„Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!“

Als im Jahre 1863 das Rittergut Randau in den Besitz Moritz Paul Henniges überging, stand es dort schlimm. Die Bedeutung des Wortes klar vor Augen, sah der neue Herr eine gewaltige Aufgabe vor sich. Seine Vorgänger hatten in der unverantwortlichsten Weise gehaust. Randau hatte große Eichen- und Kiefernbestände besessen auf dem Göbs, in der Feldmark und an der Grenze von Grünewalde. Alles war der Habgier Lamprechts zum Opfer gefallen. Für 85 000 Mark hatte er in 10 Jahren abschlagen lassen; damit war die Forst natürlich erledigt. Die letzten Besitzer aus der Familie von Alvensleben hatten sehr viel Land veräußern müssen, um ihre dringendsten Schulden decken zu können. Das war besonders in den vierziger Jahren gewesen. Einige Zahlen mögen kurz die Belege geben. Hermann Carl Achaz verkaufte 1842 und 1843 an den Rentier Schulze in Magdeburg für rund 27 000 Thl. Insgesamt etwa 295 Morgen mit allen daran haftenden Rechten wie Jagd, Fischerei und Wegegerechtigkeit. In denselben Jahren an den Kaufmann Strutz aus Schönebeck 112 Morgen mit dazugehöriger Ziegelei an der Elbe für etwa 26 000 Thl., ebenfalss mit allen Gerechtsamen. 1843 an den Ziegeleibesitzer Schulze zu Frohse 10 Morgen und an die Witwe Marth geb. Möbes zu Frohse 20 Morgen des hohen Holzangers. Ferner haben die Gebrüder Eiserhard von ihm im Jahre 1840 etwas über 140 Morgen für 12 500 Thl. Erhalten. Weitere 144 Morgen – die sog. Außenschläge – waren vom Gutsherrn zum Verkauf bestimmt. Alle diese Stücke werden vom Gute abgeschrieben, haften aber noch mit für die 40 Thl. Ritterpferdsgelder, die das Rittergut dem Staate jährlich als Canon zu entrichten hat.

Abgesehen von den Außenschlägen kamen also fast 600 Morgen zum Verkauf.

Es galt nun nach Möglichkeit den früheren Umfang des Gutes wieder herzustellen und durch Kauf und Tausch dem Besitz die einstige Größe zu verschaffen. Heute nach 50 Jahren ist das Areal fast doppelt so groß als bei Erwerbung des Landsitzes. Bis 1906 war das Rittergut mit seinen Anteilen in den Gemeinden Randau, Frohse, Elbenau, Grünewalde auf rund 2350 Morgen angewachsen.

Sogleich 1863 begann der Rückkauf. Paul Hennige übernahm 116 ½ Morgen des Blumenthalschen Hofes. Nach diesem glücklichen Anfang wurden fortwährend Grundstücke wieder erworben. So von den Bauern der Gutsgemeinde die Hausstellen von Lindemann, Bühnemann (1876) und Albrecht (1890). Zur Arrondierung aus der Dorfgemeinde Pläne von Grashof und Schüler (1875), Frauendienst (1876), Ohle (1881), Wilhelm Koch (1884), Hensel (1890), Curio (1892), Hesse (1892), Schlüter (1893), Stephan (1893). Größere Käufe werden abgeschlossen 1871 mit Siegel (22 ½ Morgen), 1876 mit Schneider (12 ½ Morgen), 1881 mit Bühnemann (32 Morgen).

Von der Pfarre kauf Paul Hennige 1901 die Schleusenbreite (51 Morgen), ferner 1876 aus der Gutsgemeinde von Paul und Mahrenholz 68 Morgen. Aus der Gemarkung Westerhüsen kamen dazu 12 ½ Morgen der Schrader’schen Wiesen und 7 Morgen sogenannte chemische Wiesen (Besitzer chemische Fabrik Buckau). Aus der Gutsgemeinde verkauften dem Gut an Wiesen Katzmann (1884) 153 ½ Morgen und Schmidt (1888) 166 Morgen. Kleinere Tausche und Käufe gingen immer nebenher. Der Grundsatz verloren gegangene Stücke wieder zu erwerben brachte es dazu, daß im Jahre 1884 die erste Ziegelei an der Elbe mitgekauft wurde. Es folgten 1890 und 1893 zwei weitere und zwar mit sämtlichen dazugehörigen Grundstücken. Da bis Ende der neunziger Jahre die Geschäfte der Ziegeleien gut gingen, wurden die alten unmodernen Anlagen ausgebaut, auch zum Teil Maschinenbetrieb eingerichtet. Zum Transport der Steine wurden Kähne beschafft. In den letzten Jahren ist durch ungünstige Verhältnisse das Geschäft sehr zurückgedrängt.

Als im Jahre 1903 Paul Hennige sen. starb und 1904 sein Sohn das Gut übernahm, trat kein Stillstand in der Zurückerwerbung des von früheren Besitzern veräußerten Landes ein. Es sind Tausche mit Kupitz, Ahlheit, Schlüter und Schüler zu erwähnen, besonders aber der 1907 erfolgte Ankauf des dem Forstfiskus gehörenden 40  Morgen großen Drachenberges.

Ehe wir nun auf die weitere Tätigkeit der Rittergutsbesitzer Hennige in Randau eingehen, sei es gestattet den Leser nochmals in frühere Zeiten zurückzuführen. Wir wollen uns kurz mit der Wohnung des jeweiligen Besitzers beschäftigen und hören, welche Wandlungen der adlige Sitz im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat.

Einige Bemerkungen finden sich schon in dem Abschnitt über die Geschichte der Besitzer. Die adlige Burg lag auf dem Göbe. Der genaue Ort läßt sich nicht angeben, da noch verschiedene Käufer in neuerer Zeit dort gestanden haben und man ihre ….. mit denen der Burg verwechseln würde. An einem Unterschied in der Färbung des Bodens ist ein unterirdischer Gang zu verfolgen, der von dem Burgplatz zur Furt an die alte Elbe führte, doch wird er wohl auch aus jüngerer Zeit stammen. Wie überliefert wird, hat Lamprecht nachgraben lassen in der Hoffnung Geld zu finden. Er förderte aber nur verbranntes Getreide und einige alte Waffen und Schlüssel zu Tage. Das Wohnhaus der Familie von Alvensleben hat zunächst wahrscheinlich auf dem Göbs gelegen, auch das von Kuno in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts neu erbaute. Heute steht das „Schloß“ südlich vom Göbs, etwas näher an die Elbe heran. Dorthin wurde es wohl von Friedrich von Alvensleben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlegt. Zu diesem gehörte wahrscheinlich eine gesondert stehende Kapelle, wohl gleichzeitig eine Art Familienbegräbnis. Man fand jedenfalls im Jahre 1903 an der vermuteten Stelle einen gut erhaltenen Menschenschädel mit vollständigem Gebiß. Ein neueres Erdgrab soll sich nach der bestimmten Aussage einiger Randauer im Park des Schlosses befunden haben. In ihrer Jugend hätten sie oftmals durch ein Glasdach in die ausgemauerte Gruft hinabgesehen, in der unter anderen ein Kindersarg gestanden habe. – Gebhard Johann Achaz, der das Gut 1795 übernimmt, schlägt seinen ständigen Wohnsitz dort auf. Er verbessert das Wohnhaus von Grund auf, gibt ihm ein geschmackvolles Aeußere und erweitert es durch zwei Seitenflügel und zwei massive Seitengebäude. Diese Form hat der Gutshof bis heute behalten. Ein Vergleich zwischen dem alten einstöckigen Haus und dem in den achtziger Jahren des  19. Jahrhunderts auf den alten Grundmauern neu aufgeführten Baues zeigt, wie wenig sich geändert hat. 1912 wird das Haus dann einer bedeutenden Neuerung unterzogen, indem Zentralheizung und elektrisches Licht gelegt werden. Der Fortschritt hat auch hier seinen Einzug gehalten.

Doch wir wollen unsere vorhin unterbrochenen Betrachtungen wieder aufnehmen. Es ist natürlich nicht möglich, in diesem kurzen Abschnitt noch alles vorzubringen, was wissenswert und interessant erscheinen könnte. So wollen wir nur hören, was einer zweckmäßigen Bewirtschaftung halber die letzten Jahrzehnte Neues gebracht haben.

Unter den Grundstücken des Rittergutes von 1863 befanden sich einige Parzellen, welche bei dem damaligen Stande der Landwirtschaft den Ackerbau nicht lohnten. Es wurde daher beschlossen, diese Pläne mit Kiefern aufzuforsten. Der Versuch der Saat mißlang vollständig, da bei Wind alles verweht wurde. So wurde zur Pflanzung einjähriger Kiefern gegriffen. Auch diese litten bei dem sterilen Boden stark durch Trockenheit und Stürme. Nachdem die ersten Kulturen geglückt waren, erkannte man, daß es für die anliegenden Grundstücke mit besserem Ackerland ein großer Vorteil wäre, wenn der ganze Komplex sandigen Bodens durch Kulturen festgelegt würde. Denn sonst bestand die Gefahr, daß nach und nach der Streifen fruchtbaren Landes vollständig verweht und damit minderwertig würde. Bei den dadurch notwendig werdenden Ankäufen und Tauschen brachten die bäuerlichen Besitzer dem Gutsherrn einigen Argwohn entgegen, weil sie annahmen, daß die ganze Aufforstung nur den Zweck haben sollte, die Jagd zu heben. Das Mißtrauen bekam neue Nahrung, als die Schonungen größer und umfangreicher wurden, und sich plötzlich auf unaufgeklärte Weise Kaninchen einfanden. Mit der Vergrößerung des Waldbestandes ist bis in die letzte Zeit fortgefahren worden. Es ist das Verdienst des Herrn Försters Donau dem Rittergute wieder einen ansehnlichen Wald schlanker Kiefernstämme geschaffen zu haben. Wenn Anfang nur Kienen gepflanzt wurden, so machte er auch in den letzten 15 Jahren Versuche, Mischbestände durch Eichensaat und Pflanzung von Birken und Erlen zu ziehen.

Die Jagdverhältnisse waren anfangs sehr traurig, da durch jährliche Ueberflutungen, oft auch zum zweiten Male im Sommer, der Wildstand nicht aufkommen konnte. Erst nachdem 1877 der Elbumflutkanal und mit ihm die starken Elbleitdeiche fertiggestellt waren, erholte er sich recht bald, besonders da günstige Grenzen vorhanden waren und ein gut nachbarliches Verhältnis mit dem Verwalter der Klosterforst Kreuzhorst bestand. Nach dessen Tode wurde die Jagd mit angepachtet. Nun entwickelte sich der Wildstand ganz bedeutend, vor allem das Rehwild, das oft in Rudeln von 60 bis 70 Stück auf den Roggenschlägen stand. Es wurden bis zu 48 Böcke geschossen. Während früher eine Treibjagd wegen Mangel an Schützen selten abgehalten wurde, waren später die Jagden in Randau und in der Kreuzhorst die begehrtesten der Umgegend. Starke Winter, Wilddieberei, besonders aber nach dem Inkrafttreten des Wildschadensgesetzes die hohen Wildschadenansprüche, haben zu erheblicher Verminderung des Bestandes beigetragen. Es war auch eine Degeneration unter dem Wilde eingetreten, so daß Gewicht und Stärke der Gehörne sehr zurückgingen. Eine zweimalige Blutauffrischung durch ungarische Böcke, verbunden mit guter Winterfütterung, hat diese Uebel in den letzten Jahren behoben. Aber nicht allein der Mangel an Wild in den sechziger Jahren ließen eine Treibjagd selten zustande kommen, sondern auch die schlechten Verkehrsverhältnisse taten das ihre. Ist es doch vorgekommen, daß ein kleiner Omnibus, besetzt mit sechs Schützen, seine Not hatte, mit vier starken Ackerpferden von Magdeburg nach Randau zu gelangen. Nach langen Mühen und großen Opfern wurde im Jahre 1884 die Fahrstraße von Magdeburg bis Calenberge gebaut, der auf eigene Kosten eine Abzweigung nach Randau angegliedert wurde Die alte Fähre wird aufgehoben, das herrschaftliche Fährhaus abgebrochen und an seiner Stelle das Forsthaus errichtet.

Wie aus manchen Bemerkungen der früheren Abschnitte zu ersehen war, nährten sich die Bewohner des Elbenauer Werders hauptsächlich von der Viehwirtschaft. Auch die von Alvensleben hatten diesem Erwerbszweig den Vorzug vor dem Ackerbau gegeben. 1583 beklagen sich die Leute darüber, „das der Junker, der von Alvensleuen viel Viehe halte, die alles verwüsten“. Nach Uebernahme des Besitzes durch Paul Hennige sen. Scheint zunächst auch der Weidebetrieb eine große Rolle gespielt zu haben. Später fiel eine Wiese nach der anderen dem Pflug zum Opfer, und bald wurde neben dem Ackerbau eine einträgliche Milchwirtschaft vom Stalle aus betrieben. Zur Verbesserung der Ackerflächen nahmen die Inspektoren Holzapfel und Trautwein bedeutende Meliorationsarbeiten vor, indem sie z. B. Kolke zuschütteten und überflüssige Dämme beseitigten. Das Jahr 1911 brachte wieder einen Umschwung, indem auf Anregung des Herrn Professors Falke die Anlage von Weiden, als dem Boden mehr zusagende Ertragsquelle, in Angriff genommen wurde. Trotz mancher Unbilden ist doch in einem Jahre der Bestand auf 80 Kühe und 60 – 70 Stück Jungvieh gewachsen. Den Tieren gefällt es außerordentlich gut draußen in den Koppeln, die sie den ganzen Sommer über nicht verlassen. Auch das landschaftliche Bild hat sich durch das lebendige Treiben auf den grünen Flächen nicht zu seinem Schaden verändert. Hand in Hand mit der Wiedereinrichtung des Wiedebetriebes ging auch die Begründung einer Schweinezucht, die schon von den früheren Geschlechtern nicht verachtet worden war. Dagegen wurde die bis dahin gehaltene Schafherde gänzlich aufgegeben. 

Ein Blick auf das Dorfbild zeigt uns, wie den Gutsherren bei all dem nicht nur ihr eigner Vorteil, sondern auch das Wohl ihrer Arbeiter am Herzen liegt. Da springt uns sofort jener rote Bau in die Augen, der den polnischen Sachsengängern – diese fremden Arbeiter lassen sich ja leider in der Landwirtschaft nicht entbehren – als Wohnhaus dient. Er trägt bei uns nur den wohlklingenden Namen „Polenburg“. Und die Polen haben es wirklich recht gut in ihrer Burg. Die ganze Einrichtung zwingt sie zu größtmöglicher Sauberkeit. Auch die Randauer Gutsarbeiter können sich nicht beklagen. Eine zielbewußte Sorge hat ihnen manch nettes Häuschen gebaut, in dem sie mit Weib und Kind glücklich und zufrieden leben können.

Mögen denn all das Streben und die zuversichtliche Arbeit, die in den fünfzig Jahren unter dem Wappenbilde des Hahnes so reiche Früchte getragen haben, auch weiterhin grüne, lohnverheißende Zweige zeitigen, und möge dieses Zeichen noch recht lange als glückbringendes Sinnbild dem Gute Randau voranleuchten! –

„Was Du ererbt von Deinen Vätern hast,

„Erwirb es, um es zu besitzen!“

Mahnend drängt sich das Wort uns nochmals auf. Gedenket, Ihr Söhne, was Eure Väter taten! Zeigt Euch würdig der Vorfahren, denen Euer Randau so sehr ans Herz gewachsen war! Und auch Euch, Ihr Randauer, erinnere der Spruch daran, festzuhalten an dem alten deutschen Geist, dem Ihr Euer Blühen und Gedeihen verdankt!

Dann wird auch bei redlichem Streben ein noch innigeres Band des Vertrauens Gut und Gemeinde verknüpfen, und unter dem Glücksstern eines verstehenden Zusammenarbeitens werden die Fluren Randaus für alle Zukunft gesegnet sein.