren Waffen, nein, mit kleinen zottigen Pferden, Panjewagen und Kalaschnikows kamen sie wie die Heuschrecken in unübersehbarer Zahl, Fahrräder und Armbanduhren waren ihre liebsten Trophäen, und nachts hallten die Hilferufe vergewaltigter Frauen und Mädchen durchs Dorf.

Ernst Schwarzlose 2009

 

Anfang des 20.Jahrhunderts gab es in Calenberge eine Schmiede und eine Bäckerei, die von ein und derselben Person geführt wurden. Die Dorfbewohner brachten sozusagen ihren Blechkuchen zum Schmied, um ihn backen zu lassen. Als später der zugezogene Bäckermeister Richard Lohse die Bäckerei übernahm, stellte er einen eigenen Schmied ein. Lohse besaß auch das erste Auto im Dorf.

 

Was die Verblendung der Menschen durch das Hitler-Regime betrifft, so stellte der kleine Ort in der Elbniederung keine Ausnahme im Deutschen Reich dar. Es gab keine nennenswerte Opposition gegen den Diktator, man fügte sich mit mehr oder weniger patriotischem Eifer und mit der Hoffnung auf bessere Zeiten. Mit Kriegsausbruch 1939 gingen alle wehrfähigen Männer an die Front. 1941 fiel Alfred Richter als erster junger Mann aus Calenberge. Frauen und Kinder sowie die Großeltern mussten nun allein die Landwirtschaft bewältigen, bis ihnen serbische Kriegsgefangene zur Unterstützung für die Landwirtschaft zugeteilt wurden. Die Serben wohnten im ehemaligen Schulhaus und durften sich tagsüber frei bewegen. Ein deutscher Soldat versah den Wachdienst.

 

Selbst das kleine und strategisch unbedeutende Dorf Calenberge blieb nicht von den alliierten Angriffen verschont. Gab es Bombenalarm, so blies der Gemeindediener lautstark in seine Trompete und alle Bewohner liefen zu ihren mit Holz ausgekleideten Bunkern hinter den Höfen. 1942 brannte nach einem Fliegerangriff die Bäckerei nieder. Am 22.Janunar 1944 um 21:30 Uhr wurde das Dorf schwer getroffen, vermutlich durch vom Wind abgetriebene Leuchtmarkierungen, die eigentlich auf die Industrieanlagen in Magdeburg Südost zielten. Es brannte an mehreren Stellen. Der Nachtwächter Ignatz Wyrembeck kam durch die Geschütze der Tiefflieger ums Leben. In Folge dieses Angriffs stationierte die Fliegerabwehr zum Schutz der Schönebecker und Magdeburger Industrie vorübergehend sechs Fliegerabwehrgeschütze südlich des Dorfes, rechts vom Winkelweg. Der dazugehörige Scheinwerfer stand vor dem Kantorkolk.

 

Wegekarte des Magdeburger Vereins für Radfahrwege, 1935, Ausschnitt (St.A. Rep. KS II 44)

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Calenberge in jüngerer Vergangenheit

Die Mitglieder einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft verpflichten sich, ihre genossenschaftliche Wirtschaft zu stärken, ehrlich zu arbeiten, das Einkommen der Wirtschaft entsprechend der Menge und Qualität des eingebrachten Landes und der geleisteten Arbeit zu verteilen, das staatliche und genossenschaftliche Eigentum zu behüten, die Traktoren und die genossenschaftlichen Maschinen und Geräte zu pflegen, das Zucht- und Nutzvieh gut zu betreuen, ihre Pflichten gegenüber dem Demokratischen Staat zu erfüllen und auf diese Weise ihre Genossenschaft zu einer mustergültigen landwirtschaftlichen Großwirtschaft zu entwickeln und alle Mitglieder der Genossenschaft wohlhabend zu machen.“

Hoffmann, Referatsleiter Kataster beim Rat des Kreises Schönebeck 1964

Als die Rote Armee in Calenberge 1945 einzog, richteten die Soldaten im Haus Schwarzlose ihre Kommandantur ein. Die Russen holten alle älteren Calenberger und den Bürgermeister Albert Horn ab. Letzterer kehrte nicht zurück, er starb 1948 im Internierungslager. 1946 enteignete die sowjetische Besatzungsmacht seinen Besitz. Innerhalb einer Stunde musste seine Familie mit Handgepäck den Landkreis verlassen. Nach dem Vorbild sowjetischer Arbeiter- und Bauernräte richtete die Standortverwaltung der Roten Armee auch in Calenberge ein Verwaltungsgremium ein, das ein aus Schlesien vertriebener Deutscher namens Gellwitz anführte.

 

Für die Dorfgemeinschaft, die das Schicksal aller Deutschen teilte und einige Väter und Söhne im Krieg verloren hatte, waren die ersten Nachkriegsjahre eine entbehrungsreiche Zeit, obwohl es ihnen um ein Vielfaches besser ging als den vielen Flüchtlingen und Großstadtbewohnern. Im Jahr 1947 erfror das Wintergetreide und anschließend regnete es kaum, sodass das Soll der Zwangsablieferungen pro Hektar, an welches sich die Schlachterlaubnis koppelte, nicht erfüllte werden konnte. Wie überall nach dem Krieg schlachteten auch die Calenberger Bauern schwarz und setzten sich damit großer Gefahr aus. Im Lauf der 1950er Jahre entspannte sich die Situation, nicht zuletzt durch ein neues Preissystem, mit dem Überproduktionen drei- und vierfach vergütet wurden.

 

Mit Datum vom 1.Juli 1958 schlossen sich die Calenberger Bauern in einer LPG Typ I zusammen. Dies bedeutete, dass die Viehwirtschaft vorübergehend noch bei den einzelnen Bauern verblieb, während sie die Äcker gemeinsam bestellten. Obwohl man diesen Zusammenschluss von offizieller Seite als freiwillig propagierte, war er doch erzwungen worden. Die Einzelbauern hatten entweder kein oder nicht genügend Saatgut und Düngemittel erhalten. Schon wenige Monate später, am 1.Januar 1959 wandelte sich die LPG Typ I in Typ III, sodass die gemeinsame Bewirtschaftung nun alle Bereiche umfasste und aller Besitz, das Vieh, die Maschinen und das Land, in die LPG aufgingen. Zur Eigennutzung bzw. Eigenversorgung blieb jeder Familie ein Grundstück von 0,5 ha und etwas Vieh. Ältere Calenberger können sich noch daran erinnern, wie das Vieh von den Höfen getrieben wurde. Friedrich Wille übernahm das Amt des ersten Vorsitzendenden der LPG. Die ersten Bauten für den Wirtschaftshof entstanden ab 1964 am Nordausgang des Dorfes. Im Jahr 1963 richtete ein Brand großen Schaden in Calenberge an.

 

Nach dem Zusammenschluss mit der LPG Randau im Jahr 1974 erzielte die Genossenschaft gute Erfolge. Hingegen war die Bildung einer KAP (Kooperative Agrarproduktion) zwei Jahre später, welche die Ackerwirtschaft von der Dornburger Wische bis zur Berliner Chaussee in Magdeburg zusammenschloss und von der Viehwirtschaft abkoppelte, ein Fehler. Wegen der großen Fläche bereitete es enorme Mühe, die Produktion zu überschauen und die Erträge sanken. Außerdem musste nun das Futter für die Viehwirtschaft eingekauft werden, denn die Abteilung Tierproduktion blieb bis zur politischen Wende ein eigenständiger Betrieb.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte der Landkreis Jerichow I kurzzeitig zu Calbe und dann zum Landkreises Schönebeck/Elbe. Bis zum Zusammenschluss mit Randau 1952 gab es im Dorf einen Bürgermeister. Dieser hatte ein Telefon, ebenso die Gaststätte und später auch die LPG. Frau Meseberg und Frau Schwarzlose stellten einem Arzt zum Praktizieren ihre Wohnstuben zur Verfügung, um kranken Dorfbewohnern lange Anreisewege zu ersparen. Schon vor dem Krieg bestand bis 1945 im ehemaligen Pfarrhaus eine kleine Polizeistation. Diese Stelle übernahm zu DDR-Zeiten ein Volkspolizist. Das Spritzenhaus verfügte über eine kleine Arrestzelle.

 

Jagd- und Fischereirechte lagen ursprünglich in den Händen des Klosters. Erst 1870 gingen sie auf den Grundbesitz der jeweiligen Bauern über. Der DDR-Staat trennte Jagdrecht und Grundeigentum erneut. Seit der politischen Wende ist die Jagd wieder an das Grundeigentum gebunden. 1991 gründete sich die Jagdgenossenschaft Calenberge, welche die Flächen verpachtet.

 

Topographische Karte, hrg. vom Ministerium des Inneren, Verwaltung, Vermessungs- und Kartenwesen, um 1970 (St.A. Rep. KS II 57)

Luftbild Mitte 1980er Jahre (St. M.)

Die politische Wende 1989/90 haben viele Dorbewohner sehr intensiv erlebt und auch aktiv mitgestaltet. Zu nennen sind hier vor allem die Familien Hesse und Czogalla sowie der ehemalige Bürgermeister Werner Riemer.

Hochsitz am Rand der Alten Elbe

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Naturraum Elbe – Kolke, Altarme, Altwässer

Im Laufe der Jahrhunderte änderte die Elbe mehrmals ihren Lauf, spaltete sich in zwei oder manchmal auch drei Arme, so dass die angrenzende Landschaft einer ständigen Veränderung unterworfen war und sich Altarme bildeten, während sich der Fluss einen neuen Weg suchte. Dieser Prozess ist für einen frei fließenden Fluss etwas ganz Natürliches. Bis um das Jahr 1.000 flossen die größten Wassermengen durch die heutige Alte Elbe. Später verlor der Ostarm immer mehr an Bedeutung. Dennoch hinterließen regelmäßige Überflutungen Kolke, die allmählich wieder verlandeten, während sich neue bildeten.

 

Kolke sind Erosionserscheinungen und entstehen in Flussbetten in der Fließgewässersohle oder in Flussauen durch Hochwasserereignisse. Während der leichte Boden durch das Wasser fortgeschwemmt wird, bleibt der festere Untergrund, Lehm oder Festgestein, stehen. Kolke können große Tiefen aufweisen. Da mit dem Bau des Elbe-Umflutkanals und des Pretziener Wehrs seit fast 150 Jahren die gefährlichen Fluten endgültig gebannt sind, entstehen auch keine neuen Wasserlöcher mehr. Seit gleichzeitig die Alte Elbe vom Hauptstrom abgeschnitten ist, entwickelten sich aus dem ehemaligen Altarm der Elbe Stillgewässer, Altwässer genannt, die sich zunehmend fragmentierten. Die naturgegebene Dynamik der Landschaft ist seither unterbunden. Was dem Menschen nutzt und für die Kulturlandschaft von grundlegender Bedeutung ist, schadet hingegen der Tierwelt. Den Altwässern fehlt der Kontakt zum Hauptstrom und somit der Wasseraustausch, sie verlieren zunehmend an Tiefe und Sauerstoff.

 

Viele Kolke und Wasserlöcher sind schon vor hundert Jahren zugepflügt und verfüllt worden, weitere verlandeten und verschwanden somit in den vergangenen Jahrzehnten. Alte Bezeichnungen wie „Schultenkolk vor der Hölle“, „krumme Lake“ und „Winkelkölke“, „Heidensümpfe“ oder „der Kolk auf dem Möhreken“ und auch „Klauslaake“ geraten zunehmend in Vergessenheit, da die Wasserlöcher hierzu nicht mehr existieren. Vorhanden sind hingegen noch der „Scheidkolk“ an der Gemarkungsgrenze (nur noch in Resten) und der „Katzenkolk“ (heute nicht mehr Calenberger Feldmark), die „Gehrenkolke“ (nur noch einer) und die „Pfingstwiesenkolke“, die „Höllenkolke“ vor dem Pechauer Busch, ein Kolk im Pechauer Busch, der „Calenberger See“, dessen südlicher Teil schon lange verlandet ist, die „Kirchsee“ und der „Kanterkolk“ vor dem Winkel.

 

Für die Verlandung der Altwässer sind diverse Prozesse verantwortlich. So auch die Tatsache, dass sich die Elbe im letzten Jahrhundert um etwa 1,5m vertiefte und gleichzeitig der Grundwasserspiegel sank. Außerdem beschleunigen Düngemittel aus der Landwirtschaft das Pflanzenwachstum im Wasser und somit die Verschlammung und anschließende Verlandung. Hierbei wirken sich Lage, Wind und Wetter unterschiedlich auf den Verlandungsprozess aus.

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Besondere und seltene Tierarten

Die Elbauenlandschaft südlich von Magdeburg ist ein artenreiches Biotop für seltene Tier-, Insekten- und Pflanzenarten und im großen, nahegelegenen Naturschutzgebiet Kreuzhorst besonders geschützt. In fließenden Gewässern der Elbauen sind Biber, Fischotter und Wasserspitzmaus heimisch. Noch im 19.Jahrhundert war der Elbebiber den Calenberger Bauern ein Dorn im Auge, da große Biberkolonien die Deiche beschädigte und das fließende Gewässer staute. Wiederholt versuchten die Dorfbewohner, die Nager aus der Calenberger Gemarkung in die Kreuzhorst zu vertreiben. Seit mit dem Bau des Umflutkanals der Wasserspiegel der Alten Elbe sank, ist der Biber in der unmittelbaren Nachbarschaft des Dorfes nur noch selten zu finden gewesen. In jüngster Zeit hat die Population allerdings wieder deutlich zugenommen.

 

Als besondere, im Schilf nistende Röhrichtbewohner gelten Rohrweihe, Teich- und Drosselrohrsänger sowie die Wasserralle. Mit etwas Glück begegnet man auch dem Eisvogel. In der Uferregion nistet die Beutelmeise. Stehende Altwässer sind ideal für Laubfrosch, Kammmolch, Rotbauchunke und Ringelnatter, aber auch für den überwiegenden Teil aller existierenden Wasserkäferarten. Die feuchten Tümpel und sumpfigen Stellen um Calenberge mit ihren Röhrichten, Rieden und Gebüschen bieten außerdem einen idealen Lebensraum für zahlreiche Libellenarten. Der vom Aussterben bedrohte Spitzfleck, die blaugrüne Mosaikjungfer und die Südliche Binsenjungfer sind nur drei davon. In Überschwemmungsgebieten legen Hirschkäfer unter der Baumrinde von alten abgestorbenen dicken Eichen ihre Eier ab.

 

In der Magdeburger Elbregion sind wegen des guten Nahrungsangebotes Milane besonders gehäuft anzutreffen, neben dem Rotmilan auch der seltenere Schwarzmilan. Außerdem vermehren sich Kolkrabe und Nebelkrähe, deren Lebensräume jedoch nicht auf Feuchtgebiete beschränkt sind, auffallend zahlreich. Im Auenwald – wie etwa in der Kreuzhorst – fühlt sich der Pirol zu Hause. Ein besonderer Schmetterling, der Schwalbenschwanz, benötigt Trockenrasenflächen wie sie die Weiden um das Dorf bieten. Seltene Vogelarten, Wendehals, Neuntöter und Sperbergrasmücke, fühlen sich auf Streuobstwiesen wohl.

 

Als im Jahr 2000 in der Dornburger Alten Elbe unweit von Calenberge die Europäische Sumpfschildkröte wieder entdeckt wurde, galt dies unter Wissenschaftler als kleine Sensation.

 

Libellula depressa (Plattbauch); die Libellenart besiedelt ausdauernd oder zeitweise trockenfallende, flache Gewässer, besonders auch Flutrillen von Überschwemmungsgebieten; sie schlüpft bereits ab Mitte April, fliegt bis Mitte Juli und legt ihre Eier im Flachwasserbereich auf treibenden Grünalgenmatten oder faulenden Blättern ab

Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis orbicularis), als die Schildkröte in der Dornburger Alten Elbe im Jahr 2000 wiederentdeckt wurde, galt dies als Sensation (Foto H.P.)

Nashornkäfer, in modernden Eichen zu finden

brütender Schwan neben der Brücke nach Elbenau

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Von der politischen Wende 1989 bis heute – Nachwort von Bernhard Czogalla

Wie überall in der ehemaligen DDR stand auch die Mehrzahl der Calenberger dem „Wendegeschehen“ zunächst zurückhaltend und teilweise kritisch gegenüber. Es gab aber einige Familien, die sich schon sehr früh an den Montagsgebeten und später den Montagsdemonstrationen im Dom und in Magdeburg beteiligten. In oppositionellen Gruppen und Initiativen, wie dem Wirtschaftskreis und der Wendezeitung „Halle-Magdeburger“, arbeiteten sie aktiv mit. Am Tag der Einheit, dem 3. Oktober 1990, wurde im Rahmen einer kleinen, von der Pastorenfamilie Lippold organisierten Feierstunde durch Richard Perlberg und Werner Künne im Wendekreis eine Eiche gepflanzt.

 

Als sich die Wiedervereinigung abzeichnete und der Zusammenbruch der ostdeutschen Betriebe nicht mehr aufzuhalten war, mussten sich auch die meisten Calenberger beruflich neu orientieren. So mancher machte dabei die schmerzhafte Erfahrung der Arbeitslosigkeit. Die wenigsten ließen sich aber entmutigen. Das Heft selbst in die Hand zu nehmen, war und ist eine „Calenberger Tugend“.

 

In den schwierigen Jahren des demokratischen Neuanfangs übernahmen viele Frauen und Männer aus Calenberge auch politische Verantwortung. Dem Gemeinderat gehörten von 1990 bis 1994 Richard Perlberg, Werner Riemer (1992 bis 1994 Bürgermeister von Randau-Calenberge), Juliane Czogalla, Kurt Rüdiger Schulle und Werner Koch an. Seit der Eingemeindung am 1. Juli 1994 arbeiteten und arbeiten bis heute Calenberger im Ortschaftsrat mit. Dies sind: Wolfgang Hesse, Heike Marzinkowski, Bernhard Czogalla (musste sein Mandat niederlegen, da er Beigeordneter in Magdeburg war), Wilfried Künne, Werner Czogalla, Torsten Schulle und Elmar Baugut.

 

Im Rahmen der ersten Gebietsreform des Landes Sachsen-Anhalt fanden u.a. öffentliche Veranstaltungen zur Frage der Eingemeindung der Dörfer Pechau, Randau und Calenberge statt. Nach langen und zum Teil heftigen Diskussionen sprachen sich in geheimer Wahl 857 Einwohner mehrheitlich für die Eingemeindung in das Gemeindegebiet der Landeshauptstatt Magdeburg aus. In Calenberge votierten 72 % der Bevölkerung dafür. Am 20.12.1993 fasste die aus 159 Mitgliedern bestehende Stadtverordnetenversammlung in Magdeburg unter der Nummer 639-51 (I 93) den Beschluss für die Eingemeindung der Verwaltungsgemeinschaft Randau-Calenberge. Oberbürgermeister Dr. Willi Polte nahm zusammen mit Ortsbürgermeister Werner Riemer am 30.6.1994 die Enthüllung der neuen Ortstafeln vor.

24.3.1994: Unterzeichnung des Eingemeindungsvertrages (St.A., Foto W.Kl.)

30.6.1994:: Oberbürgermeister Dr. Willi Polte und Bürgermeister Werner Riemer vor dem Schloss Randau mit dem neuen Ortswappen von Randau-Calenberge (St.A., Foto W.Kl.)

30.6.1994: Oberbürgermeister Willi Polte und Bürgermeister Werner Riemer enthüllen das neue Ortsschild anlässlich der Eingemeindung (St.A., Foto W.Kl.)

 

Seit der politischen Wende 1989 und besonders seit der Eingemeindung hat sich Calenberge enorm verändert. Jeder Haushalt wurde zügig mit Elektroanschluss versehen und an das zentrale Trinkwasser- und Abwassernetz angeschlossen. Die Straße zwischen Calenberge und Magdeburg ist grundlegend ausgebaut. Ein neues Wartehäuschen für die Bushaltestelle steht schräg gegenüber der Kirche, der Personennahverkehr funktioniert zuverlässig. Das Ortsbild ist mit neu gepflasterter Straße, renovierten Gebäuden, Ausbau des Radwegenetzes und touristischen Erlebnispfaden ein komplett anderes geworden. Weitere Beispiele für die positive Entwicklung sind die Modernisierung der Telekommunikation, der Ausbau des Bürgerhauses, ein neuer Kinderspielplatz, die Ausstattung der Feuerwehr mit moderner Technik sowie die Einbindung Calenberges in die Dorfentwicklung.

 

Aber nicht nur die öffentliche Förderung, sondern auch die Eigeninitiative der Bewohner gaben und geben den Häuserfassaden und der Dorfstraße ein neues und liebenswertes Aussehen. Beispielsweise sammelte nach der Kirchenrenovierung Richard Perlberg Spenden für eine neue, funkgesteuerte Turmuhr. 1997 konnte der Ortsteil Calenberge (als Dorf) im Rahmen des 3. Landes- und Regionalwettbewerbes „Unser Dorf soll schöner werden“ den 2. Platz belegen und erhielt als Preis eine Bank, die jetzt vor dem Gemeindehaus steht.

 

Naturerlebnispfad Calenberge

Beschilderung für den Erlebnispfad Elbaue bei Calenberge

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Kurze Chronik des Dorfes

1209    erste schriftliche Erwähnung als Besitz des Klosters Berge

1309    erste Erwähnung eines Pfarrers

1562    die Calenberger Kirche erscheint im Klosterinventar

1635    Schenkung Calenberges an die Stadt Magdeburg durch König Gustav Adolf

1808    von Napoleon dem Königreich Westfalen zugeordnet

1809    Aufhebung der Klosterverwaltung Berge

1815    das Amt Gommern fällt an die preußische Krone, Calenberge wird preußisch im Kreis Jerichow I

1847    Separationsrezess

1869    Gründung des Elbenauer Deichverbandes

1882    Bau der neuromanischen Kirche St. Georg

1884    Bau einer befestigten Straße nach Magdeburg

1952    Bildung der Gemeinde “Randau – Calenberge“ im Kreis Schönebeck/Elbe

1992    Agrar GmbH Randau-Calenberge aus den ehemaligen LPG’s Randau und Calenberge gegründet

1994    Eingemeindung nach Magdeburg

1997    2. Platz im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“

1999    Einweihung der renovierten Dorfkirche

2009    Feier des 800-jährigen Dorfjubiläums

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Statistische Angaben zu Calenberge

Charakteristik:                                    Einstraßendorf

Lage:                                                  11° 44´ 32´´ östliche Länge; 52° 03´ 44´´ nördliche Breite

Höhe:                                                 ca. 50 m über NN

Einwohner:                                         93 (46 weibliche und 47 männliche)

Altersdurchschnitt:                             45,6 Jahre

Kraftfahrzeuge pro Einwohner:         68,09 Prozent (vgl. MD 47,32 Prozent)

besondere Gebäude:                        

Ev. Kirche St. Georg,
Gaststätte mit Park,
Feuerwehrunterkunft,
Gemeindehaus mit Kinderspielplatz

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Calenberger Bilderbogen

Abkürzungen zum Abbildungsnachweis

B.C.                 Bernhard Czogalla

D.P.                 Dorle Perlberg

E.S.                 Ernst Schwarzlose und Bildmaterial von den Bewohnern Calenberges, zusammengestellt von Ernst Schwarzlose

E.Sch.             Elsbeth Schulle

F.B.                 Fritz Balzer

F.H.                 Familie Horn

G.H.                Gertraude Hesse

H.G.                Heiderose Gruß

H.M.                Heinz Mattern

H.P.                 Dr. Hans Pellmann, Naturkundemuseum Magdeburg

I.S.                  Ina Schulle

LHASA 1         Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg, A 4k Kloster Berge vor Magdeburg Teil I, P Nr.7a Bl.91.

LHASA 2         Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg, A 31b I Kursächsische Zentral- und Lokalbehörden. Akten betr. das Amt Gommern, Nr.432 Deckblatt.

S.L.                 Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Magdeburg, Postkartensammlung, Sammlung Lück

St.A.                Stadtarchiv Magdeburg

St.M.               Stadtplanungsamt Magdeburg

W.K.                Wilfried Künne

W.Kl.               Werner Klapper

Calenberger Bilderbogen: Fritz Balzer, Dorle Perlberg, Heiderose Gruß, Gertraude Hesse, Lotte Perlberg, Elsbeth Schulle, Wilfried Künne, Familien Horn und Koch

sonstige Fotos: Sabine Ullrich 2009

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Literatur und Quellen

Amtliches Kreisblatt für den ersten Jerichowschen Kreis, 27.1.1880.

 

Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr.2 vom 10. Januar 1824, S.12, in: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, LHASA, MD, Rep. C30 Landratsamt Magdeburg Lit F Nr.13.

Böttge, Gerhard, Remy, Dominique und Christian Kunz, Genese von Altwässern, in: Flussaltwässer, Ökologie und Sanierung, hrsg. von Volker Lüderitz, Uta Langheinrich und Christian Kunz, Wiesbaden 2009.

 

Claude, Dietrich, Geschichte des Erzbistums Magdeburg bis in das 12.Jahrhundert, 2 Teile, Mitteldeutsche Forschungen, hrsg. von Reinhold Olesch, Walter Schlesinger und Ludwig Erich Schmidt, Band 67/1 und 67/2, Köln 1972, 1975.

 

Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-Visitationen in der Parochie Calenberge, 1842 – 1874, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep. A, Spec. G, Nr. 6718.

 

Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenberge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep. A, Spec. G, Nr. 6726.

 

Dittmar, Max, Zur Bevölkerungsstatistik des Magdeburgischen Landes im Jahre 1635, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg, Jg.29, 1894. S.262 – 302.

 

Festschrift zur 1000 Jahrfeier der Gemeinde Pechau, Magdeburg 1948.

 

Handbuch der Provinz Sachsen, Magdeburg 1865.

 

Handbuch vom Regierungsbezirke Magdeburg, Zweiter oder topografischer Teil, hrsg. von Hermes, I. A. F. und M. J. Weigelt, Magdeburg 1842.

 

Heineccius, Johann Ludwig von, Ausführliche topographische Beschreibung des Herzogthums Magdeburg und der Grafschaft Mansfeld, Magdeburgischen Antheils, Berlin 1785.

 

Hennige, Max, Randau, Gut und Dorf in Vorzeit und Gegenwart, München 1913.

 

Hesse, Gertraude, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2 s.p.

 

Hoffmann, (?), Vom werktätigen Einzelbauern zum Genossenschaftsbauer im Ortsteil Calenberge der Gemeinde Randau und Nachweis der Besitzverhältnisse der letzten 200 Jahre, Schönebeck 1964, in: Stadtarchiv Magdeburg, Rep.47 S4.

 

Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929.

 

Libellenatlas, hrsg. vom Umweltamt der Landeshauptstadt Magdeburg, Schönebeck 2002.

 

Lüderitz, Volker, Langheinrich, Uta und Christian Kunz (Hrsg.), Flussaltwässer, Ökologie und Sanierung, Wiesbaden 2009.

 

Magdeburgische Zeitung, 21.1.1880.

 

Magdeburger Tageblatt, 22.1.1880.

 

Mattern, Heinz, Dorferneuerungsplanung Calenberge (unveröffentlichtes Manuskript 1997)

 

Perlberg, Richard, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2 s.p.

Riecke, Willy Otto, Chronik Prester-Cracau, Magdeburg 1932.

 

Römer, Christof, Das Kloster Berge bei Magdeburg und seine Dörfer 968 – 1565, Göttingen 1970.

 

Schlüter, Otto und Oskar August, Atlas des Saale- und mittleren Elbgebietes, Leipzig 1957.

 

Schwarzlose, Ernst, Chronik Calenberges (Manuskript)

 

Tageblatt für die Jerichowschen und benachbarten Kreise und Burgsche Zeitung, 27.1.1880.

 

Urkunden im Besitz von Ernst Schwarzlose

 

Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg, Halle 1879.

 

Urkundenmaterial aus dem Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg

 

Hilfreiche Auskünfte und Informationen erteilten der unermüdliche Heimatforscher Herr Ernst Schwarzlose, dessen Chronik den Anlass für die Festschrift gab, außerdem Frau Maria Meussling und Herr Dipl.-Ing. Heinz Mattern über die Restaurierungsarbeiten der Calenberger Dorfkirche. Herr Mattern stellte außerdem seinen leider unveröffentlichten Dorferneuerungsplan zur Verfügung. Gedankt sei auch Herrn Dr. Thomas Weber vom Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege für Informationen über erste Siedlungsspuren in der Region, Frau Annett-Petra Warschau als zuständige Pastorin für die Einsicht in die Pfarrakten sowie den Dorfbewohnern Heiderose Gruß, Gertraude Hesse, Ina Schulle und Bernhard Czogalla für ihre Unterstützung und stellvertretend für alle Calenberger, die aus ihren Familienarchiven Bilder zur Verfügung gestellt haben. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Volker Lüderitz für die vorab erteilten Informationen aus seiner erst später erschienenen Publikation „Flussaltwässer“.

 

[1] Heineccius, Johann Ludwig von, Ausführliche topographische Beschreibung des Herzogthums Magdeburg und der Grafschaft Mansfeld, Magdeburgischen Antheils, Berlin 1785.

 

[2] Handbuch der Provinz Sachsen, Magdeburg 1865, S.85. Neben der Einwohnerzahl werden Lehrer Willmann und Ortsvorsteher Schuseil aufgeführt.

 

[3] Nach Auskunft von Frau Warschau, Pastorin der Gemeinden Pechau, Randau und Calenberge, in alten Kirchenbüchern von Calenberge erwähnt.

[4] Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S. 35.

 

[5] Claude, Dietrich, Geschichte des Erzbistums Magdeburg bis in das 12.Jahrhundert, 2 Teile, Mitteldeutsche Forschungen, hrsg. von Reinhold Olesch, Walter Schlesinger und Ludwig Erich Schmidt, Band 67/1 und 67/2, Köln 1972, 1975, Teil II, S.292.

 

[6] Römer, Christof, Das Kloster Berge bei Magdeburg und seine Dörfer 968 – 1565, Göttingen 1970.

 

[7] Handbuch vom Regierungsbezirke Magdeburg, Zweiter oder topografischer Teil, hrsg. von Hermes, I. A. F. und M. J. Weigelt, Magdeburg 1842, S.127f. Die Zugehörigkeit Calenberges in französischer Zeit zu Westfalen oder Preußen wird in der Literatur unterschiedlich gesehen. Wie die Gegebenheiten tatsächlich gewesen sind, wäre noch genauer zu untersuchen. An sich war die Elbe die Grenze des Königreichs Westfalen. Die französischen Soldaten plünderten trotzdem in Ostelbien.

 

[8] Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S.15f.

 

[9] Im Besitz von Ernst Schwarzlose.

 

[10] Römer, Christof, Das Kloster Berge bei Magdeburg und seine Dörfer 968 – 1565, Göttingen 1970.

 

[11] Dittmar, Max, Zur Bevölkerungsstatistik des Magdeburgischen Landes im Jahre 1635, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg, Jg.29, 1894. S.273. Das Buch-Exemplar im Stadtarchiv Magdeburg enthält kleinere Korrekturen, die vermutlich aus der Hand des Autors stammen.

 

[12] Aus der Chronik von Ernst Schwarzlose.

 

[13] Hoffmann, (?), Vom werktätigen Einzelbauern zum Genossenschaftsbauer im Ortsteil Calenberge der Gemeinde Randau und Nachweis der Besitzverhältnisse der letzten 200 Jahre, Schönebeck 1964, in: Stadtarchiv Magdeburg, Rep.47 S4.

 

[14] Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, z.B. S.23. Schreibweise hier Pfarrer Grothe, manchmal auch Große.

 

[15] Riecke, Willy Otto, Chronik Prester-Cracau, Magdeburg 1932, S.265.

[16] Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S.17.

 

[17] Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg, Halle 1879, Nr. 162.

 

[18] Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg, Halle 1879, Nr. 1062.

 

[19] Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenberge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep.A, Spec.G, Nr.6726.

 

[20] Magdeburgische Zeitung, 21.1.1880, Amtliches Kreisblatt für den ersten Jerichowschen Kreis, 27.1.1880, Magdeburger Tageblatt, 22.1.1880, Tageblatt für die Jerichowschen und benachbarten Kreise und Burgsche Zeitung, 27.1.1880.

 

[21] Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenberge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep.A, Spec.G, Nr.6726.

 

[22] Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenberge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep.A, Spec.G, Nr.6726.

 

[23] Perlberg, Richard, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2, s.p.

 

[24] Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S. 32f.

 

[25] Hennige, Max, Randau, Gut und Dorf in Vorzeit und Gegenwart, München 1913, S.49.

 

[26] Festschrift zur 1000 Jahrfeier der Gemeinde Pechau, Magdeburg 1948, S.13.

 

[27] Perlberg, Richard, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2 s.p.

 

[28] Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr.2 vom 10. Januar 1824, S.12, in: Landeshauptarchiv Sachsen Anhalt, LHASA, MD, Rep.C30 Landratsamt Magdeburg Lit F Nr.13.

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