Corona-Impfpass

Corona-Impfpass:

Mehr Freiheiten für Geimpfte und Genesene?

Sollen Menschen, die bereits gegen SARS-CoV-2 geimpft sind, wieder mehr Grund- und Freiheitsrechte erhalten? (imago / Future Image / C. Hardt)

In Deutschland mehren sich die Rufe nach Lockerungen für bereits geimpfte oder von einer Covid-Erkrankung genesene Menschen. Die EU-Kommission will im Juni einen digitalen Impfpass einführen. Beim Impfgipfel von Bund und Länder wurden noch keine Ausnahmen für Geimpfte beschlossen. Ein Überblick.

  • Was sehen die bisher bekannten Pläne der Bundesregierung vor?
  • Welchen Standpunkt vertritt der Ethikrat?
  • Wie beurteilen Rechtswissenschaftler die Sachlage?
  • Welche Pläne für einen Immunitätsnachweis gibt es für die EU?
  • Wie funktioniert der „Grüne Pass“ in Israel?

Immer mehr Menschen haben bereits eine Zweitimpfung gegen SARS-CoV-2 erhalten. Erste Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Impfungen nicht nur vor einer Erkrankung schützen, sondern auch verhindern, dass Geimpfte das Virus an andere weitergeben. Deshalb wird diskutiert, ob bereits Geimpfte sich wieder freier bewegen können und für sie die Grundrechtseinschränkungen aufgehoben werden sollten, die im Zuge der Pandemie-Bekämpfung angeordnet wurden. 

Laut einem Eckpunktepapier der Bundesregierung könnten Geimpfte und Genesene etwa beim Zugang zu Geschäften und Dienstleistungen wie Friseuren dieselben Ausnahmen bekommen, die für negativ Getestete gelten. In Nordrhein-Westfalen gelten von Montag (03.05.21) an erste Erleichterungen für vollständig gegen das Coronavirus geimpfte Menschen. Wer geimpft oder bereits mit dem Virus infiziert gewesen sei, müsse dann etwa im Einzelhandel keinen negativen Schnelltest mehr vorweisen, teilte die Landesregierung mit.

Was sehen die bisher bekannten Pläne der Bundesregierung vor?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits Anfang April in Aussicht gestellt, dass Geimpfte nach dem Ende der dritten Welle wieder mehr Freiheiten erhalten könnten. Es gehe dabei nicht um Vorrechte, sondern darum, „dass wir vollständig Geimpfte so behandeln können wie negativ Getestete“.

Entwurf des Justizministeriums

In einem Entwurf aus dem Justizministerium hat man nun offenbar Leitplanken skizziert. Das Papier, aus dem unter anderem die Tagesschau zitiert, sieht folgende Eckpunkte vor.

  • Vollständig Geimpfte sowie Genesene sollen bundesweit einheitlich mit Getesteten gleichgestellt werden, etwa bei körpernahen Dienstleistungen oder Terminshopping
  • Die in der „Bundesnotbremse“ vorgesehene Ausgangssperre soll für Geimpfte und Genesene nicht gelten
  • Die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene sollen aufgehoben werden. Sie würden also bei der Anzahl an Personen einfach nicht mitgezählt werden.
  • Schülerinnen und Schüler wie auch das Lehrpersonal wäre bei der Frage nach Präsenz- oder Wechselunterricht von der Testpflicht befreit.
  • Abstandsgebot und Maskenpflicht sollen für Genesene und Geimpfte weiterhin gelten. 

Als vollständig geimpft gilt man zwei laut Robert-Koch-Institut 14 Tage nach Verabreichung aller notwendigen Covid-19-Impfstoffdosen. Die Verordnung soll zwischen Ministerien und Ressorts abgestimmt werden. In der erste Maiwoche könnte sie ins Kabinett und dann in den Bundestag kommen. Auch der Bundesrat muss zustimmen.

Digitaler Impfpass

Um eine Corona-Impfung oder auch eine überstandene Erkrankung nachweisen zu können, ist zudem ein digitaler Impfpass beziehungsweise Immunitätsnachweis in Planung, der ein „Grünes Zertifikat“ nach EU-Regeln darstellen soll. Eine entsprechende App soll bis Ende Juni zur Verfügung stehen. Die Quarantäne-Pflicht nach Einreise aus einem Risikogebiet soll für Geimpfte und Genesene nicht mehr gelten – es sei denn sie waren in einem Virusvariantengebiet. Außerdem weist die Regierung darauf hin, dass die Ausnahmen überprüft werden müssten, sollte die Wirksamkeit des Impfschutzes bei neuen Varianten des Coronavirus deutlich schwächer ausfallen. In Altötting läuft bereits ein Pilotprojekt für einen digitalen Impfausweis

Welchen Standpunkt vertritt der Ethikrat?

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, hat in der Debatte um die Corona-Maßnahmen Lockerungen für Geimpfte in Aussicht gestellt. Mitte April sagte sie im Deutschlandfunk, es werde schwer sein, die Freiheitsbeschränkungen aufrechtzuerhalten, wenn der Sachgrund entfalle. „Es gibt jetzt eine neue Situation. Denn Geimpfte scheinen nicht mehr ansteckend und können das Virus nicht mehr übertragen“, sagte Buyx. Diese Gerechtigkeitsfragen würden viele Menschen bewegen.

Die harten individuellen Freiheitsbeschränkungen – wie eine Quarantäne – seien rechtlich sehr schwierig durchzusetzen, wenn die Infektiösität wegfalle, sagte Buyx. Sie prophezeite, dass die starken, schweren individuellen Freiheitsbeschränkungen sich nicht werden halten lassen. Maskenpflicht oder die Abstandsregeln werden sich aber auch zukünftig für Geimpfte nicht zurücknehmen lassen.

Privaten Unternehmen – wie etwa Fluggesellschaften oder Konzertveranstaltern – kann allerdings gesetzlich nicht verboten werden, einen Impfnachweis oder einen Coronatest zu verlangen. Anders sieht dies für Dienstleistungen und Angebote aus, die für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe unerlässlich sind, etwa die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Mögliche Verstöße gegen die Allgemeine Gleichbehandlung in diesem Zusammenhang konnte der Ethikrat nicht abschließend klären.

Wie beurteilen Rechtswissenschaftler die Sachlage?

Auch aus der Sicht von Rechtswissenschaftlern ist die entscheidende Frage, ob von Geimpften weiterhin eine Gefahr ausgeht. Sei das nicht mehr der Fall, dann seien die Corona-Maßnahmen verfassungsrechtlich nicht mehr tragbar, sagte der Medizinrechtler Alexander Ehlers im Dlf. Die staatlichen Eingriffe seien zunächst nur deshalb verfassungsrechtlich zulässig gewesen, weil Leben und Gesundheit bedroht waren und die Maßnahmen ihre Berechtigung im Schutzgedanken hatten.

So sieht das auch Stefan Huster, Professor für Verfassungsrecht an der Ruhr-Uni Bochum und Mitglied der Leopoldina. Im Dlf verwies er in diesem Zusammenhang auf Quarantäneregelungen: Nach dem Infektionsschutzrecht müssten nur Menschen in Quarantäne, „wenn sie ein besonderes Risiko darstellen. Wenn nicht, dann eben nicht“.

Das Argument der Gleichbehandlung, also dass einige noch gar keine Chance auf eine Impfung erhalten hätten, lässt Huster nicht gelten. Denn in infektionsschutzrechtlichen Zusammenhängen würden nicht danach unterschieden, ob jemand an seinem Ansteckungsrisiko in irgendeiner Weise schuld sei, ob er dafür Verantwortung trage oder ob er das hätte vermeiden können. 

Es könnten laut Huster noch weitere rechtliche Fragen entstehen, zum Beispiel, ob Ungeimpfte am öffentlichen Verkehr teilnehmen dürfen. Überlebensnotwendige Dienstleistungen – wie die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs – könne man dem Einzelnen schlecht vorenthalten. Im Flugverkehr sehe das aber anders aus, hier gebe es bereits Bestimmung zur Gefahrenabwehr, wie etwa ein Waffenverbot. „Das Gleiche könnte der Fall sein, wenn man sagt, man müsste nachweisen können, dass von einem selber keine Ansteckung ausgehen kann“, führte Huster aus. Ein rechtliches Argument, dessen sich dann auch andere Privatunternehmen bedienen könnten, etwa Betreiber von Hotels, Restaurants oder Fitnessstudios.

Welche Pläne für einen Immunitätsnachweis gibt es für die EU?

Die Botschafter der EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Linie für das „Grüne Zertifikat“ geeinigt. Mit diesem kostenlosen, digitalen Nachweis, der auch auf Mobilgeräten vorgezeigt werden kann, soll das Reisen in der Europäischen Union leichter werden. Das geplante Zertifikat soll neben Informationen über eine etwaige Corona-Impfung auch aktuelle PCR- und Schnelltestergebnisse sowie Angaben über eine überstandene Corona-Erkrankung enthalten. 

In den einzelnen EU-Staaten besteht allerdings bislang keine Einigkeit darüber, welche genauen Auswirkungen der Nachweis für die Bewegungsfreiheit der Bürger haben wird. Die Staaten sollen zudem selbst entscheiden, ob sie auch Impfungen mit Präparaten anerkennen, die nur in bestimmten Ländern, aber nicht in der gesamten EU zugelassen sind – wie etwa die Impfstoffe aus Russland oder China. Wahrscheinlich ist, dass viele Länder bei der Einreise von nachweislich Geimpften auf Test- oder Quarantänepflichten verzichten. Denkbar wäre auch, dass die Menschen ohne oder mit nur leichten Einschränkungen Orte wie Restaurants, Kinos oder Museen besuchen können. 

Details müssen nun noch mit dem Europäischen Parlament abgestimmt werden. Anschließend dürften die Verhandlungen mit den EU-Staaten beginnen. Die Einführung des „Grünen Zertifikats“ ist für Ende Juni geplant. Die Regeln sollen zunächst für zwölf Monate gelten. Laut dem Kommissionsvizepäsidenten Margaritis Schinas könnte der Nachweis schon Reisen in den kommenden Sommerferien ermöglichen. Er solle aber keinesfalls eine „Voraussetzung für die Ausübung der Freizügigkeit sein“. 

Warum wir nicht von Impfprivilegien sprechen
Die Begriffe „Sonderrechte“ oder auch „Impfprivilegien“, die im Zuge der Diskussion zum Teil verwendet werden, führen in die Irre. Gemäß dem Grundgesetz ist jeder Mensch mit denselben Rechten ausgestattet. Sonderrechte oder Privilegien sind somit ausgeschlossen. Dieses Prinzip der Rechtsgleichheit gilt auch in der aktuellen Corona-Pandemie und auch wenn Grundrechte – zeitlich befristet – eingeschränkt sind. Die Rücknahme dieser Grundrechtseinschränkungen stellt den ursprünglichen Rechtszustand wieder her – sind also gerade keine Sonderrechte.

Das Thema ist ein wichtiges Anliegen der stark vom Tourismus abhängigen Mitgliedstaaten. Griechenland und Zypern haben schon jetzt Vereinbarungen mit Israel über die künftige Einreise von Geimpften geschlossen. Manche EU-Staaten wie Polen und Rumänien gewähren Geimpften bereits Vorteile, etwa bei der Einreise. 

Wie funktioniert der „Grüne Pass“ in Israel?

Wie ein Immunitätsausweis funktionieren kann, zeigt das Beispiel Israel. Dort ermöglicht ein „Grüner Pass“ seit dem 21. Februar von einer Corona-Infektion genesenen und gegen das Virus geimpften Menschen wieder mehr Freiheiten als noch Ungeimpften. Mit dem „Grünen Pass“ dürfen sie unter anderem wieder Restaurants, Fitnessstudios, Schwimmbäder, Theater und Sportereignisse besuchen sowie in Hotels übernachten. Reisende müssen bei der Rückkehr aus dem Ausland auch nicht mehr in Quarantäne. 

Mit Inkrafttreten der „Grünen Pass“-Regelung wurden auch Einkaufszentren, Museen, Bibliotheken und Gebetshäuser für die gesamte Bevölkerung wieder geöffnet. Dort gelten weiter Hygiene- und Abstandsregeln. Auch die Schulen wurden für weitere Klassen geöffnet.

Der „Grüne Pass“ kann entweder im Internet heruntergeladen oder mit einer Smartphone-App nachgewiesen werden. Laut den Behörden gibt es Maßnahmen, die Fälschungen verhindern sollen. Bei Verstößen drohen Unternehmen hohe Bußgelder, Fälschern des „Grünen Passes“ hatte Gesundheitsminister Juli Edelstein sogar mit Haftstrafen gedroht. Impfgegner kritisierten die Vorteile, die der „Grüne Pass“ ermöglicht, als ungerecht und illegitimes Druckmittel seitens der Regierung.

Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Impfkampagne in Israel deutlich weiter fortgeschritten. Inzwischen kann sich jeder Bürger im Alter ab 16 Jahren impfen lassen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums hatten in Israel Mitte April fast zwei Drittel der derzeit für eine Impfung gegen das Coronavirus in Frage kommenden Bürgerinnen und Bürger bereits die zweite Dosis erhalten.