Urteile fällen – nicht aber Bäume

09.04.2022 | von Dr. Hartwig Haase

Fällungen von etwa 180 Eichen in Elbenau:

Urteile fällen – nicht aber Bäume

180 Eichen bei Elbenau gefällt

Im Dezember 2021 hatten Bürger und Bürgerinnen Otto pflanzt! informiert, dass an der Straße zwischen Elbenau und Grünewalde nicht angekündigte massive Baumfällungen stattfinden. Otto pflanzt! war sofort vor Ort, dokumentierte das Geschehen und zählte mindestens 180 gefällte Eichen. Auch konnten eindeutige Fraßspuren des vom Aussterben bedrohten und streng geschützten Großkäfers Eichenheldbock festgestellt werden.

Gemeinsam mit Dr. Hans-Joachim Döring, ehemaliger Beauftragter der Evang. Kirche für Umwelt und Entwicklung schrieb Dr. Hartwig Haase von Otto pflanzt! das zuständige Wirtschaftsministerium des Landes, sowie das für Naturschutz zuständige Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt an. Parallel dazu suchten wir Verbündete bei den Naturschutzverbänden. Der Zusicherung des Wirtschaftsministers unter Sven Schulze (CDU) im Antwortschreiben, dass „es sich um Arbeiten im Rahmen der guten fachlichen Praxis handelt“, konnten wir leider nicht folgen!

Luftaufnahme Fällungen von etwa 180 Eichen in Elbenau

Nach vorheriger Begehung des Betriebs- und des Revierleiters sind Gefährdungen der Verkehrssicherheit von 103 Eichen festgestellt worden. Allerdings wurden die Bäume nicht gekennzeichnet und es wurde auch keine Dokumentation angefertigt. Die Prüfung auf zu schützende Artvorkommen – das Vorkommen des Heldbockes in der Hartholzaue wäre zu erwarten gewesen – wurde ohne Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde, sowie wieder ohne Protokoll durchgeführt. Was für eine Nachlässigkeit!

Am 05.04.2022 hatte der Landesfortbetrieb zu einem Ortstermin und zu Erläuterungen eingeladen. Vertreter der Zivilgesellschaft (Otto pflanzt! und Experten der Umweltverbände des BUND und des NABU), ein Baumsachverständiger, ein Entomologe des Landesamtes für Umweltschutz trafen sich mit Vertretern des Landesforstbetriebes Sachsen-Anhalt an dem Ort, an dem über 180 stattliche alte Eichen gefällt und erheblich in das Landschaftsbild und damit die Biosphäre eingegriffen wurde.

Nach langer (zweieinhalbstündiger), sachlicher und intensiver Diskussion, gingen die unterschiedlichen Akteure mit Respekt und mit mehr gegenseitigem Verständnis, aber auch mit weiterhin bestehenden unterschiedlichen Sichtweisen auseinander.

Die Vertreter von Otto pflanzt! und den Umweltverbänden kritisieren weiterhin, dass die über 180 jährigen Eichen vollständig gefällt wurden. Der wertvolle Bestand hätte teilweise erhalten werden können, wenn rechtzeitig und regelmäßig eine Verkehrssicherung vorgenommen worden wäre. Für Menschen gefährliche Bäume hätten gezielt entnommen oder gesichert werden können.

Im Dialog vor Ort wurde zudem deutlich, dass die notwenige Kooperation vom Landesforst mit den naturschutzfachlich verantwortlichen Behörden, in dem Fall der Unteren Naturschutzbehörde oder dem Biosphärenreservat Mittlere Elbe leider nicht stattgefunden hat. Der Baumsachverständige Hartmut Beyer kritisierte zudem, dass in diesen hochsensiblen Bereichen auch der vorbereitende und erklärende Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern vermisst wurde.

Spuren des Heldbocks

Ein besonderes Thema war die Erhaltung der Population des streng geschützten Großkäfers Eichenheldbock. Hier sagte der Landeforstbetreib den Verbleib der Stämme, die Larven in verschiedenen Entwicklungsstadien enthielten, im Waldrandgebiet erfreulicherweise zu. Der Entomologe Dr. Volker Neumann vom Landesamt für Umweltschutz konnte wertvolle Hinweise für den Umgang mit den Habitatbäumen geben, die von der Landesforst dankbar aufgenommen wurden.

In Auswertung des Dialoges sagte die Forst zu, bei zukünftigen Maßnahmen die Untere Naturschutzbehörde prinzipiell zu beteiligen, gemeinschaftlich zu entscheiden und diese Entscheidung auch gemeinsam zu vertreten.

Der Ortstermin wurde von beiden Seiten begrüßt. Wie sich zeigte, ist ein Dialog in komplizierten Fragen von großem Wert. Wären Vertreter der Umweltbehörden früher mit einbezogen worden, hätte der verantwortliche Forstbetreiber über die Eichen ein anderes fachliches Urteil gebildet und viele der Bäume nicht gefällt.

Wir stehen auch zukünftig für den Erhalt von wertvoller Biomasse ein und treten dafür gerne in den Dialog mit den zuständigen Behörden, den Naturverbänden und Experten. Wir hoffen, dass der Austausch zukünftig vor Fällungen erfolgt.

Wir können nur jeden Bürger und jede Bürgerin dazu aufrufen, sich stärker einzubringen und in den entsprechenden Organisationen mitzuwirken!