Unser Ort: Randau-Calenberge / Unser altes Randau
Vorbemerkungen:
Die nachfolgenden Auszüge aus dem Buch „Randau – Gut und Dorf in Vorzeit und Gegenwart“ von Max Hennige entstammen dem Original (Nr. 179) von 1913. Um so nahe wie möglich am Original zu bleiben, wurde die Rechtschreibung und Grammatik der damaligen Zeit übernommen und sind keine Fehler, die bei der Abschrift unabsichtlich gemacht wurden. Da der Autor an vielen Stellen sehr langatmig und teilweise schwer verständlich schreibt, wurde der Inhalt an manchen Stellen reduziert.
Die Redaktion wünscht Ihnen bei der nun folgenden Lektüre viel Vergnügen!
Mit freundlicher Genehmigung durch K.-E. Friedrich (C.B. 2012)
Dieses Buch wurde im Auftrag von Max Hennige im Frühjahr 1913 gedruckt bei Dr. C. Wolf & Sohn in München in 400 nummerierten Exemplaren
Max Hennige: „Randau – Gut und Dorf in Vorzeit und Gegenwart“
Inhaltsverzeichnis:
- Teil 1 – Vorwort
- Teil 2 – Aus frühesten
- Zeiten
- Teil 3 – Randau unter dem Wappen derer von Alvensleben
- Teil 4 – Kirche und Pfarre vor dem Dreißigjährigen Kriege
- Teil 5 – Kretschmar
- Teil 6 – Kratzenstein
- Teil 7 – Münnich
- Teil 8 – Patronatsverhältnisse um 1700
- Teil 9 – Kirchbau
- Teil 10 – Kantorat und Schule
- Teil 11 – Der Greifenwerder
- Teil 12 – Aus dem Dorfe Randau
- Teil 13 – Vom Rittergute Randau
- Schluss – Die Sage von der Ahnenfrau der alten Burg Randau
Teil 1 - Vorwort
Datur in eadem insula, villa antiquissima, Randau,
munitissimo olim castro,
nunc suis ruderibus noscendo, clara, ipsa amoena inter vireta sita.
Es liegt auf dieser Insel anmutig mitten im Grün ein uraltes Dorf, Randau genannt.
Berühmt war einstmals seine starke Burg.
Doch heute sieht man nur noch ihre Trümmer.
Mit diesen knappen, fast 200 Jahre alten Worten stellt sich dem Leser dieses Buches ein schlichtes Landkind vor, ein waldumfangenes, liebliches Kunstwerk der Göttin Natur. Manch Ernstes – Leiden und Kampf aus Jahrhunderten – meldet von ihm die Mär. Doch dann – nach Elend und Not – lacht wieder die Sonne glücklicher Zufriedenheit aus diesem stillen Winkel, den schirmend Mutter Elbe mit ihren beiden Armen umfängt, Schutz spendend gegen der Großstadt unruhvolles Getriebe. Im Norden der Kreuzhorst 500jährige Eichen und lauschende Gründe im dornigen Hag, wo sich’s ruhen und träumen lässt von einem Frieden, den die Welt nicht geben kann, – im Nordwesten die „Kienen“, die Kiefernwaldung mit ihrem würzigen Duft und ihrem eintönig ernsten Rauschen, das den Wanderer lockt, auf einsamen Pfaden Ruhe zu finden von aller Unrast und Plage des leidvollen Lebens , – im Osten die alte Elbe: geheimnisvoll flüstert und raunt hier das Ried, als suchte es Scheu manch Geheimnis zu bergen, und zittert vor dem rauhen Nordost, der jenseits von Calenberge her weht; – im Südosten grüßen die grünenden Forste von Elbenau und Grünewalde, – und aus diesem waldreichen Rahmen blinkt uns, still umträumt von buntschimmernden Triften, das friedliche Dörflein und zugleich der Wohnsitz der Patronatsfamilie mit seinem altherrlichen Parke entgegen. Im Westen winken jenseits des Dampfer und Lastkähne tragenden Stromes die Sohlener Berge. Daneben zur Linken Frohse und das uralte Schönebeck mit seinen Türmen und rauchenden Essen. Zur Rechten aber – an stillen Tagen dem geübten Ohre vernehmbar – die hämmernden, rasselnden, keuchenden Vorposten Westerhüsen- Salbke, die Magdeburgs Riesenleib jetzt auch zu seinen Gliedern zählt. Und das alles erhöht nur das Gefühl umfriedeter Weltferne und traulicher Abgeschiedenheit. Fern von üppigem Leben und der Großstadt lockendem Reiz wohnen unserer Bauersleute hier in ihren schmucken, hellfarbigen Häusern. Kein leichtes Dasein ward dem Landwirt beschieden im Kampfe um den nicht immer gewissen Ertrag der eigenen oder gepachteten Scholle. Ernste, harte Arbeit und unermüdlicher Fleiß, gepaart mit schlichter Lebensart und weiser Sparsamkeit, haben ein kerniges und selbstbewusstes Geschlecht erstehen lassen. Die Häuser bieten der Erinnerungen an längst verklungene Zeiten gar viel.
Berühmt war einstmals seine starke Burg. Doch heute sieht man nur noch ihre Trümmer. Mit diesen knappen, fast 200 Jahre alten Worten stellt sich dem Leser dieses Buches ein schlichtes Landkind vor, ein waldumfangenes, liebliches Kunstwerk der Göttin Natur. Manch Ernstes – Leiden und Kampf aus Jahrhunderten – meldet von ihm die Mär. Doch dann – nach Elend und Not – lacht wieder die Sonne glücklicher Zufriedenheit aus diesem stillen Winkel, den schirmend Mutter Elbe mit ihren beiden Armen umfängt, Schutz spendend gegen der Großstadt unruhvolles Getriebe. Im Norden der Kreuzhorst 500jährige Eichen und lauschende Gründe im dornigen Hag, wo sich’s ruhen und träumen lässt von einem Frieden, den die Welt nicht geben kann, – im Nordwesten die „Kienen“, die Kiefernwaldung mit ihrem würzigen Duft und ihrem eintönig ernsten Rauschen, das den Wanderer lockt, auf einsamen Pfaden Ruhe zu finden von aller Unrast und Plage des leidvollen Lebens , – im Osten die alte Elbe: geheimnisvoll flüstert und raunt hier das Ried, als suchte es Scheu manch Geheimnis zu bergen, und zittert vor dem rauhen Nordost, der jenseits von Calenberge her weht; – im Südosten grüßen die grünenden Forste von Elbenau und Grünewalde, – und aus diesem waldreichen Rahmen blinkt uns, still umträumt von buntschimmernden Triften, das friedliche Dörflein und zugleich der Wohnsitz der Patronatsfamilie mit seinem altherrlichen Parke entgegen. Im Westen winken jenseits des Dampfer und Lastkähne tragenden Stromes die Sohlener Berge. Daneben zur Linken Frohse und das uralte Schönebeck mit seinen Türmen und rauchenden Essen. Zur Rechten aber – an stillen Tagen dem geübten Ohre vernehmbar – die hämmernden, rasselnden, keuchenden Vorposten Westerhüsen- Salbke, die Magdeburgs Riesenleib jetzt auch zu seinen Gliedern zählt. Und das alles erhöht nur das Gefühl umfriedeter Weltferne und traulicher Abgeschiedenheit. Fern von üppigem Leben und der Großstadt lockendem Reiz wohnen unserer Bauersleute hier in ihren schmucken, hellfarbigen Häusern. Kein leichtes Dasein ward dem Landwirt beschieden im Kampfe um den nicht immer gewissen Ertrag der eigenen oder gepachteten Scholle. Ernste, harte Arbeit und unermüdlicher Fleiß, gepaart mit schlichter Lebensart und weiser Sparsamkeit, haben ein kerniges und selbstbewusstes Geschlecht erstehen lassen. Die Häuser bieten der Erinnerungen an längst verklungene Zeiten gar viel.
Teil 2 - Aus frühesten Zeiten
Magna di curant, parva neglegunt.
Großes erfreut sich der himmlischen Sorge, kleiner Dinge achten sie nicht.
So sprachen es einst die Stoiker aus. Aber auch die Menschen treiben es nicht anders als die Götter. Dem Großartigen, Vollendeten jubeln sie zu, laufen sie nach. Das Blümlein, das bescheiden am Wege blüht, zertritt ihr rauher Fuß. Und doch – manch Vergißmeinnicht duftet zarter und lächelt uns lieblicher als eine Wasserrose, die aufgeblasen auf den ungewissen Wellen treibt. Wie leicht entzieht die Flut einmal ihre Gunst und die Prahlende sinkt hinab.
Auch dem stillen Winkel am Elbenauer Werder sind die Geschichte und ihre Chronisten nicht hold gewesen. Besonders die alten haben uns redlich mit Schweigen bedacht. Das ist recht wenig angenehm. Denn so wissen wir aus jenen Zeiten, da die Welt schon mehrere Jahrhunderte nach Christi Geburt zählte, immer noch nichts Genaues über die Randauer Gegend. Da müssen wir schon etwas Einbildungskraft zu Hilfe nehmen, wenn wir uns unterfangen, in das frühere Mittelalter eindringen zu wollen. Diese Einbildungskraft haben aber nun verschiedene Leute nach verschiedenen Seiten wirken lassen, so dass auch verschiedene Ansichten zutage kamen. Der Leser darf mit einigen der wichtigsten nicht verschont werden. In aller Kürze sollen sie ihn auf die späteren Tatsachen hinleiten.
Ein nicht gut zu entscheidender Streitpunkt ist zunächst, ob der Randauer Landstrich in alter Zeit zum Wendengau Morzana oder zum Gebiet des deutschen Stammes der Nordthüringer gehört hat. Die Slaven benutzten die Gegend von Magdeburg gern zu Einfällen in germanisches Land. Mehr als ein Andenken haben sie hinterlassen. Ansiedlungen wurden gegründet, von denen noch heute Dörfer, Felder und Wälder ihre Namen herleiten. Pretzin und Plötzky erweisen sich unschwer als slavischen Ursprungs. Desgleichen augenscheinlich der „Grebs“ (heute meist Göbsch oder Göbs), ein Teil der Randauer Feldflur. Der Name Randau dagegen scheint gleich Elbenau völlig deutsch. Die Au am Rande der alten Elbe ist eine einleuchtende Erklärung. Manchen Forschern gab jedoch die alte Form Randaw oder Randow zu denken. Mit dieser Schreibart kennt die Geographie nämlich einen Fluss, der eine Strecke weit die Ukermark von Pommern trennt. Auch in den Kreisen Ostpriegnitz und Grimmen finden sich Dörfer namens Randaw. In beiden Fällen gehört das Wort sicher der Wendensprache an und könnte etwa mit Grenzau verdeutscht werden. Am meisten scheint für den Gau Morzana ein Fundort in der Feldmark zu sprechen. Etwa zwei Kilometer vom heutigen Dorfe entfernt liegt – ein etwas erhöhtes Ackerstück – der Finkenherd. Dort wurden bei landwirtschaftlichen Arbeiten nach und nach eine größere Anzahl Urnen zutage gefördert. Es liegt nahe, hier einen Begräbnisplatz der Wenden anzunehmen. Denn diese sammelten die Asche ihrer Toten in Urnen und setzten sie in der Nähe des Hauses, später gemeinsam im Feld und auf Hügeln bei. Da man meist unverhofft auf solche Funde stieß und deshalb selten mehr als Scherben zu sehen bekam, ließ sich leider aus etwa beigegebenen Schmuckgegenständen nichts Genaueres schließen.
Aus der Zeit von 840 stammt folgende Bemerkung: „Tradiderunt Ado et Odo monasterio corbejensi quidquid habuerunt in Villis Westeros, Saltbeke, Waldeslef et Olva.“ „Es schenkten Ado und Odo dem Kloster Corvei ihre Besitzungen in den Orten Westerhüsen, Salbke, Welsleben und — —.“ Ueber Olva hören wird von F. Winter (Wanderungen durch den Elbenauer Werder): „Wie es scheint, ist Olva hier nichts anderes als Elbenau. In diesem Falle muss allerdings die Insel zum Nordthüringau gehört haben. Denn Corvei erhält wohl vielerlei Besitzungen in diesem Gau, keine einzige aber im wendischen Gau Morzane.“
Bis zum Jahre 968 bildet die fragliche Gegend einen Teil des Magdeburger Sprengels. In diesem Jahre findet eine Abgrenzung statt.
Nach dem Jahre 1000 tritt eine große Veränderung ein. Die Elbe bahnt sich ein neues Bett, das 1016 urkundlich bestätigt ist: Ein Salbke gegenüber liegender Wald wird „der von der alten und neuen Elbe“ genannt.
Das heutige Randau liegt auf der von diesen beiden Elbarmen gebildeten Insel, die eine Länge von etwa 17 km hat bei einer größten Breite von 5 km. Die Luftlinie nach Magdeburg und Gommern beträgt je eine Meile.Wir haben gesehen, dass ein Streit über frühere Bewohner unseres Ländchens müßig ist. Besser, wir schlagen einen Mittelweg ein und geben eine alte slavische Bevölkerung zu, die dann nach 806 der deutschen Streitaxt weichen muss.
Nun drängt sich aber die Frage auf: Seit wann gibt es denn ein Dorf Randau? Möglich ist also schon eine wendische Niederlassung, die zur Zeit der Grenzkämpfe verödete. Vielleicht haben wir auch einen Rest dieser Ansiedlung in dem in der Kreuzhorst gelegenen „Kulenhagen“ vor uns, dessen Name der Wendensprache angehören soll.
Als der zweite Elbarm entstanden war, scheint die Stadt Magdeburg an einer durch die alte Elbe führenden Furt eine Burg angelegt zu haben. Gründe dafür boten Handel und unsichere Grenzen. Zur Zeit Barbarossas, etwa um 1160, könnte dann ein Dorf gegründet sein, vielleicht ziemlich weit von der Burg entfernt. Kaiser Friedrich I. lässt nämlich einen Teil des ehemals wendischen Besitzes durch niederländische Kolonisten besiedeln. Die Ritter in der Zollfeste Randau machen sich nach und nach von ihrer Mutterstadt frei. Nach dem Faustrecht des Mittelalters vergreifen sie sich an den Elbfrachten und anderes mehr. Auch ist die Burg der Beratungsplatz derjenigen Ritter, die sich mit dem Erzbischof Burkhard verfeindet hatten. Dieser hatte sich stolz über die Adligen erhoben und ihre Sitten und ihren Lebenswandel angegriffen, obgleich er selbst aus ihren Reihen stammte. Die erbitterten Ritter hatten sogar versucht, den Fürsten in ihre Gewalt zu bekommen, doch hatten die Magdeburger diesen Streich vereitelt. Die Stadt ließ dafür das Raubritternest dem Erdboden gleich machen, wie die Schöppenchronik berichtet: bi fiden tiden wunnen dusse borger dat hus to Randauwe und breken dat und vorstordent, – Die Ansiedler erkennen nun bald die Nähe der Burgruine auf dem Göbs als günstigen Platz für ihr Dorf, und schon 1309 sind adliges Gut und Bauerngemeinde Randau dorthin zusammengerückt, wo der Besucher unseres Winkels sie noch heute findet.
So in knappen Zügen die „prähistorische“ Entwicklung des Ortes, der uns in diesem Buche beschäftigen soll. Jetzt gilt es die Zügel der schweifenden Gedanken straffer zu ziehen und sittsam dem Wenigen zu folgen, was die Geschichte uns an Tatsachen über Randau und Randaus Besitzer überliefert hat.
Teil 3 - Randau unter dem Wappenderer von Alvensleben
„Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, der froh von ihren Taten,
ihrer Größe den Hörer unterhält und still sich freuend ans Ende dieser schönen Reihe sich Geschlossen sieht!“
Dies alte Wort Goethes, den heutigen Herren auf Randau wohlbekannt, geleite mit sorgendem Fittich den Leser wohlbehalten über die kahlen Klippen, die ihm zahlenreich aus den nächsten Seiten entgegenblinken. Denn nicht ganz sei dieses Buch leichteren Weisen geweiht. Die Achtung gebietende Reihe jener Männer, welche die Geschichte Randaus durch Jahrhunderte gesteuert haben, jene Persönlichkeiten, welche die Vorfahren unserer Familie im Besitz von Randau waren, seien – eingedenk des Spruches – dem Leser einer kurzen Beachtung empfohlen. Das Folgende bietet keineswegs eine abgeschlossene Vollständigkeit aller Daten und Urkunden, es soll vielmehr nur in großen Zügen ein Bild entrollen, in wessen Händen Randau war, und was in Jahrhunderten dort vorgefallen.
Bei der Darstellung stütze ich mich größtenteils auf v. Mülverstedt: Codex diplomaticus Alvenslabanus und Wohlbrück: Geschichte des Geschlechtes von Alvensleben, die schon bei einer Arbeit Ludolf Müllers („Mitteilungen, betreffend das Haus Randau“) die Hauptquellen waren. Einheimische Berichte stehen mir erst aus der Zeit nach dem dreißigjährigen Kriege zur Verfügung. Was ich da in Kirchenbüchern und Pfarrakten las, findet in späteren Abschnitten eingehendere Berücksichtigung.
Die früheste urkundliche Erwähnung des Namens Randau ist vom 28. Mai 1236. Hier findet sich als Zeuge bei einem Vergleich der miles Thegenardus de Randowe. Der Vertrag wird abgeschlossen zwischen dem Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg und einem Iwan von Dornburg. Beider Besitzungen reichten damals fast bis an Randau heran. So läßt sich die Annahme rechtfertigen, daß dieser Thegenardus der adlige Besitzer eine Burggebietes Randau war, das etwa dem heutigen Rittergute entspricht. – Unter dem 17. Juni 1247 und 5. Oktober 1265, desgleichen im Jahre 1262 wird Conradus de Randowe genannt.
1270 und 1280 lesen wir von Ghero de Randowe, und zwar schon etwas mehr: Item litera domini Alberti ducis Brunswicensis super variatione personarum, videlicet Gheronis de Randowe, Jordani et Adelheidis puerorum Hinrici de Campe hinc inde datis.[1]
Bei Conrad und Ghero ist die Wahrscheinlichkeit schon weniger groß, daß sie Besitzer von Randau waren. Doch ist damit nicht gesagt, daß diese adlige Familie mit der Benennung des Gutes nichts zu tun hat. Es wird mehrere Träger dieses Namens gegeben haben, von denen nur einer Burgherr war. Ghero kann uebrigens nach seinem Austausch an den Erzbischof Besitzer gewesen sein, da er 1280 als Vasall Bussos von Barby genannt wird. Nach dieser Zeit ist das Gut nicht mehr lange im Besitze derer von Randau gewesen, höchstens bis 1297. Im Oktober dieses Jahres zerstörten die Bürger von Magdeburg unter Führung des Ratsmannes Tile Weske die Burg. Die Magdeburger eignen sich nach und nach die zum Gute gehörenden Privilegien an, bis sie Randau im Jahre 1307 an ihren neuen Erzbischof Burkhard den Dritten von Blankenburg verschenken. Hierüber findet sich im Schöppenchronikon: „In einer sehr alten merkwürdigen Handschrift, welche der unsterbliche Otto von Guerike verwahret hat, wird gemeldet, daß der Rat und die Bürgergemeinde der alten Stadt Magdeburg dem Erzbischof Burkhard, der nachmals erschlagen wurde, zu seinem pallio das Gut Randau, 100 Mark Silbers und zwei Fuder Weins verehret haben.“ Burkhard III. verkaufte es wieder für 400 Mark Silber.
Bis 1391 hören wir nun nichts über die Besitzer von Randau. Auch die nächste Nachricht läßt nur eine Vermutung zu. In einer Urkunde vom 2. August 1391 belehnt Albrecht Erzbischof von Magdeburg Friedrich von Alvensleben zur gesamten Hand mit Gerhard von Wederden mit „allen geistlichen und weltlichen, ledigen und verlehnten Gütern“, die der letztere vom Erzbischof zu Lehen hat, ausgenommen einige Besitzungen im Halleschen. Wohlbrück vermutet, daß dieses Lehen in dem Gute Randau, den Dörfern Lübberitz und Satuel und dem Zehnten aus Bülstringen bestanden habe. Danach wären die Herren von Wederde schon vor 1391 auf Randau Lehnsmannen des Erzbischofs gewesen. Auf ein Aussterben dieser Familie führt Wohlbrück die Mitbelehnung Friedrichs zurück. Um 1399 scheint Friedrich von Alvensleben nach Gerhards Tod einziger Lehnsträger geworden zu sein. 1404 stirbt auch er und hinterläßt vier Söhne, von denen die beiden ältesten schon 1409 nicht mehr leben. Ludolf und seine werden Besitzer und erhalten unter dem 28. März 1447 vom Erzbischof Friedrich von Magdeburg außer anderen Gütern nochmals ausdrücklich „den hoff und dorff Randow mit aller zcubehorunge unde gerechtigkeit“ zu Lehen.
(Hier ist also seit 1307 die erste sichere Tatsache über die Besitzer [2] – In einem Lehnsbrief des Erzbischofs Günther von Magdeburg vom 13. Februar 1443 erhalten die Brüder Friedrich und Hans Lohse zu Magdeburg „zcu Randow I weese.“[3]
Die Herren von Alvensleben auf Rogätz sehen wir nicht lange im direkten Besitz von Randau. Von Ludolfs Sohn Friedrich dem Aelteren erhalten es Tile und Peter Lindau als Afterlehen. In einem Sühnevertrag vom 8. August 1470 finden wir die urkundliche Bestätigung hierfür. (Der Vertrag betraf einen gegenüber Frohse gelegenen Werder.)
In einem Lehnsbrief des Erzbischofs Ernst vom 3. Oktober 1477 werden Friedrich, Ludolfs Sohn, und Friedrich, Heines Sohn, als Lehnsträger bestätigt. Es heißt aber: „den hoff zu Randaw mit dem Kirchlehen und aller siner Friheit unde zubehorungen haben Peter und Tile Lindaw.“ Doch scheint Randau nicht ganz ein Afterlehen dieser beiden Magdeburger Bürger gewesen zu sein. Denn in einer Urkunde vom 13. Januar 1516 verkaufen Friedrich, Heines Sohn, und seine Söhne Matthias und Ludolf an das Domkapitel zu Magdeburg aus ihren Einkünften vom Schlosse Randau einen jährlichen Zins von 6 Gulden, für 100 rheinische Gulden wiederkäuflich. Desgleichen in demselben Jahre eine Rente von 25 Gulden aus dem Hofe zu Randau an Hans Robin, Bürger zu Magdeburg. (Urkunde vom 4. Sept. 1516.) Nach einer weiteren Nachricht aus dem Jahre 1516 bestätigt Kardinal Albrecht, Erzbischof von Magdeburg, die Leibzucht4 der Gemahlin Ludolfs von Alvensleben auf Rogätz und Randau Anna von Zerbst mit 50 Gulden jährlicher Einkünfte aus seinen Gütern.
Allem Anschein nach haben drei Generationen der Familie Lindau Randau in Afterlehen besessen. Nach Wohlbrück waren schon im Jahre 1498 Peters Söhne Hans, Heinrich, Albert und Moritz Inhaber. Also werden die in einem Lehnsbrief vom 29. März 1522 erwähnten Tile und Peter Lindau die Söhne eines dieser vier Brüder gewesen sein. Mit diesen beiden scheint die Famil,ie auszusterben. Randau fällt zurück an Ludolf von Alvensleben, Friedrich des Jüngeren Sohn. Ludolf stirbt im September 1532 ohne männliche Nachkommen. Seite Güter gehen in den Besitz seines Neffen Friedrich über. Auch er stirbt ohne Söhne. Damit ist die rote Linie des Hauses Alvensleben erloschen.
Am 5. Mai 1553 wird vorläufig ein Vergleich zwischen den Lehnsnachfolgern Friedrichs und seiner Witwe unterzeichnet. Ihm folgt am 2. Juni 1554 der endgültige Vertrag zwischen der weißen und schwarzen Linie. Endlich am 20. Juli 1554 wird das Gut in einem Teilungsvertrag der Vettern dieser Linie Andreas, dem Sohne Vigkers, zugesprochen. Darüber lesen wir: „Andreas von Alvensleben ist vor das ander theil zugetheilet der hoff zu Randaw mit aller seiner zugehorung, der jehrlich auf 200 Gulden Nutzung angeschlagen.“ Randau hat wieder einen Besitzer.
In einer Urkunde vom 14. Januar 1559 schlichten Andreas von Holzendorf, Domherr zu Magdeburg, und Heinrich von Bila, erzbischöflicher Hofrat, einen Streit zwischen Andreas von Alvensleben zu Randau und Rat und Gemeinde der Stadt Frohse, betreffend einen Werder zwischen Randau und Frohse, dessen Besitzverhältnisse zwar schon vor 89 Jahren geordnet, jetzt aber wegen Länge der Zeit, und weil die Elbe zwischen dem großen und kleinen Werder ausgetrocknet, wieder unsicher geworden seien.
Andreas von Alvensleben ist Anhänger der lutherischen Lehre. Er stirbt am 15. Januar 1565 in Randau und wird in der dortigen Kirche – deren Erbauer er ist – beigesetzt. Aus seiner Ehe mit Maria von Hodenberg stammt nur eine Tochter. Nach einem Vertrag (11. Mai 1565) zwischen der hinterbliebenen Witwe und Tochter und den nächsten Verwandten fällt Randau an Ludolf. Dieser wird sehr erfreut gewesen sein. Denn in einem Verzeichnis aus demselben Jahre heißt es: „Summa aller Schulden vff Vienau, Eichenbarleben und Randau 10048 fl 8 Schill. Lubisch.“ Er verstand jedoch zu wirtschaften. Denn obgleich er für Ankauf neuer Güter nahezu 140 000 Thl. Ausgab und außerdem fünf Töchter mit ansehnlicher Mitgift ausstattete, hinterließ er bei seinem Tode doch ein Allodialvermögen von 150 000 Gulden. [5] Uebrigens hatte Erzbischof Sigismund Ludolfs Gemahlin Bertha von Bartensleben auf Wolfsburg Gut und Dorf Randau „zu rechtem leipgedinge [6] geliehenn“ (4. Dezember 1565). Ueber die Erbfolge finden sich Verträge vom 26. Februar und Mai 1596. Gebhard, Ludolfs ältester Sohn, erhält Randau und bewirtschaftet es gleich diesem sehr einträglich. Er stirbt schon am 22. September 1609. Sein Sohn Kuno wird Besitzer von Randau (Lehnsbrief vom 5. Dezember 1609). Ihm wird das Gut jedoch erst in einem Teilungsvertrag aus dem Jahre 1629 besonders zugeteilt.
Der hohen wirtschaftlichen Blüte Randaus unter Ludolf und Gebhard folgt leider schnell der Niedergang. Die Wirren des dreißigjährigen Krieges gehen mit zermalmendem Fuße über das Dorf hinweg. Im Jahre 1631 wird es von den Magdeburg belagernden kaiserlichen Truppen zerstört.
Das kurz vorher von Kuno erbaute Wohnhaus mit Kapelle, die Pfarrwohnung und das ganze Dorf gehen in Flammen auf. Die Kirche allein überdauert den allgemeinen Untergang. Ueber den Kampf um Magdeburg, soweit er sich auf unserer Insel abspielte, gibt ein kleines Buch [7] einige wahrscheinlich zutreffende Punkte: Wolf von Mansfeld griff die Magdeburger von der linken Elbseite her an, während Tilly vermutlich sein Hauptquartier in Westerhüsen hatte. Pappenheim ließ bei Schönebeck eine Brücke schlagen, um die Südschanzen zu bombardieren. Hier waren Trutz-Pappenheim und die Prester Schanzen zu überwinden. Am 9. April fiel nach einer heftigen Kanonade Trutz-Pappenheim in die Hände der Kaiserlichen. Diese Stellung soll sich dort befunden haben, wo sich heute der „Rehberg“ im Gebiete der Kreuzhorst erhebt.
Kuno hatte viel auf Reisen gelebt und viel Geld verbraucht. Auch die Zerstörung Magdeburgs brachte ihm große Verluste. So hinterließ er bei seinem Tode am 13. März 1638 recht umfangreiche Schulden.
Am 6./16. Juli 1632 haben die Vormünder der unmündigen Söhne Gebhards von Alvensleben Rekognition ihrer Mutung8 am Gute Randau und allen anderen Alvenslebenschen Gütern erhalten. Einen richtigen Besitzer bekommt Randau erst wieder durch einen Teilungsvertrag vom 11. November 1643 in Christian Ernst, einem Neffen Gebhards. Am 20. Oktober 1649 wird er als Lehnsträger bestätigt. Neben ihm scheint noch ein Gebhard, Gebhards Sohn, Anteil an Randau gehabt zu haben (Urkunde vom 24. April 1650). – Ueber diese Zeit heißt es in Ludolf Müllers schon oben erwähnter Arbeit: „Christian Ernst erweiterte Randau, indem er wahrscheinlich durch Kauf von dem Domherrn zu Magdeburg, Johann George von Traubenheim, zehn Viertel Landes, sieben Grafenwiesen und ein Holz, der Fuchsbusch genannt, alles auf der Pöteritzer Feldmark vor Westerhüsen gelegen, zu Erbzins erhielt. Mehr als einmal standen seine Güter nahe vorm Konkurs. Christian Ernst starb am 26. November 1681. Ihm folgte im Besitze von Randau sein einziger Sohn Ludolf. Aus seiner Zeit findet sich ein interessanter Kaufbrief (31. März 1686), welcher zeigt, daß Ludolf selbst bei den Kossaten von Randau Schulden hatte. Er verkauft hierin einer Schuld von 200 Thl. wegen mit Genehmigung seiner Vettern auf Neugattersleben an seinen Gläubiger Hans Blumenthal, Einwohner zu Randau, erblich den zu Heinrich Krügers Ackerhof gehörigen Acker- und Wiesenwachs, der nach des Krügers Tode von seinem Vater Christian Ernst zu Hans Blumenthals Kossatenhofe gelegt war. – Ludolf war ein sehr gewalttätiger und roher Mensch. Fortwährend lag er im Streite mit seinen Vettern, von seiner Frau ließ er sich schon nach acht Wochen wieder scheiden. Ja er trieb es so weit, daß er nach Spandau auf die Festung gebracht wurde und nur gegen eine Kaution von 10 000 Thl. freigelassen wurde.“
Bis 1391 hören wir nun nichts über die Besitzer von Randau. Auch die nächste Nachricht läßt nur eine Vermutung zu. In einer Urkunde vom 2. August 1391 belehnt Albrecht Erzbischof von Magdeburg Friedrich von Alvensleben zur gesamten Hand mit Gerhard von Wederden mit „allen geistlichen und weltlichen, ledigen und verlehnten Gütern“, die der letztere vom Erzbischof zu Lehen hat, ausgenommen einige Besitzungen im Halleschen. Wohlbrück vermutet, daß dieses Lehen in dem Gute Randau, den Dörfern Lübberitz und Satuel und dem Zehnten aus Bülstringen bestanden habe. Danach wären die Herren von Wederde schon vor 1391 auf Randau Lehnsmannen des Erzbischofs gewesen. Auf ein Aussterben dieser Familie führt Wohlbrück die Mitbelehnung Friedrichs zurück. Um 1399 scheint Friedrich von Alvensleben nach Gerhards Tod einziger Lehnsträger geworden zu sein. 1404 stirbt auch er und hinterläßt vier Söhne, von denen die beiden ältesten schon 1409 nicht mehr leben. Ludolf und seine werden Besitzer und erhalten unter dem 28. März 1447 vom Erzbischof Friedrich von Magdeburg außer anderen Gütern nochmals ausdrücklich „den hoff und dorff Randow mit aller zcubehorunge unde gerechtigkeit“ zu Lehen.
(Hier ist also seit 1307 die erste sichere Tatsache über die Besitzer [2] – In einem Lehnsbrief des Erzbischofs Günther von Magdeburg vom 13. Februar 1443 erhalten die Brüder Friedrich und Hans Lohse zu Magdeburg „zcu Randow I weese.“ [3]
Die Herren von Alvensleben auf Rogätz sehen wir nicht lange im direkten Besitz von Randau. Von Ludolfs Sohn Friedrich dem Aelteren erhalten es Tile und Peter Lindau als Afterlehen. In einem Sühnevertrag vom 8. August 1470 finden wir die urkundliche Bestätigung hierfür. (Der Vertrag betraf einen gegenüber Frohse gelegenen Werder.)
In einem Lehnsbrief des Erzbischofs Ernst vom 3. Oktober 1477 werden Friedrich, Ludolfs Sohn, und Friedrich, Heines Sohn, als Lehnsträger bestätigt. Es heißt aber: „den hoff zu Randaw mit dem Kirchlehen und aller siner Friheit unde zubehorungen haben Peter und Tile Lindaw.“ Doch scheint Randau nicht ganz ein Afterlehen dieser beiden Magdeburger Bürger gewesen zu sein. Denn in einer Urkunde vom 13. Januar 1516 verkaufen Friedrich, Heines Sohn, und seine Söhne Matthias und Ludolf an das Domkapitel zu Magdeburg aus ihren Einkünften vom Schlosse Randau einen jährlichen Zins von 6 Gulden, für 100 rheinische Gulden wiederkäuflich. Desgleichen in demselben Jahre eine Rente von 25 Gulden aus dem Hofe zu Randau an Hans Robin, Bürger zu Magdeburg. (Urkunde vom 4. Sept. 1516.) Nach einer weiteren Nachricht aus dem Jahre 1516 bestätigt Kardinal Albrecht, Erzbischof von Magdeburg, die Leibzucht [4] der Gemahlin Ludolfs von Alvensleben auf Rogätz und Randau Anna von Zerbst mit 50 Gulden jährlicher Einkünfte aus seinen Gütern.
Allem Anschein nach haben drei Generationen der Familie Lindau Randau in Afterlehen besessen. Nach Wohlbrück waren schon im Jahre 1498 Peters Söhne Hans, Heinrich, Albert und Moritz Inhaber. Also werden die in einem Lehnsbrief vom 29. März 1522 erwähnten Tile und Peter Lindau die Söhne eines dieser vier Brüder gewesen sein. Mit diesen beiden scheint die Famil,ie auszusterben. Randau fällt zurück an Ludolf von Alvensleben, Friedrich des Jüngeren Sohn. Ludolf stirbt im September 1532 ohne männliche Nachkommen. Seite Güter gehen in den Besitz seines Neffen Friedrich über. Auch er stirbt ohne Söhne. Damit ist die rote Linie des Hauses Alvensleben erloschen.
Am 5. Mai 1553 wird vorläufig ein Vergleich zwischen den Lehnsnachfolgern Friedrichs und seiner Witwe unterzeichnet. Ihm folgt am 2. Juni 1554 der endgültige Vertrag zwischen der weißen und schwarzen Linie. Endlich am 20. Juli 1554 wird das Gut in einem Teilungsvertrag der Vettern dieser Linie Andreas, dem Sohne Vigkers, zugesprochen. Darüber lesen wir: „Andreas von Alvensleben ist vor das ander theil zugetheilet der hoff zu Randaw mit aller seiner zugehorung, der jehrlich auf 200 Gulden Nutzung angeschlagen.“ Randau hat wieder einen Besitzer.
In einer Urkunde vom 14. Januar 1559 schlichten Andreas von Holzendorf, Domherr zu Magdeburg, und Heinrich von Bila, erzbischöflicher Hofrat, einen Streit zwischen Andreas von Alvensleben zu Randau und Rat und Gemeinde der Stadt Frohse, betreffend einen Werder zwischen Randau und Frohse, dessen Besitzverhältnisse zwar schon vor 89 Jahren geordnet, jetzt aber wegen Länge der Zeit, und weil die Elbe zwischen dem großen und kleinen Werder ausgetrocknet, wieder unsicher geworden seien.
Andreas von Alvensleben ist Anhänger der lutherischen Lehre. Er stirbt am 15. Januar 1565 in Randau und wird in der dortigen Kirche – deren Erbauer er ist – beigesetzt. Aus seiner Ehe mit Maria von Hodenberg stammt nur eine Tochter. Nach einem Vertrag (11. Mai 1565) zwischen der hinterbliebenen Witwe und Tochter und den nächsten Verwandten fällt Randau an Ludolf. Dieser wird sehr erfreut gewesen sein. Denn in einem Verzeichnis aus demselben Jahre heißt es: „Summa aller Schulden vff Vienau, Eichenbarleben und Randau 10048 fl 8 Schill. Lubisch.“ Er verstand jedoch zu wirtschaften. Denn obgleich er für Ankauf neuer Güter nahezu 140 000 Thl. Ausgab und außerdem fünf Töchter mit ansehnlicher Mitgift ausstattete, hinterließ er bei seinem Tode doch ein Allodialvermögen von 150 000 Gulden. [5] Uebrigens hatte Erzbischof Sigismund Ludolfs Gemahlin Bertha von Bartensleben auf Wolfsburg Gut und Dorf Randau „zu rechtem leipgedinge [6] geliehenn“ (4. Dezember 1565). Ueber die Erbfolge finden sich Verträge vom 26. Februar und Mai 1596. Gebhard, Ludolfs ältester Sohn, erhält Randau und bewirtschaftet es gleich diesem sehr einträglich. Er stirbt schon am 22. September 1609. Sein Sohn Kuno wird Besitzer von Randau (Lehnsbrief vom 5. Dezember 1609). Ihm wird das Gut jedoch erst in einem Teilungsvertrag aus dem Jahre 1629 besonders zugeteilt.
Der hohen wirtschaftlichen Blüte Randaus unter Ludolf und Gebhard folgt leider schnell der Niedergang. Die Wirren des dreißigjährigen Krieges gehen mit zermalmendem Fuße über das Dorf hinweg. Im Jahre 1631 wird es von den Magdeburg belagernden kaiserlichen Truppen zerstört.
Das kurz vorher von Kuno erbaute Wohnhaus mit Kapelle, die Pfarrwohnung und das ganze Dorf gehen in Flammen auf. Die Kirche allein überdauert den allgemeinen Untergang. Ueber den Kampf um Magdeburg, soweit er sich auf unserer Insel abspielte, gibt ein kleines Buch7 einige wahrscheinlich zutreffende Punkte: Wolf von Mansfeld griff die Magdeburger von der linken Elbseite her an, während Tilly vermutlich sein Hauptquartier in Westerhüsen hatte. Pappenheim ließ bei Schönebeck eine Brücke schlagen, um die Südschanzen zu bombardieren. Hier waren Trutz-Pappenheim und die Prester Schanzen zu überwinden. Am 9. April fiel nach einer heftigen Kanonade Trutz-Pappenheim in die Hände der Kaiserlichen. Diese Stellung soll sich dort befunden haben, wo sich heute der „Rehberg“ im Gebiete der Kreuzhorst erhebt.
Kuno hatte viel auf Reisen gelebt und viel Geld verbraucht. Auch die Zerstörung Magdeburgs brachte ihm große Verluste. So hinterließ er bei seinem Tode am 13. März 1638 recht umfangreiche Schulden.
Am 6./16. Juli 1632 haben die Vormünder der unmündigen Söhne Gebhards von Alvensleben Rekognition ihrer Mutung [8] am Gute Randau und allen anderen Alvenslebenschen Gütern erhalten. Einen richtigen Besitzer bekommt Randau erst wieder durch einen Teilungsvertrag vom 11. November 1643 in Christian Ernst, einem Neffen Gebhards. Am 20. Oktober 1649 wird er als Lehnsträger bestätigt. Neben ihm scheint noch ein Gebhard, Gebhards Sohn, Anteil an Randau gehabt zu haben (Urkunde vom 24. April 1650). – Ueber diese Zeit heißt es in Ludolf Müllers schon oben erwähnter Arbeit: „Christian Ernst erweiterte Randau, indem er wahrscheinlich durch Kauf von dem Domherrn zu Magdeburg, Johann George von Traubenheim, zehn Viertel Landes, sieben Grafenwiesen und ein Holz, der Fuchsbusch genannt, alles auf der Pöteritzer Feldmark vor Westerhüsen gelegen, zu Erbzins erhielt. Mehr als einmal standen seine Güter nahe vorm Konkurs. Christian Ernst starb am 26. November 1681. Ihm folgte im Besitze von Randau sein einziger Sohn Ludolf. Aus seiner Zeit findet sich ein interessanter Kaufbrief (31. März 1686), welcher zeigt, daß Ludolf selbst bei den Kossaten von Randau Schulden hatte. Er verkauft hierin einer Schuld von 200 Thl. wegen mit Genehmigung seiner Vettern auf Neugattersleben an seinen Gläubiger Hans Blumenthal, Einwohner zu Randau, erblich den zu Heinrich Krügers Ackerhof gehörigen Acker- und Wiesenwachs, der nach des Krügers Tode von seinem Vater Christian Ernst zu Hans Blumenthals Kossatenhofe gelegt war. – Ludolf war ein sehr gewalttätiger und roher Mensch. Fortwährend lag er im Streite mit seinen Vettern, von seiner Frau ließ er sich schon nach acht Wochen wieder scheiden. Ja er trieb es so weit, daß er nach Spandau auf die Festung gebracht wurde und nur gegen eine Kaution von 10 000 Thl. freigelassen wurde.“
Die Prozesse und Geldstrafen kosteten einen großen Teil des Vermögens, so daß Ludolf bei seinem Tode (19. September 1733) seinen Güter sehr vernachlässigt zurückläßt. Rudolf Anton, ein entfernter Verwandter, erhält Randau bei einer Teilung mit seinen Brüdern (19. März 1735). Er ist Großbritannischer Geheimer Staatsminister. Er baut in Randau den Kirchturm und schenkt dazu eine ansehnliche Summe. Schon am 4. August 1737 erfolgt sein Tod. Sein ältester Sohn, gleichfalls Kgl. Großbritannischer Geheimer Staatsminister, erhält das Gut. Ueber ihn schreibt Müller: „Er erbaute in Randau ein neues Wohnhaus nach der Elbe zu, desgleichen verschiedene Wirtschaftsgebäude, einige Arbeitshäuser, eine Holländerei, eine Windmühle, ein Predigerwitwenhaus und einige Kolonistenhäuser. Er starb unvermählt am 16. Mai 1795.“
Das Gut fällt an Gebhard Johann Achaz, eins von den fünfundzwanzig Kindern des Gebhard August. Er nimmt sich des Wohnhauses besonders an. In seine Zeit gehört der Inhalt folgender Bemerkung, die sich in Nummer 35 der „Neujahrsblätter für die Provinz Sachsen (1911)“ findet: Randau nebst Krakau, Prester, Calenberge und Gübs werden am 25. Juni 1808 nachträglich dem Königreich Westfalen einverleibt. In den Dörfern, wahrscheinlich jedoch in Randau nicht, liegen Erekutionstruppen. Hier ist einzufügen, daß Randau bis zum Jahre 1807 vor dem Tilsiter Frieden zur Provinz Magdeburg rechnete. Während des Bestandes des Königreiches Westfalen ist es beim Departement, Distrikt und Kanton Kurmark. In früherer Zeit gehörte es übrigens zum Holzkreis des Herzogtums Magdeburg.
Gebhard Johann Achaz stirbt am 23. April 1840. Doch schon 1830 kommt Randau zur Subhastation. Die beiden Söhne des Besitzers, der Premierleutnant im 6. Kürassierregiment Gebhard Karl Ludolf und der Leutnant in demselben Regiment Karl Herrmann Achaz erstehen das Gut als Alldoium. Ueber die folgenden Jahre schreibt Ludolf Müller: „Am 17. Juli 1834 erwarb letzterer (Karl Hermann Achaz) von Gebhard Karl Ludolf dessen Anteil für 30 500 Thl. Gold und 6000 Thl. Crt. Am 6. Dezember 1850 verkaufte Karl Hermann Achaz von Alvensleben Randau an den Kaufmann Markus Salomon in Gommern, und 1853 gelangte es durch Tausch in die Hände des Regierungs- und Landesökonomierats Lamprecht, der es bis 1863 besaß.“
Laut Kaufvertrag vom 24. Februar 1863 geht das Rittergut dann in den Besitz meines Großvaters Moritz Paul Hennige über.
[1] Cop. 43 f. 110 im Kgl. Staatsarchiv zu Magdeburg. – „Desgleichen eine Urkunde des Herrn und Herzogs Albert von Braunschweig über den Austausch des (fehdegefangenen) Ghero von Randau gegen Jordan und Adelheid, Kinder Heinrichs von Campe.“
[2] Ueber das Haus Alvensleben vergleiche auch die Stammtafel.
[3] Urkundenbuch der Stadt Magdeburg.
[4] Leibzucht ist das einer Witwe zustehende Recht, aus dem Vermögen ihres verstorbenen Mannes gewisse lebenslängliche Renten zu genießen.
[5] Allodium ist freies Grundeigentum im Gegensatz zum bloßen Nutzungseigentum oder Lehen. Allodialvermögen also die gesamte freie, nicht im Lehnsnexus befindliche Habe.
[6] Leibgedinge gleich Leibzucht.
[7] Jh. Justus, In Schutt und Asche.
[8] Mutung ist das Gesuch des Vasallen um Erneuerung der Investitur. Also Rekognition der M.= Anerkennung der Ansprüche.
Teil 4 - Kirche und Pfarre vor dem Dreißigjährigen Krieg
Gar manches Mal, wenn ich nach schwülen Tagen am Abend in des Waldes Schatten mir Erholung suchte und an der Kreuzhorst Rand den letzten Gruß der Sonne fing und lauschte, wie der Vögel Schar im Dickicht ihre letzten Weisen sang – dann scholl herüber plötzlich ferner Glockenklang. Bald traurig ernst, bald froh und hoffend ertönte Randaus Feierabendruf. Manch Herz klang mit. Und manchem sprach der volle Ton ein Wort des Trostes, manchem rief er Glück.
Der Glocken Mund hat mir auch vieles da erzählt. Was selbst erlebt sie hatten und der Vordern inhaltreiches Leben vertrauten sie dem Ohr des Lauschenden. Und wer in Freundschaft Dorf und Kirche zugetan, dem soll es wiederum verkündet sein.
Im zwanzigsten Jahre, nachdem unseres Herrgottes Kanzlei der Raublust kaiserlicher Heere zum Opfer gefallen war, beginnt in dem damals vielleicht hundert Seelen fassenden Pfarrdörfchen der Pastor Johannes Kretschmar Schlacco Werdensis Bohemus ein Kirchenbuch zu schreiben: Die frühesten Aufzeichnungen, die Randau besitzt. Was da schon Älteres überliefert sein mochte, ging bei Zerstörung des Dorfes im Jahre 1631 unter. Zwei Glocken sind dem allgemeinen Verderben entronnen: „In der Kirchen zu Randau, welche bey belägerung der Stadt Magdeburgk Anno 1631 inwendig sehr verderbet worden, also das weder altar noch Predigtstuel geblieben, sindt anitzo vorhanden zwo glocken, eine ohngefehr von zwei oder drithalb Centnern: die andere ein klein Stimmglöcklein.“ Als Kretschmar das schrieb, ahnte er wohl nicht, daß diese kleine Glocke noch über 250 Jahre ihre Stimme im Dienste der Kirche erklingen lassen würde. Erst 1908 machte sie einem Kinde der Neuzeit Platz. Vielleicht hat sie auch schon erlebt, wie Randau sich zur Lehre Luthers bekannte. Das geschah ziemlich früh. Scheinbar als erster seines Geschlechtes trat Andreas von Alvensleben über. Ihn kennt des Dorfes Geschichte als Erbauer einer Kirche. In diesem neuen Hause das Wort Gottes zu verkünden, beruft er als Patron den Johannes Schwanberger:
„Ich Andreas von Alvensleben us Calbe und Randau Erbgesessen, vor mich, meine Erben, Erbnehmer, In Krafft dieses brieffs offentlich thue Kundt und bekenne, daß Ich dem Ehrwürdigen, wohlgelahrten Herrn Johan Schwanbergern daß Pfarr Ambt alhie zu Randau in ieziger vorfallender verledigung hinwieder Zeitseines lebens, Sampt dem Gebrauch und nutzung aller und ieder Zubehörunge, so von alters dem Pfarr Ambt anhengig gewest, gewilligt und versprochen, also daß Er meine unterthanen hirselbst mit verkündigung göttliches worts, auch uberreichung der Sacramenten versehen, undt seine lehr allenthalb der Augspurgischen Confession nachrichten soll, wie Ich daß an ihm keinen Zweifel stellen will. Dagegen will Ich ihn bey aller hergebrachten gerechtig Keiten und einkommen der Pfarr fördern undt schützen helffen, inmassen Er darob ein gut begnügen undt gefallen haben soll, undt will auch mit auch mit fleiß darob sein, daß die Pfarr zum Calenberg welche eine Zeithero in manglung eines prädicanten in andere wege bestellt, wiederumb anhero soll incorporirt undt zugeordnet werden.
Daß er auch meinen geneigten willen in werk ferner erspüren möge, will Ich ihme uber das jenige, so er hirvor zugeordnet hatt, noch zwei wispel Korns versichern lassen, die Er jährlichs in sein gewarsam empfangen mag, deß wird wiederumb erwelter HEr Johan sein Ambt also bestellen, darob Ich mich nicht zu beclagen haben möge. Zu wahrer uhrkundt und sicherheit herunten uf diesen brieff mit eigner handt untergeschrieben, undt mit meinem angebohrnen pitschafft befestigett. Gegeben nach Christi unsers einigen Erlösers und Seligmachers gebuhrt, funffzehen hundertt, undt in acht und funffzigsten Jahre, Montags post purificationis Mariae.“
Die Erhöhung der Einkünfte durch zwei Wispel Korn scheint allen Inhabern der Pfarre Randau große Freude bereitet zu haben. Kretschmar nennt sie „das vornembste Accidens oder vielmehr beste Stück zur Pfarrbesoldung gehörig“. Die Lieferung des Getreides wird durch das Kirchenbuch fast bis 1800 bestätigt. Später wurde die Stiftung abgelöst.
Die Verdienste des Andreas von Alvensleben um Kirche und Dorf wurden von der Gemeinde gebührend gewürdigt. „Er lieget in der kirchen zu Randau bey den altar begraben, wie der leichen oder grabstein ausweiset.“ Dieser gut erhaltene Grabdeckel stand früher in einer Nische der Turmmauer, bis er 1886 im Westeingang seinen Platz fand. Andreas zeigt sich uns in ganzer Gestalt, geharnischt, die Streitaxt in der Rechten. Die Ecken sind durch Wappen verziert. Die Inschrift lautet:
„Anno 1565 de 15 Januarii Ist der Erbare und Ernvheste Andreas vo Alvensleve Christlich gestorben. Got genade der selenn. Amen. Diesē stei hat maria vo hodēberg irē seligē jukerē nachlegē lassē. Also hat godt die welt gelibet das Er seinē Einige Sohn gabe Auf das ale die an ihn glaubē nicht verlorē werdē soder das ewige lebē habē. Johā. 3.“
Bei Gelegenheit der Kirchenrenovierung 1908 wurde der Stein und besonders die Schrift von kundiger Hand ausgebessert und ergänzt, um das Denkmal vor weiterem Verfall zu bewahren. Noch lebte Herr Andreas, da sah das Erzstift Magdeburg die berühmten Tage der ersten lutherischen General-Kirchen-Visitation.
Auch Randau findet sich in den Protokollen:
„Das dorff gehoret andreasen v. aluensleue u. gehet die pfarre v. Ime dem v. aluensleue zu lehen. Den 21. Aprilis (1564) Pres. u. s. Johannes Schwanberger, Pf. zu Randau, seines alters Im 34. J., Ist a. 1554 zu Stendal ordinirt vormuge seines furgelegten Schriftl. Test., hat seine voc. v. andreasen v. aluensleue u. Ist Sechs J. alda Pf. gewesen. Dieser Pf. ist wol gelert u. zu leren gar tuchtig, klagt aber uber das volk, das sie rohe u. gottlose, der halben in ernstl. gesagt, das sie sich bessern sollten.“
Aus diese freundliche Bermerkung folgt eine Uebersicht über das Einkommen des Pfarrers, die der Vollständigkeit halber nicht fehlen soll:
„9 Stucken ackers In der Santbreide, darzu 2 enden Im ziem gehoren, werden vmbs dritte J. mit 1 ½ wsp. Korns besehet; 2 stucke ackers In der mittelbreite, werden besehet mit 6 Schfl. korns; 6 kleine stucken ackers In der alten Marcke werdet besehet mit 5 ½ Schfl. korns; 6 stucken vff der Schleusenbreide werden besahet, wan sie nit brach liegen, mit 18 Schfl. korn, 3 stucken am rauschen Sche mit 10 Schfl., 6 stucken am kulenhagen am Steinforde mit 6 Schfl., 7 stucken vff dem kulenhagen u. 2 stucken hinter de kulenhagen mit 16 Schfl., 2 stucken nach dem bauholtze vff dem berge mit 3 Schfl. korn. 2 wsp. K. Jarl. Pacht bei heine truden zu Estede In der marcke, So vorhin zu einem geistlichen lehne gehoret haben u. Andreas v. aluensleue mit bewilligung seiner Mitbelehnten vettern der pfarren zu Randaw zueigent u. Incorporirt lauts einer vorschreib. a. 1562.
Wischen und grasung: 20 M. grases außerhalb dem Teiche; 1 M. vff der gresung, 2 stucken wischen bey den dienen weiden, 4 stucken In der altenmarcke diesseit dem Querteiche, 4 Stucken Jenseit dem Querteiche; tragen vngeuerl. des Jares 24 fuder hewe. 8 gr. 4 pf. angelde v. Gotsh.; eyer; 1 wurst u. 1 broth aus Jedem hause vffs newe J.; 1 gr. v. kintt.; 2 gr. v. aufb. u. Cop.; 1 gr. v. begr. Inw. des Pf. 2 eis. Kuhe. Sonst nichts.“
Auch „des Gotshauses Einkommen“ finden wir aufgezeichnet:
„Das lütke hilgenbleck an der Elben In der gose lacke, Ist holtz u. grasung; das große hilgenbleck an der Elben, holtz u. grasung; die gresing fur dem lutken hilgenblecke, Ist aufgethan vor 25 gr. Jarl.; die grasung am großen hilgenblecke an der elben, dauor wirdet Jarl. Gegeben 7 baurgr.; 2 grasing Faueln auf der baurgem., dauor gefelt des Jares 10 baurgr,; 1 ½ wischen vff der westerhusischen wischen tragen Jarl. 15 baurgr.; werden dem Gotsh. zu westerhausen Jarl. Mit 4 gr. verzcinset; der weidenwerder am großen hilgenbleck, wirdet vormietet vngeuerl. vmb 2 ½ fl. alle J.; 1 M. grases fur der triefft, dauor krigt der Pf. Jarl. 8 gr. 4 pf. Zu Randaw wohnen 20 hausw.“ )
Auch das Jahr 1583 bringt eine teils lesenswerte Visitationsurkunde mit sich:
„Theodoricus Kuls, Pfarrherr zu Randau, seines alters im 37. Jahre, ist anno 1575 im Thumb zu Magdeburg ordinirt, vermöge seines vorgelegten vorsiegelten Testimonii, hatt seine Voation von dem von Alvensleben und der Gemeinde, und ist nunmehr 8 Jahre alda Pfar Herr gewesen.
Dieser Pfarher ist nicht sonderlich gelert, hatt nicht viel beantworten können, weil er aber in seinem Ambt vleißig und eines unergerlichen Lebens, ist man dies mahl mit im zufrieden gewesen, sonderlich weil Er angelobt die Bibel vleißig zu lesen, dampt der Formula Concordiae. – Zu Randow wohnen 17 hauswirthe und ist noch eine abgebrannte Stedte die nicht gebauet.“
Die nun folgenden Zeiten der Wirren haben fürsorglich dem späteren Beschauer ihr Antlitz verhüllt. Kretschmar hat uns nichts über jene Jahre des Kampfes berichtet, obgleich er doch schon am 10. Mai 1624 die Pfarre übernahm. Nach dem Friedensschlusse setzt seine Berichterstattung aber mit großem Eifer ein. So vertrauen wir auf den nächsten Seiten ganz seiner Führung und wollen von ihm und seinen Nachfolgern hören, was Kirche und Pfarre bis zum Ende den 18. Jahrhunderts erlebt und erlitten.
Teil 5 - Kretschmar
„Darauss so will ich kürzlich erzehlen, wan, wie und von wem Ich, der dieses alles geschrieben, vocieret worden. Nach dem mein Sehliger Vorfahrer Johannes Bosselius Magdeburgensis, welcher Anno 1611, von HochEhrwirdigen, HochEdlen, Gestrengen undt Westen Herrn Cunone von Alvensleben, Domherrn zu Magdeburg, unde uf Calbe und Randau Erbgesessen, zum prediger vociert, und den 18. Juny introduciert worden, selig im Herrn Anno 1623 den 7. Augusti zwischen 8 und 9 uhr vormittag entschlaffen, habe Ich uf begehren der nachgelassenen Wittwen Frau Catharina Nachtigal am Sontage Septuagesima Anno 1624 eine Predigt zu Randau abgelegett, unde weil Ich hie Gottes wunderliche Schickung gespürett, mit predigen fortgefahren, biß Ich auff intercession und commendation des Ehrwürdigen, Groß Achtbaren und Hochgelehrten Herrn Reinhardi Bakii s. s. Theol. Dokt. Unde Dompredigers zu Magdeburgk, so wohl auch auf schriftliche commendation des HochErwürdigen Herrn Rudolphi von B–. damals zu S. Sebastian: iezo aber in hohen Stift Decani, 2c., zur probpredigt admittiret worden, wie Ich dan Anno 1624 Am Sontag Misericorti eine: den Donnerstag hernach aber die andere probpredigt aus dem I. Cor. 15 in gegenwartt unde beysein des HochEhrwürdigen, Hochedlen, Gestrengen unde Wehsten Herrn Cunonis von Alventzleben Canonici Magdeburgensis, und in Calbe unde Randau haeriditarii gehalten, unde von ietzgedachten Herrn die Zusage wegen der Pfarre bekommen, und Sonabendts vor Cantate schrifftlich zum Pfarrer vociert undt beruffen worden. Folgendts den 3 May bin Ich in Dom zu Magdeburgk von dem Ehrwürdigen Ministerio, altz Reinhardo Bakio Dokt. Undt Licentiato Johanne Wintero beiden Dompredigern: desgleichen M. Arnoldo Mengeringo unde Wolfgango Rittern, predigern in der Sudenburgk: desgleichen auch Cunrado Fischero Canonico Lectore in Dom publice examiniret, undt den 4 eiusdem nach Apostolischer weise mit händeauflegung ordiniret: undt den 10 May oder Montags nach Exaudi der Gemeine zu Randau zu ihren Seelsorger vorgestellt worden: da dan bey der Introduction gewesen die Ehrwürdigen, Gros- undt Achtbaren, hoch- unde wohlgelahrten herren Reinhardus Bakius D. undt Domprediger, M. Arnoldus Mengering, Pastor in Suburbio Magdeb. Usculi: Valentinus Langius pastor Cracoviensis et Presteriensis: Salomon Petri Pastor Bechoviensis: und dan an Stat meines hochgeehrten Herrn Patroni Cunonis von Alvensleben Henricus Telamonius Vicarius unde Organist in Dom zu Magdeburgk.
Dieses verhelt sich mit mir also, so wahr als mir Gott helffe, undt meine Testimonia, alß testimonium Vocationis undt testimonium Ordinationis hetten bezeugen können, wen sie nicht neben andern testimoniis, so ich von vornehmer Schuelen Rectoribus, alß M. Michaele Kuhnio Scholae patriae Schlacco Werdensis Rectore, M. Josepho Gözio Scholae Magdeb. Rectore, M. Paulo Müllero Scholae Iglaviensis in Moravia Rectore, M. Johanne Kotzibuvio Scholae Quedlinburgensis Rectore bekommen, in incendio Magdeburgensi Anno 1631 verbrand weren zusamt denen Testimoniis, so Ich in Depositione zu Leipzig Ao 1612, unde in Inscriptione vel Immatriculatione zu Wittenberg Anno 1620 bekommen. Scripsi haec Anno 1651, die 7 Februarii.“
Johannes Kretschmar, Pastor von Randau zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, hat sich somit den Lesern gebührend vorgestellt und wird nun fortlaufend die wichtigeren Ereignisse und Zustände in der Gemeinde berichten. Zunächst noch eine Bemerkung aus dem Jahre 1624, die beredt Zeugnis gibt, mit welch geringem Arbeitslohn die Leute damals zufrieden waren:
„Den Dam, welcher von der mönchspfütze an biß an die Baumgarten breite gehet, ist die Kirchen zu bessern schuldig, inmaßen die Einwohner zu Randau solchen Dam Anno 1624 gebessert dafür, daß sie ein Kurz fas bier von der Kirchen bekommen hatten.“
Die nächste Mitteilung deutet auf den allerdings ziemlich verzögerten Neubau der 1631 zerstörten Pfarre hin:
„Nechst bey dem dorff, nemlich im Göps, stehen etliche eichen beume, zwischen zweyen Dämmen von der Kirchen an diss auff den alten Müllenbergk, so auch der Kirchen gehören, da von itzt Anno 1650 etliche zur erbauung des Pfarhauses verkauffet worden.“
Man glaubt nun eigentlich bald die Nachricht der Vollendung zu finden. Jedoch erst vier Jahre später heißt es:
„Anno 1654 den 6 July bin Ich Johannes Kretschmar anitzo Pfarrer in daß neu erbaute Pfarrhaus, so anno 1650 zu bauen angefangen, unde den 9 Decembris dieses Jahres aufgerichtett worden, eingezogen. Deus custodiat introitum et exitum nostrum!“
Noch in seiner Kriegswohnung oben auf dem Schlosse) des Patrons beginnt Kretschmar also zu schreiben, was uns neuen Menschen jetzt so wichtig und wissenswert erscheint. Die Kirche und ihr von kaiserlichen Scharen stark „mitgenommener“ Besitzt liegt ihm am meisten am Herzen:
„Kirchen-Ornat undt andere mobilia oder bewegliche güter der Kirchen betreffent, sindt anitzo vorhanden ein klein silbern Kelch sampt der patina übergüldet, undt ein zinnern Kelch. Es sindt auch zwey Meßgewandt, eines von Sammet, das andre von Zeug: Item ein Altar tuch von Leinwandt: Undt lieget auf dem Altar die Mantzfeldische Kirchen Agenda, so itzo an statt der Wittenbergischen, welche im vergangenen kriege von den Soldaten geraubet worden, gebrauchet wirdt.“
Randau ist noch heute im glücklichen Besitze des hier erwähnten Abendmahlskelches. Seine Entstehung wird auf die Zeit von 1490 bis 1510 zurückgeführt. Eine prächtige Aufnahme des Herrn Hofphotographen Fendius-Magdeburg führt den Lesern dieses Kleinod unserer Kirche vor. Der weit ausladende Fuß des Kelches ist auf gehämmertem Silber stark vergoldet und zeigt am äußeren Rande ein sorgsam graviertes Ornamentband, das sich unter und über dem Knaufe in breiteren Formen wiederholt. Unter einer segnenden Hand schlingt sich über die Oberfläche des Fußes in malerischen Windungen ein Spruchband mit der lateinischen Inschrift:
Hanc calicem dedit. Dom. Wipr. quam non vendet; orate pro eo et uxore sua Mechtilda
(zu Deutsch:
Diesen Kelch stiftete Herr Wipr. zu unverkäuflichem Eigentum; betet für ihn und seine Gattin Mechtildis.)
In diesem Herrn Wipr. erkennen wir nach einer im Kgl. Staatsarchiv zu Magdeburg vorhandenen Notiz (Wohlbrück A XXIX, 2. Bd., 2, S. 267) wahrscheinlich jenen Wiprecht von Zerbst, dessen Tochter Anna die Gattin Ludolfs von Alvensleben (gest. 1552), also in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Patronatsherrin von Randau war. Den von Ornamentbändern umgebenen Knauf ziert naturalistisches Pflanzenwerk. Das zierliche Gerank ist prächtig erhalten. Am Rande trägt er in goldener Treibarbeit fünf gleichmäßig verteilte Quadrate mit den Symbolen Jesu (Lamm mit Siegesfahne) und der vier Evangelisten (Mensch, Löwe, Stier, Adler), die Vertiefungen sind mit rotem Glasfluß ausgegossen. Ueber dem Fuße erhebt sich die feine, flache, fast biegsame Kuppa aus lauterem Golde. Kein Wunder, daß ein deutsches Museum, dem der Ortspfarrer dieses Juwel zeigte, den Wert des Kunstwerkes schon jetzt auf 3000 Mark schätzte. Wenn auch gesetzliche Bestimmungen einer leichtfertigen Veräußerung von Altertümern seitens der kirchlichen Gemeinde und ihrer Vertreter einen heilsamen Riegel vorschieben, so eröffnet sich doch für unserer an chronischem Geldmangel leidende Kirchenkasse bei einem außerordentlichen Notstande einer hoffentlich fernen Zukunft die begründete Aussicht auf eine ergiebige Einnahmequelle.
Denn wenn Museen schon 3000 Mark für diese kirchliche Seltenheit bieten, werden Liebhaber (–und deren gibt es im In- und Auslande eine große Menge–) leicht ein Mehrfaches dieser Summe zu zahlen gern erbötig sein. Um nicht andere Liebhaber, die das sechste Gebot nicht kennen, in Versuchung zu führen, wird der Kelch in Magdeburg an einem sicheren Ort aufbewahrt.
Heute ist in der Randauer Kirche ein aus dem Jahre 1678 stammender Kelch in Gebrauch, dessen Stiftungsvermerk der Leser weiter unten findet. –Doch nun zurück zum Jahre 1651.
„Folget, was des Pfarrers besoldung und ein Kunfften seindt. Das Pfarrhause sampt dar zu gehöriger Scheune und ställen ist zum theil von Keyserlichen Kriegsvölckern Anno 1631 bey belagerung der Stadt Magdeburgk: zum theil von Schwedischen Völckern biß auf den grundt abgerissen worden, so wohl als andere hauser im Dorffe: darumb der Pfarrer Johannes Kretschmar von Anno 1633 bis Anno 1654 seine Wohnung auf des HochEdlen Junckern Christian Ernst von Alvensleben sehr ruinierten hause gehabt: Es sindt in diesen itztgedachten Jahren die praeparatoria zu aufferbauung eines Pfarrhauses gemacht, wie den dasselbe im ausgang des Jahres ist gerichtet worden.
Des Pfarrers besoldung aber beruhet auf den ackerbau wiesewachs undt hölzung.
Den Acker muß der Pfarrer selbst bestellen, oder umb belohnung bestellen lassen. Es ist aber gar geringer Acker: den etlicher undt zwar der meiste ist sandicht, darauf in langwiriger dürre die Saat leichlich verscheinet, das man kaum das ausgeseete Korn wiederbekömpt: etlicher, so niedrig lieget, ist unbendig, darauf das getreyde versauert, undt mit unkraut bewechset, sonderlich so es viel regnet, wie die erfahrung bezeuget, undt so aller acker zur Pfar gehörig beseet wird, erstrecket sich die auß Saat auf zwey wispel undt 9 Scheffel Schönebeckisches maaßes oder etwas darüber.
Die Wiesen belangendt kan der Pfarrer, so daß gras wohlgereht etlich zwanzig gute fuder heu einsamlen, da doch vor alters die Zahl höher kommen ist.
Bey etlichen Acker undt wiesen stehet auch holz, welches der Pfarrer abhauen zu lassen macht hatt, daß er zu seinem nutzen verkauffen mag jährlich ohne gefehr zwei sechzig bundtholz: das sechzig für 7 Thlr 9gg: daß fuhr- undt holzhauerlohn ausgeschlossen: da doch Anno 1624 undt zu vohr ein Sechzig hat können verkauffet werden für 24 oder 25 thaler, daß fuhr- undt holzhauerlohn mit eingeschlossen. Man gibt aber izunde für ein sechzig bundtholz zu hauen 5 thlr 15 gg an zu führen aber 5 Ethyl.
Andere Accidentia sindt nachfolgende: Von einem schlechten funere bekömpt der Pfarrer 3 gg. So aber ein psalm vor der thür gesungen wirdt 4 gg. So vor dem altar ein kurtzer leich Sermon geschicht 12 gg, undt für den gang undt gesang 6 gg. für eine leichtpredigt 1 thlr, dem gang ausgeschlossen. Von einem Kindttauffen bekömpt der Pfarrer 3 gg, Von eine copulation 12 gg. Item von das aufbieten 5 gg. Wenn es ein frembder, und nicht bauer oder Einwohner ist 1 thlr. Beichtgeld gibt iedes beichtkindt nach seinem vermögen und guten willen 1 gg oder 6 pf.
Ufs neue Jahr undt Ostern gibt ein jeder einwohner 2 gg: Von den beyden Ackerhöffen so sie bewohnet werden gebühret dem Pfarrer 1 brodt und wurst zum neuen jahr: Ein brodt und etliche Eye uf Ostern. Ein hausgenoß gibtt halb so viel als ein Einwohner.
Alle Jahre ufs Osterfest bekömpt der Pfarrer von der kirchen ein new Lägel mit ein maß wein gefüllet, davon muß er soviel wein geben, als ufs fest zur Communion von nöthen ist. (Oder bekömpt dafür 6 gg.)“
Diese Seiten der Überlieferung fanden hier fast ungekürzt Platz, um dem Leser einmal ein leidlich klares Bild von Besoldung und Intraden jener Zeit zu geben. Wie wir sahen, hat der Patronus die Stelle in der Hauptsache mit liegenden Gütern ausgestattet. Nach den Worten des Pastors war das fruchttragende Land allerdings nicht vom besteh ausgewählt. Dass der Pfarrherr neben den Sorgen und Bebauung und Ernte auch geistliche Amtspflichten genug hatte, zeigen die Visitationsprotokolle des Jahres 1651. Wir erfahren, daß er jeden Sonntag in Randau und Pechau – das er ad interim verwaltete – ein Predigt halten mußte. Die Calenberger gingen nach Randau zur Kirche. Calenberge war eine von den drei filiis Randaus, doch war es jetzt gerade von seiner Mutterkirche weggekommen. Kretschmar hatte sich zwar darüber beschwert, aber der Abt von Kloster Berge hatte vorgegeben, er wisse ebenso wenig davon wie der Pfarrer selbst. 1687 findet sich Calenberge dann als filia von Pechau. Heute ist es wieder selbstständig unter dem Patronat des Klosters Berge, doch ist es leicht möglich, daß nach einem Ableben des jetzigen Pastors die Stelle nicht neue besetzt wird, sondern Pastor Randawiensis wieder in professione parochiali eingesetzt wird.
„Anno 1663 sind die Männerstuele gemacht worden, wann ein Todesfall geschicht, muß Ein stuel umb 6 gg wiedergelöset werden. Anno 1677 sind die Weiberstuele mit Consens des Hoch/Edelgebohrnen Hl. Christian Ernst von Alvensleben als Kirchen-Patroni und des Pfarrers von der Kirchen Einnahme gebauet worden; Eine Stelle muß nach dem Todesfall mit 6 gg wieder gelöset werden.
Anno 1675 hat erwehnter Patronus unser Kirchen die Lüneburgische Biebel, Gott zu Ehren und zu seinem gedächtnus, verehret.
Anno 1676 hat die Hochadl. Frau von Alvensleben Ein weißes Altar Tuch: Item Ein blau Taffend Altar Tuch unser Kirchen Gott zu Ehren und zu Ihrem gedächtnus verehret.
Anno 1677 hat die Hochadl. Frau Hauptmannin von Kottwitz Ein blau Taffend Tuch umb den Tauffstein: Item
Anno 1678 Einen Silbernen Kelch sampt der patina, so übergüldet: Imgleichen 2 Rothe Taffende Tücher, so die Kirchväter bey der Communion halten müssen: und Ein weißes Tüchlein, worauf due Kelche gesetzet werden, verehret, Gott vergelte es Ihnen reichlich wieder.“
Noch eine ganze Reihe anderer Stiftungen werden angeführt, die ein gutes Zeugnis für den kirchlichen Sinn und die Opferwilligkeit der Bevölkerung ablegen und vermuten lassen, daß es damals in unserm Kirchlein recht nett ausgesehen hat. Die letzte Eintragung von Kretschmars Hand stammt aus dem Jahre 1683.
Wann er stirbt, ist nicht zu ersehen. Jedenfalls verfügt Christian Ernst von Alvensleben noch bei Lebzeiten des Pfarrers über die Stelle, „da Ihme seine memoria von Tage zu Tage immermehr abnimbt, derselbe auch absonderlich gebethen, weil Er Seinen ampte zu Randau nicht länger vorstehen könte“. Sein Nachfolger bat ihm den Unterhalt zu reichen und tritt erst nach seinem Tode in die vollen Rechte des Pfarrherrn ein.
Fast sechzig Jahre hat Kretschmar seines Amtes bei uns gewaltet, hat die bedeutsame Zeit des dreißigjährigen Krieges in unserer Gemeinde erlebt und nach der allgemeinen Verwüstung an der Aufrichtung aus Schutt und Asche teilgenommen. Das Dorf wird ihm viel zu danken haben. Von dem Gedächtnis der Nachwelt vergessen zu werden, davor bewahrte ihn, was er in fleißigen Stunden heut längst vergilbten Papieren anvertraute.
Teil 6 - Kratzenstein
Akkorde in Moll eröffnen und geleiten diesen Abschnitt. Kretschmar ist tot. Andreas Bürger aus Halberstadt sein für uns ziemlich unbedeutender Nachfolger. Seit 1686 verwaltet -wenn man es so nennen darf – Henning Theophil Matthaei das Pfarramt. „Dieser ist endlich removiret, nachdem er die Pfarre über Jahr und Tag verlassen hat.“ Er hinterläßt uns als trauriges Andenken eine betrübende Nachricht: „In diesen 1687sten jahre auf den andern Pfingsttag ist durch eine entstandene Feuerßbrunst (so vermuthlich von Speckbraten, oder aber daß der Sohn in Rindtorfs hause mit eine Schlüssel Büchse inß Dach geschossen, außkommen) die Pfarrwohnung nebst Scheune und Stelle und drei anderen gemeinen wohnhäusern mit 2 persohnen jämmerlich verbrandt: Welches Ursach, daß in diesem jahre die Communicanty getaufte Verstorbene etc. nicht mögen alle in buche verzeichnet bleiben, und am 1. jahres Tage deß 88sten jahreß abgelesen werden weil daß Kirchen Buch darin solcheß beschrieben war mit verbrandt worden.“
Leider ist dies nicht das einzige Mal, daß uns Schicksals Macht oder Unachtsamkeit und Fahrlässigkeit um manch wichtige Aufzeichnung aus Vorväter Zeit gebracht haben.
So gehen also elf Jahre dahin ohne die nötigste Ordnung, ohne einen tüchtigen beratenden Leiter der Gemeinde. Endlich 1694 rafft sich das Patronat auf, „damit das verledigte Pfar Ampt wieder mit einem tüchtigen subjecto möchte bestellet werden“, und beruft einen Mann, aus rechtem Holz geschnitzt, einen sorgenden und streitbaren Diener des Herrn. „Anno 1694 Dom. 14. P. Trinit. habe Ich, Johann Georg Kratzenstein alhier zu Randau die ProbPrädigt gehalten, darauff von der Wohlgebohrenen Frau Catharina Margaretha von Pfulin die Vocation erhalten, den 20. Sept. ai. 1694 zu Halle in Consistorio examiniret, den 21. Eius ordiniret und den 9ten october introduciret worden; Mein Gott stehe mir bey undt wende nicht von mir seine Gnade in Christo Jesu Amen!“
Von Kratzenstein hören wir zunächst einiges über die innere Einrichtung der Kirche:
„Anno 1699 d. 30. October ist das Wüste Chor (Westchor?) in unserer Kirche aus zubauen angefangen und d. 14. Novembris a. c. verfertiget worden.“ Es schenkten etwas dazu Meister Peter Bodenberg, Peter und Hans Michel, Jürgen Bodenberg und Andreas Hoyer. „Auf diesem Chor hatt die erste Stelle neben dem Schulmeister (1) Hanß Blumenthal (2) Matthiß Alheidt (3) Oßwald Borges (4) Nikolaus Vogt (5) Joachim Borges, deren jeder einen thlr. gegeben. Der abgetheilte Stuel gehöret zu Bösens Hoffe, dafür Böse gegeben 3 thlr.
„Ao. 1699 Dom. 13. P. Trinit. sagt Jacob Rintorff in gegenwart Bartholomeus Bösens, Andreas Kretschmars, und Christian Vogts auf sein Gewissen aus, daß bey theilung der Weiberstühle der erste und vorderste zu der Pfarre geleget, die andern beyden aber dem Adelichen Hoffe blieben seyn, zur Nachricht.“
Doch den trockenen Ton und Ernst dieses Kapitels würze auch einmal ein frischer Humor:
„Anno 1699 In der fastnachts Woche von 20. bis 23. Febr. inclus. Ist der Pallisaten Zaun von den Kirchhoff an die Gasse von Kirchhoffthor bis an des Schulmeisters Hauß gesezzet durch Christian Vogten p. t. Kirchv. und Jürgen Hoyern. Das Holz Ist dem Kirchenholze auf Kosten der Kirche gehauen worden; der alte Zaun ist nach und Nach gestohlen worden; Ein jeder nehme das seine wohl in acht; man greift hier gerne zu.“
Weit reizvoller ist eine entrüstete Abhandlung über „die Mahlzeit auf die hohen Fest Tage“:
„Wie pag 9 et 10 zu ersehen, daß der Autor dieses Kirchen Buches durch unterschiedliche recommendationes Ein herlich Zeugniß seiner dexterität bey gebracht, so ist auch seine Nachricht , die er in diesem Kirchen Buche, als Ein rechtschaffender Mann hinterlassen, wohl zu attendiren.
Die Mahlzeit auf die hohen Fest-Tage, so der Prediger Finit. Conc. Haben sollte, ist zwar bisher nicht gegeben worden, doch kan sie nicht geweigert werden, wan sie sollte begehret werden, wie wohl es rühmlicher wäre, daß man den Prediger selbst dazu invitierte, den sich sonsten Ein Prediger wohl bedenkt, daß Er von Einem mit wiederwillen Eine Mahlzeit begehren solte, bisher hätte es der Pachter des Adel. Hauses Meister Peter Bodenberg als Ein reicher Mann wohl thun können, und würde Ihm wenig Schaden gethan haben, wan Er jährlich seinen Beicht-Vater Ein paar Mahlzeiten gegeben hätte, wirdts hinkünfftig geschehen, so soll es zu steten Ruhm ferner notiret werden, solte es aber etwa per mandatum Consistorii wieder Eingeführet werden, so würde es um so weniger rühmlich sein. not. Ao. 1702 d. 27. Martii.
Ao. 1704 habe ich an den Herrn von Walchhausen geschrieiben wegen der bey meiner Zeit restirenden Mahlzeiten von 10 Jahren, 15 rh. liquidiert, und daß solche künftig gewehret würden ansuchung gethan; ob nun wohl darauf noch nichts erfolget, so habe Ich doch himit meinen Herren Sucessores in professione erhalten wollen, solche Mahlzeit zu fordern, die ihnen auch, wenn es ferner gesuchet wird, abgesprochen werden.“
Bedauerlicherweise schließt jetzt Kratzenstein seine Aufzeichnungen:
„Anno 1708 d. 16. Martii habe ich, Johann Georg Kratzenstein, valediziert, nach dem Ich mich zu dem Königl. Preuß. Und Anhalt dessauischen Regiment in italien zum Feld prediger bestellen lassen. Gott bewahre meinen Gemeinde vor allen gefährlichen Zufällen Leibes und der Seelen, Segne Sie mit zeitlichen und himmlischen gütern, versorge Sie wieder mit einem lehrer nach seinem Herzen, der sie leite nach Gottes Recht, daß Sie mit Ehren aufgenommen, und ewig Seelig werden. Mein Gott gedenke auch meiner in besten!“
Harmlos klingt dieser Satz. Was Kratzenstein hier nicht sagt, schreibt er jedoch an das Konsistorium. Da spricht er von Randau, wo er sich hat „kümmerlich durchbringen müssen, und was auch am meisten gekränket, so gar wenige Handreichung von denen sogenannten Patronen genießen können.“ So will er denn lieber den Dienst im Felde verrichten, „denn ich kann mich nicht persuediren lassen, daß mir ein härter tractament könne gebothen werden, als ich hiesiges orts genossen, davon mir ein gut theil mit auf den weg gegeben, aber dagegen auch nicht ein geringes gemüthe herzlicher Seuffzer zurückgelassen worden, in massen, das ich bey meinen Antritt, auf boden, in Scheuer und Ställen, auf Wiesen und Acker das geringste nicht gefunden, meine bisher geneigten Patroni nicht zu fördern seyn, daß ich dem Successori 1 Wispel Ackern, und an wiese wachs und holz bey 20 rthlr. Wehrt stehen lasssen, sondern über dieß mich so nacket aus zu zihen gedenken, daß ich auch, ob ich gleich meine meisten mobilia verkaufet, dennoch meine Creditores nicht befriedigen kan, da ich doch wie der bekante Zustand des Ortes bezeugen kan, nohtwendig öffteres leihen und borgen müssen, wenn ich mir und den Meinen nohtdürfftigen unterhalt schaffen wollen, Ich wolte mehr davon eröffnen, allein das so viele Falschheit an denen izigen Patronen erkante Herz ist gleich izo so beklemmet, daß Ich zu weitläuffiger Vorstellung nicht capabel bin.“
(Kgl. Staatsarchiv zu Magdeburg, Rep. A. 12. Spec. Randau I.)
Der Zeit des Aufblühens unter Kretschmar sind somit schnell die Jahre der Gleichgültigkeit gefolgt, Jahre, die dem Chronisten ebenso wenig Freude bereiten wie denen, welche in ihnen und unter ihnen zu leiden hatten. Das nächste Vierteljahrhundert wird von den Pastoren Linde, Vogel, Becker und Solbrig ausgefüllt. Sie haben durch nichts versucht, sich unsere Gunst zu erwerben.
Wie der stete Wechsel zwischen Tag und Nacht, zwischen Winter und Sommer muten uns Werke und Persönlichkeiten der Pfarrherren an. Nach den rauhen Stürmen des großen Krieges sie wärmende Sonne, die alles wieder wachsen und neu erstehen läßt.
Nach trägen Julitagen eine letztes, trügendes Aufleben, und ohne Verstehen für die Pracht des Sommers zerzaust der Herbst das Geschaffene wieder und bahnt dem Winter das Feld für gleichmäßige Oede und Leere. Bis einst ein neuer Frühling den erwachenden Fluren lacht und mit seinem fröhlichen Singen und Klingen auch in den Herzen der Menschen wonnigen Wiederhall weckt.
Teil 7 - Münnich
Der Frühling kam. Lenz und Sommer leuchteten wieder. Ein neues Gestirn erstand uns, das Morgen und Abend jeder Zeit sah, da Friedrich der Große die Größe Preußens festigte in harten Kämpfen gegen den neidischen brüderlichen Nachbar.
Johann Samuel Münnich aus Belleben tritt im Jahre 1733 in den Dienst der Gemeinde Randau, der er nun über vierzig Sommer in treuer Arbeit und fürsorglichem Schaffen angehört. Er ist der letzte jener fleißigen Männer, die dem Kirchenbuche von Leben und Leiden der ihnen anvertrauten Bevölkerung erzählten. Nach seinem Tode müssen wir uns mit trockenen Zahlen begnügen.
Pastor Münnich gibt uns besonders einige wichtige Mitteilungen über den Ausbau und die Ausschmückung der Kirche. Wie erinnerlich, wurde ein Gotteshaus von Andreas von Alvensleben im Jahre 1558 erbaut. Sein Aussehen ist unbekannt. Wahrscheinlich stand das Hauptgebäude noch im Jahre 1735 auf denselben Grundmauern wie das alte. Innerlich war die Kirche bei Zerstörung des Dorfes 1631 stark verwüstet worden. Ein etwa schon vorhandener Turm wird der Vernichtung kaum entgangen sein. Das eigentliche Kirchenschiff wurde nun nach und nach wieder aufgebaut oder ausgebessert. Zu einem Turm fehlten wohl die Mittel, und so errichtete man ihn erst jetzt:
„Anno 1735 ist der Kirchenthurm auf die Kirche gesezet, welcher auf 200 rh. Gekostet, ohne das Holz welches aus dem Kirchen Holze genommen wurde. Patronus, der Geh. Staats Rath Anton Rudolph von Alvensleben, schenkete anfängl. dazu 30 rh., die Gemeine mußte 50 rh. Auf die Kirchen-wiesen Pacht vorschießen, das übrige trug das Kirchen aerarium und da das nicht zureichete, wurde das übrige von den 200 rh. Genommen, welcher gedachter Patronus bey seinem absterben der Kirche legiert. Es ist gottlob bey diesem gefährl. Bau niemand zu Schaden gekommen. In dem Knopf wurde in einem blechernen Kästlein, eine von zeitigen Pastore Johann Samuel Münnichen verfertigte Nachricht geschrieben beygeleget, worinnen nicht allein von dem Zustande dieser Gemeine, mit Meldung aller Menschen namentl., die damahls hier gelebet, sondern auch von dem zeitigen statu ecclesiasstico politico und oeconomico fruchtbaren und unfruchtbarren Zeiten, Ueberschwemmungen, Hagel Schaden u. d. g. hiesiges orts und Landes umher Anzeige geschiehet. Es wurden auch verschiedene Münzen, welche in hiesigem Lande gang und gebe waren, theils von der Gemeine, theils von Fremden mit hinein geleget. Nach vollbrachten Bau wurde eine Predigt aus I. Reg. VIII, 28-30 Gott zum Preise gehalten. Gott erfülle was damahls gewünschet worden.“
Dieser Turm wird später in einer Notiz des Jahres 1849 nochmals erwähnt, und wir erfahren auch einiges über ihn:
„In früheren Zeiten hatte die Kirche einen 70 Fuß hohen hölzernen Turm mit einer Spitze, welcher teils auf der Balkenlage mit einer Seite auf der 4 Fuß starken Giebelmauer der Abendseite stand.“
Im Jahre 1738 gab es zu dem neuen Kirchturm auch eine neue Uhr. Außer der Kirchenkasse haben sich 58 Stifter an der Deckung der Anschaffungskosten beteiligt.
Die nächste Eintragung des Pastors ist mehr kirchenpolitischer Art:
„Anno 1738 wurden denen Predigern bey Strafe der Cassation von Königl. Majestät in Preußen Friedr. Wilh. Anbefohlen, die Collecten, den Seegen, die Evangelia und Worte der Einsetzung nicht mehr zu singen, sondern zu lesen, auch die Lichter von den Altären, die Priester Röcke Meßgewand pp abzuschaffen. Es wurde auch in ganzen Lande eine general Visitation durch den Praesidenten Reichenbachen bey denen Predigern gehalten, welches mit hiesiger inspection in Dohm zu Magdeb. in gegenwart unzähliger Menge Volks öffentl. Geschehen, dabey mancher rechtschaffender Prediger einen harten Stand hatte, manche Schuldige aber gingen frey aus. Verschiedene ließen sich lieber absezen als daß sie das Singen unterlassen wolten.“
„Anno 1740 starb der König Friedrich Wilhelm an der Wassersucht d. 31. Maji und der Kronprinz Friedrich wurde d. 2ten Aug. gehuldiget. In der Dohm Kirche zu Magdeb. wurde zu dem Ende eine Huldigungspredigt gehalten, bey welcher wieder abgesungen, Lichter aufm Altar gesezet, Priester Röcke angezogen, und alle Ceremonii wieder hergestellet, die kurz zu vor verboten wurden, so daß sie ein jeder bey zu behalten oder weg zu lassen Freyheit hatte. Dieser Befehl wurde uns bald darauf auch communicieret, und ist in unserer Kirche Dom VIII. Trinit. auch wieder der Anfang gemachet worden mit Absingen, Lichter aufm Altare anzünden u. d. g. nach dem solches 3 ganzer Jahre vorher hatte unterbleiben müssen. Gott stehet immer noch seiner Kirche bey.“
Hiermit schließen zunächst die Aufzeichnungen. Auf der nächsten beschriebenen Seite beginnen die Rechnungen der Kirchenkasse unter der Ueberschrift: „Einnahme der Kirchen zu Randaw Vor Zeiten zu unser lieben Frauen genannt.“ Woher diese Benennung stammt, ist nicht zu ersehen. Sie findet sich nur hier. Auch der an anderer Stelle erwähnte Name Sophien-Kirche wird nicht weiter erklärt, doch kann als sicher gelten, daß er auf eine Patronatsherrin Sophie von Alvensleben zurückzuführen ist.
Hundertundachtzig Doppelseiten des Kirchenbuches dürfen wir jetzt fast ganz überschlagen. Nur eine ganz lustige Plänkelei fällt beim Durchblättern in die Augen. Da steht nämlich ein paar Mal die Bemerkung: „Zum wein und besen 2gg 6 pf. Zum wein und glockenfett 3 gg 6 pf. Zum wein, oblaten und glockenfettt 4 gg.“ Darunter die Worte eines entrüsteten Seelsorgers: „Ein schlechter Verstand vom Prediger, der Wein, oblaten und Klockenfet zusammen setzt.“ Worauf ein anderer erwidert: „Der Verstand ist auch schlecht sich über unschuldige Sachen der verstorbenen Vorfahren zu monieren.“
Nach langen Zahlenreihen taucht endlich wieder ein Abschnitt „Memorabilia“ auf, der die Bemerkungen über den Ausbau der Kirche fortsetzt.
„Anno 1746 Wurde die ganze Kirche, die zuvor mit allerley gemählden gezieret war, durch und durch inwendig renoviret, Kanzel, welche sonsten erhöhet stande und altar, nebst dem Herrschaftl. Stule, wie auch die sämtl. andern Kirch Stühle, und communicanten Stühle neue gemacht, wie auch eine neue Sacristey erbauet. Der Patronus hat nebst seinem Stuhle, vor sich nichts weiter behalten, als die nächsten 3 Weiber Stühle, und die Abseite hinter seinem Stuhle, vor seine bedienten, Knechte und Mägde, die übrigen sollen alle der Kirchen zum besten verlöset werden, außer der vergitterte Stuhl vor der Sacristey, vor des Predigers Kinder und Freunde wie auch dessen und des Schulmeisters Weiberstühle.“
„Anno 1743 ist die alte Orgel von Gottersleben reparirt und hierher gesetzt worden, wovor der Orgelmacher Hartman 260 rh. bekommen. d. 14. Jul. das erste mahl gespielet.“
„Dad samtene Altar Tuch hat Patronus von Hannover geschicket und der Kirche verehret. Des Försters Degeners Hof aber hat den Taufstein bekleidet, und Joh. Mich. Koch den neuen geschenket.“
So bieten sich in diesen Sätzen noch einige Bausteine, die das Bild unseres Gotteshauses aus der Mitte des 18. Jahrhunderts vervollständigen. Die Seiten des Kirchenbuches schließen jetzt ihren papierenen Mund. Nur Zahlen sprechen noch zu uns und die sagen uns selten viel Interessantes. Vielleicht die eine, daß Münnich in seiner 41 jährigen Amtstätigkeit in Randau 349 Kinder getauft hat, daß also mehr als zwei Generationen neben ihm dahingestorben sind. Denn 1789 zählte Randau 142 Seelen.
Am 2. November 1774 ruft der Tod ihn von seinem irdischen Dienst ab. Seine Ruhestätte schmückt die Außenseite der Kirche. Sein Grabstein – in die Wand eingelassen – gibt dort Kunde, von seinem Leben:
„Alhier ruhen und hoffen auf einer frölichen Auferstehung zwei Eheleute der Hochwohl/Ehrwürdige u. Hochgelahrte Herr Johann Samuel Münnich weil. Herrn Mag. Joh. Andr. Münnichs Treufleissigen Pastoris zu Belleben in Magdeb. dritter Sohn, von welchen Er daselbst 1701 d. 10. Jul geb. Studirete zu Quedlinburg u. Halle, wurde beruffen zum Con-Rectore nach Calbe an der Saale 1725 d. 18ten Apr. Zum Schloß Prediger daselbst 1730 d. 7. Jan. Zum Pastore hieher nach Randau d. 26. Jun. 1733. Und die Hoch/Edle und Tugendbelobte Fr. Maria Sophia Bornemannin weil. Herrn Heinrich Jeremias Bornemanns, best Meritirt gewesenen Diaconi in Schönebeck Tochter. Beyde verheyrateten sich Ao. 1737 d. 7. May. Erzeugeten mit einander in einer dauerhaften Und gesegneten Ehe 10 Söhne und Töchter wovon 6 Söhne und 1 Tochter ihnen in die ewigkeit voran gegangen. Er starb 1774 d. 12. Nov. Seines Alters 73 Jahre 4 Mon. 3 Tage. Sie starb 1782 d. 8 Nov. Ihres Alters 62 Jahre 10 Mon. 3 Tage.“
In schweren Zeiten ist Münnich ein wackerer Kämpe für Kirche und Dorf gewesen. Am Abend einen Weltabschnittes tätig, erlebt er nicht mehr die tiefe Umwälzung und die aus den Trümmern der Revolution erstehende neue Zeit. Und gleich wie jetzt im großen so manches anders wird, auch bei uns im entlegenen Dorf bricht nach kurzer Nacht das Licht eines neuen Tages an.
Teil 8 - Patronatsverhältnisse um 1700
Ehe wir die Schwelle des 19. Jahrhunderts überschreiten, bleibt uns noch die Aufgabe einmal die etwas verwickelten Patronatsverhältnisse zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu betrachten. Vielleicht ist dem Leser schon der Name von Pfuhl und von Walchhausen in Verbindung mit dem Vocationsrecht aufgefallen. In den alten Lehnsbriefen sind die Gerechtsame eines Patrons der Kirche zu Randau immer mit dem Besitz des Rittergutes verbunden. Bei der Präsentation des Pastors Henning Theophil Matthaei im Jahre 1686 erwähnt Ludolf von Alvensleben nun zufällig sein jus patronatus. Die Regierung antwortet umgehend, die Gemeinde müsse die Vocation mit ausfertigen. Ludolf weist sofort sein Recht nach und bekommt als Entgelt dafür vom Kurfürsten einen starken Verweis, daß er einer Frau einen Erlaubnisschein zur Heirat ausgestellt hatte, obgleich der Tod des ersten Mannes nicht genügend bescheinigt war. „Du wollest hin füro bey Ausstellung sothaner Scheine behutsamer gehen und jegliche ärgerliche und straffbaren Dine verhüten helffen.“ Doch noch befand sich Ludolf im Besitze des juris patronatus. Anders, als Matthaei gestorben war. Da lesen wir in den Akten des Magdeburger Staats-Archivs *) einen Brief an das Kurfürstlich Brandenburgische Konsistorium vom 13. Juni 1694:
„Es sind nunmehro 8 Wochen, daß der Pfarrer zu Randau, Henning Theophilus Matthaei, sich von dann weg gewendet, ohne daß man weiß, wohin er gekommen. Alß denn die von ihm Selbst also ledig gemachte Pfarr Stelle nothwendig zuersetzen seyn will, E. Excell. und Unsern Hochgeehrten Herrn auch vorhin nicht unbekandt, was für viele Verdrüßlichkeiten die Unterthanen zu Randau mit dem Prediger Matthaei gehabt, daß er offters in vielen Wochen den Gottesdienst nicht abgehalten, besondern seine anvertraute gemeine und Seelen Kinder in der Irre gleichsam gelassen; So vernehmen Wir auch, was massen Herr Ludolf von Alvensleben alß Lehen- undt Gerichts Herr zu gedachten Randau sich dieserhalben bereits solle moviret und E. Excell. und Unsern Hochgeehrten Herren angesuchet haben, Sie dem von ihm praesentirteb die Canzel zu einer Proben Predigt eröfnen zulassen, resolviren wolten. Alleine wie der von Alvensleben sich dießfallß eines Dinges angemaßet, daß ihm de praesenti nicht zustehet. So belieben E. Excell. und Unsere Hochgeehrten Herren auch aus dem Anschluß zuersehen, Wasmaßen Wir in das Guth Randau in abgewichenen Jahre Schulden halber immittiret, und unß das Pfarr Lehe nicht angewiesen und übergeben worden. Wir wollen dem nach wieder des von Alvensleben ungebührliches Beginnen nicht alleine feyerlichst hierdurch protestiren, besondern Wir praesentiren hiermit auch Krafft unseres Immission-Rechtes zu solcher vacirenden Pfarrstelle, Herrn Johann George Kratzenstein, s. s. Theolog. Studiosum in Magdeburg, so bishero in der Peterskirche daselbst die Nachmittags Predigten verrichtet; Und ersuchen Euer Excell. und unsere Hochgeehrten Herrn dienstlichst, Sie wollen hochgeneigt dem Herrn Inspectori des orths committiren, daß er nebst uns ermelten Kratzensteinen die Canzel zu Randau zur Ablegung einer Probpredigt förderlichst eröffnen und die Eingepfarrten demnechst mit Befragen solle, ob die bey seiner Lehre Leben und Wandel ichtwas zu erinnern, damit davon auf weiter geschehen könne, was der Sachen nothwendigkeit erfordert, die Wir dafür
E. Excell p. p.
Catharina Margaretha von P(h)uhl
Adam Günther von Löben
Jobst Albrecht von Walchhausen.”
Das war so zugegangen. In einem Spezialkommissions-Termin vom 16. November 1693 waren „Frau von P(h)uhl und Konsorten“ für eine Schuldforderung an den von Alvensleben von 3000 Thl. Kapital, 3000 Thl. Zinsen davon, 20 Thl. Strafgelder und 48 Thl. 16 gg damals verursachter Unkosten in „das zum objecto Executionis angegebene guth Randau, auch allen und jeden dessen pertinentien und Ackerbau, Wiesenwachs holtz- Vieh und Schafferey Nutzungen, Gerichtsbarkeit, Pfarr Lehen. Jagten und Fischereyen, Lehenn, Zinsen, Diensten, Schoß- und Stromgeldern, nichts davon ausgeschlossen, nunmehro würklich immittiret, daß wir nicht allein die Sämbtlichen Unerthanen zu Randau, zur gebührenden parition und Abgebung ihrer Schuldigen gefälle an die Frau von Pfuhl, auch Ihren, Ihnen zugleich vorgestelleten gerichtshalter, Herrn Johann Schwedlern, Accis Directorn in Frohse, abgestelleten handgelöbnisse, willigst und gehorsambst anerklähret, Besondern Ihnen der Frau von P(h)uhl und Consorten auch die gewöhnlichen Signa an Einem, aus dem Alvenslebischen Thor Wege zu Randau ausgeschnittenen und einen aus der Holtzung von einen Eichbaume abgehauenen Spaan, einem Stückgen ausgestochenen Rasen aus den wiesen, sambt einer hand voll Erden von denen Aeckern in vom verae et realis Immissionis eingeliefert und übergeben.“
Am 19. September 1694 protestiert Ludolf endlich beim Konsistorium gegen dieses Recht der Pfuhlin. Auch habe er gegen Person, Lehre und Wandel des präsentierten Predigers Erhebliches genug einzuwenden. Er habe das jus patronatus der von Pfuhl niemals zuerkannt. Schon am folgenden Tage erhält er den abschlägigen Bescheid. Die Pfuhlin sei gerichtlich immittiert. Seit 1693 ist also die Familie von Pfuhl im rechtmäßigen Besitze des Rittergutes Randau mit allen zugehörigen Rechten und Gerechtsamen. So ist die Vocation des Pfarrers Linde unterzeichnet mit „Jobst Albrecht von Walchhausen, In Vormundschaft der Sämbtl. Pfuhlischen Herren Erben“. Vogels Berufungsurkunde enthält die Unterschriften
„Adam Heinrich von Phuel,
vor mich und im Nahmen der übrigen Pfulischen Erben –
Anna Catharina von Phuel, Witbe von Walchhausen, v
or mich und in Vormundschafft meiner Kinder.“
Becker endlich wird vociert von
„Anna Catharina von Phuel witbe von Walchhausen,
Vor mich und in Vollmacht der Phuelischen und Walchhausischen Erben“.
Jetzt wird es jedoch Ludolf von Alvensleben zu viel. Er erhebt zunächst unter dem 10. Juli 1715 von Magdeburg aus Einspruch beim Konsistorium gegen das Vorgehen der Phuelischen Erben. Wenn überhaupt die Immission zu Recht erfolgt sei, so wäre sie nach den Rechnungsbelegen jetzt längst erloschen. Denn die Immittierten hätten schon 23 600 Thl. aus dem Gute gewonnen, während ihnen doch nach den Akten nicht halb so viel – nämlich 11 000 Thl. – zuständen. Ein königliches Dekret weist ihn wiederum ab, bis er eine genaue Abrechnung eingereicht habe. Nach einigen Jahren scheint er dann endlich zu seinem Recht gekommen zu sein. Die Phuelschen Erben werden exmittiert. Der Pfarrer Johann Melchior Becker wird nach Eisleben versetzt, und am 20. Januar 1724 kann Ludolf von Alvensleben beruhigt den Rektor der Schule zu Seehausen, Andreas Julius Solbrig, zum Pfarramt von Randau präsentieren.
*) Rep. A 12 Special Randau 1.
Teil 9 - Kirchbau
Unten in des Deutschen Reiches südlichen Landen feiert der Bauer alljährlich seine Kirchweih. „Kirta“ nennt er’s. Es ist ihm ein Erinnerungsfest an die Einweihung seines Dorfkirchleins, und das ganze Völkchen des Ortes und der umliegenden Gemeinden verleiht durch reges Mitfeiern dem Tag eine besondere Bedeutung. Ursprünglich gab es natürlich nur bei Einweihung oder Wiedereinweihung des Gotteshauses eine Kirmes, doch brauchte der südliche Charakter öfter ein solches Volksfest und schuf sich so die jährlich wiederkehrenden Erinnerungstage.
Bei uns in Randau hätte man im 19. Jahrhundert oft genug Kirchweih in des Wortes erster Bedeutung feiern können. In was für einem baulichen Zustande die Kirche zunächst war, und wie merkwürdig Bau und Ausbesserung betrieben wurden, ist kaum glaublich. Da taucht 1801 der Plan auf etwas für die Erneuerung des Gotteshauses zu tun. 1807 findet sich auch schon der erste Kostenanschlag. 1811 scheint es höchste Zeit zu sein. Denn – wie der Superintendent Rathmann an die Regierung berichtet – ist der Turm aus seiner senkrechten Stellung gewichen. Auch müsse das Gebäude erweitert werden. Vom März 1812 stammt die Bemerkung, daß der Kirchenpatron von Alvensleben keine Notiz vom Kirchenbau nähme, daß Reparatur und Erweiterung aber nicht länger hinausgeschoben werden könnten. So soll denn der Departementsbaumeister die Vorbereitungen in die Hand nehmen. So viel sich dann ermitteln läßt, ist dieser Erneuerungsbau endlich 1821 vorgenommen. Der Turm wird ganz neu aufgeführt und zwar über der Kanzel an der Ostseite. Das Uebrige wird erweitert und mit dem nötigen Licht versehen. Man nimmt eigentlich an, daß dies eine Weile vorgehalten haben könne. Dem widerspricht eine Rechnung eines Zimmermeisters vom 15. März 1833, in der es heißt: „Bei Abbruch der alten und Wiederaufbau der neuen Kirche zu Randau ward es nötig, daß ein Wächter 24 Wochen angestellt wurde.“ All das fällt in die Amtszeit des Pastors Wilhelm Theune, der von 1784 bis 1837 in Randau das Wort Gottes verkündete. Auch er liegt mit seinen beiden Frauen bei der Kirche begraben, und noch heute künden die drei Grabsteine ihre Namen.
Theunes Nachfolger Flacke erlebt auch so einiges mit der Kirche. Eine Visitation vom 7. Dezember 1845 ergibt die Schadhaftigkeit des Turmes und Daches, welches in Menge Schnee- und Regenwasser durchläßt. Vier Jahre später sind die Anschläge da. Doch 1849 ist schon ein richtiger Bauplan entworfen, und der Patron Amtsmann Bachmann ist auch mit dem Umbau einverstanden. Am 6. September 1849 reicht der Bauinspektor einen interessanten Bericht über die Kirche ein, in dem wir unter anderem lesen:
„Der Turm der Kirche zu Randau ist aus der Altarnische einer älteren Kirche in der Art gebildet, daß drei Mauern derselben beibehalten, der halbrunde Abschluß aber abgebrochen wurde, wofür eine gerade Mauer aufgeführt worden ist. – Was den Stil anbetrifft, so ist die ältere Kirche, welche wahrscheinlich byzantinische Motive enthielt, vollständig romanisiert worden. Schwere Gesimse scheinen die kleine Kirche erdrücken zu wollen. Der Turm reicht nicht über das Kirchendach hinaus, ist flach abgedeckt. Es sind daher auch weder die Glocken im Dorfe zu hören, noch die Zifferblätter zu sehen. Altar und Kanzel stehen zwar richtig orientiert, der Sitte entgegen aber vor und unter dem Turme. Es ist leicht zu erachten, daß durch diese Umformung der christ-kirchliche Charakter des Gebäudes gänzlich verloren gegangen ist, auch das Klima hat sich mit den flachen Konstruktionen und weit ausladenden Gesimsen nicht befreunden können und den neuen Turmaufbau so gründlich zerstört, daß eine Hauptreparatur notwendig geworden ist, auch die Glocken schon herunter genommen und auf dem Kirchhofe aufgestellt werden mußten.“
Der Friedhof lag früher neben der Kirche, wo sich heute der Pfarrgarten befindet. Verschiedene Funde deuten darauf hin. 1849 fanden die Beerdigungen wohl schon außerhalb des Dorfes statt.
Also 1821, 1833 und 1850 sind die drei Kirchweihjahre aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Die Arbeit des letzten Baues war besser und haltbarer ausgeführt, so daß nach den unruhigen Jahres der Bausorgen eine Zeit der Stille eintrat. Auch Paul Hennige senior hatte in den ersten zwanzig Jahren seines Besitzes diese Quellen des Aergers nicht zu fürchten. Mit Pastor Freyer ist Ruhe in das Pfarrhaus eingezogen, die nur von Zeit zu Zeit durch Kindergeschrei unterbrochen wird. Zu Münnichs Zeit würde man gesagt haben: Er erzeugete in einer dauerhaften und gesegneten Ehe 21 Kinder.
Am 1. Februar 1885 tritt an seine Stelle Berthold Gutsche. Sein körperliches Befinden und mancherlei Sorgen hinderten ihn an der Ausführung seiner guten Pläne: Kinderbewahranstalt, Darlehnskasse, Einrichtung von Eltern- und Familienabenden. Auch stand ihm hindernd im Wege, daß er nicht recht in und mit der Gemeinde lebte, sondern einsam und abgeschlossen. Am 1. Oktober 1905 tritt er in den Ruhestand. Sein eigenstes Werk ist die Gründung einer Schulsparkasse, die bis zum heutigen Tage einen außerordentlichen Aufschwung genommen hat und ihrem Schöpfer die stete Dankbarkeit der Randauer sichert. Seine Amtszeit bringt noch eine Neuerungen am und im Gebäude der Kirche. Im Jahre 1886 wird der Turm und Schiff abgeputzt, das Innere mit schwarz-weißen Fliesen belegt. Gleichzeitig errichtet man einen Vorbau am Westeingang, in dem jetzt der Stein des Ritters von Alvensleben Platz findet. Die Arbeiten werden zum erstenmal von der Magdeburger Bau- und Kreditbank ausgeführt, die sich seitdem oftmals in den Dienst einer Verschönerung des Randauer Bildes gestellt hat. 1884 hatte der Patron eine neue Orgel geschenkt, die am Palmsonntag zum erstenmal ihre Stimme zur Ehre Gottes ertönen ließ.
Vieles, was Gutsche Gutes geplant, findet seine Verwirklichung unter seinem Nachfolger Otto Lobitz. Der Geist des 20. Jahrhunderts zieht auch durch unsere kleine Gemeinde und kommt zum Ausdruck in so manchem, was durch des Seelsorgers vermittelnde Hand auf sozialem Gebiete nutzbringend zur Tat wird. Doch wir wollen vorerst noch nicht unser Ziel aus den Augen verlieren, sondern unsere Aufmerksamkeit dem Kirchbau seit der Wende des Jahrhunderts widmen.
Große Jahre – 1908 und 1911! Wir dünken sie wertvoll und wichtig. Wer die Veränderungen mit erlebte, wer Zeuge war, mit welchem Eifer und welcher Liebe jeder vom Aeltesten bis zum Jüngsten, vom Patron und Bauherrn bis zum Maurer zum Besten tätig war, der ahnt, daß hier ein unvergeßlicher Baustein war, der eine Lücke zwischen Gut und Dorf, zwischen Arbeitgeber und -nehmer füllte. Das schlichte, liebe Kirchlein war es, das die Herzen aller einte in dem Wunsche der Gottesfurcht und dem Vertrauen auf eine glückliche Zukunft einen Tempel zu errichten, der fern von aller prunkenden Gefallsucht ein Sinnbild sei der einfachen, geraden Natur unserer Bauern.
1908. – Ein letzter Gottesdienst am 20. Juni. Die altersschwache Decke hängt auf die andächtigen Zuhörer herab, als mahne sie mit ihren Rissen und Brüchen, man solle ihrer doch auch wieder gedenken. Einen letzten Gruß singt die Orgel ihrer alten Behausung – dann beginnt die Arbeit. Schon sind Ausschachtungen für eine Heizungsanlage vorgenommen, bei denen man auf die Särge der Familie Theune stieß. Die irdischen Reste wurden auf der anderen Seite des Einganges wieder eingebettet, wo auch die Steine ihre Aufstellung gefunden haben. Das Heer der Maurer und Zimmerleute hält seinen Einzug und nun entsteht langsam wie ein Phönix aus seiner Asche neue verjüngt unser Gotteshaus. Es sei mir erspart, von dem einfachen Reiz und der schlichten Schönheit des Innern zu sprechen. Dem Leser wird ein Blick auf die Bilder mehr sagen als meine Feder. Was Zimmermann und Maler Gutes vermochten, sie leisteten es hier. Die Gemeinde nahm teil an allem. Hochherzige Spenden flossen dem erstehenden Bau aus Dorf und Gut zu. Und nicht nur Randau schmückte so sein Wahrbild. Auch Freunde und Gönner aus Magdeburg taten des Guten gar viel. Was soll ich hier einzeln Namen und Gaben anführen? Sie leben im Herzen der Randauer sicherer und treuer bewahrt. Zwei neue Glocken krönen den Bau. Nach feierlicher Weihe draußen unter Gottes Himmel treten sie die Reise nach ihrem luftigen Ehrenplatz an. – Und dann sprachen sie zum erstenmal in vollem Ton zu unserm Herzen, als Festgäste und Gemeinde unter Vorantritt der Geistlichkeit, mit Herrn Generalsuperintendenten D. Vieregge an der Spitze, am 27. September zur Weihe des Hauses schritten. Ein feierlicher Festgottesdienst – das große Werk ist vollendet.
Ende Juli 1911. – Heiße Sommertage haben die Aecker und Wiesen gedörrt. Der Landmann klagt. Regen ersehnt sein Sinn die durstenden Fluren zu laben. Tag um Tag vergeht. Die Sonne glüht und kein Lüftchen gibt Hoffnung auf das ersehnte Maß. Da endlich – es ist der 26. Juli – kommt Leben in die erschlafften Gemüter. Seht ihr die Wolken? Sie nah’n! Freut euch, ihr Felder, der Himmel sendet erquickenden Regen! Mit dumpfem Grollen schieben sich die schwarzen Ballen langsam dahin – schon beginnt das Ungewitter. Es steht gerade über unserer Insel, einen Ausweg suchend über einen der beiden Elbarme. Da – ein Blitz, ein kurzer, heftiger Knall, daß alle Häuser zu beben scheinen. Bleich sieht man sich an. Wen traf dieser Unglücksschlag? Da gellt ein Ruf: „Die Kirche brennt!“ Schon umzüngeln gierig Flammen den Turm. Alles eilt herbei, das Kleinod zu bewahren. Vergebene Müh‘. Heldenmutig nehmen sie den Kampf mit den Elementen auf. Doch die ungeübte Kraft ist einer solchen Arbeit nicht gewachsen. Einer Riesenfackel gleich, brennt der Turm, bis seine Spitze völlig in sich zusammenbricht. Da naht als Retter in höchster Not Hilfe aus Magdeburg. Die wackeren Männer zwingen des Feuers Gier. Nach harten Anstrengungen erlischt der Brand. Doch welch Bild des Jammers! Der ragenden Spitze beraubt, starrt uns aus hohlen Augen ein Mauergespenst entgegen. Was hilft das Klagen? Es erstehe denn neu, was Feuers Gewalt zerstörte!
Entschlossen zeigt sich das Dorf. Bald überträgt es dem Patron, der ihm vor drei Jahren die neu ausgebaute Kirche geschenkt hatte, den Aufbau des Vernichteten. Noch im Herbst des Jahres beginnt der neue Turm zu wachsen. Aber wie anders! Wuchtig steigt er gen Himmel, und trotzig bleibt seine Form. Jetzt entspricht er in Stil und Ausführung so ganz dem massigen Mittelschiff des Gotteshauses. Zwar findet er zunächst manchen Gegner im lieben Randau, doch wird sein stilgerechter Bau sich bald die Herzen aller Einsichtigen erobert haben. Die neuen Glocken waren bei dem Brande völlig zusammengeschmolzen. Von der Familie des Kirchenpatrons zum zweiten Male gestiftet, prangen sie wieder über der neu verschönten Kirche. Und als sie nun zur Weihnachtszeit wieder ihre Stimme erschallen ließen, da war Freude und Jubel in Randaus Herzen, und mancher gedachte der Verse, die den ehernen Mantel der einen schmücken:
„Läute Glocke, läute Frieden,
Läute Ruh‘ in jedes Herz,
Endet einst mein Tag hienieden
Läute du mich heimatwärts!“
Teil 10 - Kantorat und Schule
„Folget was des Custodis wohnung undt besoldung sey.
Nach dem die Küsterei so wohl als daß Pfarrhause in vergangenen Kriege biß auff den grundt abgerissen, ist dieselbe wieder erbaut worden, also daß ein Küster nottürfftiglich seine wohnung darin haben kan.
Belangendt des Custotis besoldung, hatt er zwei stück sandiges Ackers, darauff er etwa 3 Scheffel oder etwas mehr außseen kan.
Er hat zwei morgen grases auf den Morgen Zahl neben des Pfarrers sechs morgen gelegen.
Uf der gräsing hatt Er ein stück grases, der Küsterhorn genannt, darauff er etwa ein par fuder heu gewinnen kan.
Daß holz so auf den beyden morgen wachset, hatt der küster macht abzuhauen, wens Zeit ist.
Außer diesen bekömpt er alle quartal von einen ieglichen hauswirth 1 groschen: Ein hausgenoß gibt die helffte, so er ein weib hatt.
Zum Osterfest undt Neuen Jahr bekömpt Er dem Pfarrer gleich von jedem hauswirth 2 gg.
Von der Kirchen, dafür, daß er alle Sontage vor den Epistel ein Capitel auß der Bibel lieset, bekömpt er drey Scheffel rocken uf ostern betaget; undt weil die besoldung gar gering, ist ihm noch ein thl von der Kirchen Anno 1649 zugeleget worden.
Daß er auch daß Jahr über Oblaten undt wein zur Communion holet, bekömpt Er von der Kirchen 6 gg.
NB. Vor den Kriegswesen, da noch ein Uhrwerk in der Kirchen gewesen, hatt der Küster für daß Zeigerstellen bekommen, 1 thl 18gg oder 2 gute fl.
Die Accidentia des Custotis betreffendt, bekömpt er von einer copulation 6gg; von einer Kindttauffen 1 gg 5 pf. von einem schlechten funere, wen kein psalm vor der thür gesungen wirdt, bekömpt Er 1 gg 6 pf: wen ein leichpredigt geschieht 6 gg.
Der Küster muß eben so wohl alß der Pfarrer für sein Rindt- unde Schwein Viehe das hirtenlohn geben: welches aber nicht löblich ist.“
Mit löblichem Eifer hat uns Kretschmar so ein Abbild ferner Tage vor Augen geführt. Ein lustiges Gegenstück zu dieser Aufzählung geben die Visitationsprotokolle des Jahres 1651, in denen der Pastor angibt, er haben „sonsten bisher meistenteils selbsten Schulgehalten weil der Schulmeister zu besserem auskommen sein Schneiderhandwerk getrieben“. Und nicht nur beim Custos Andreas Schmidt aus Mahlwinkel war das so. Nein – in jener guten alten Zeit vereinte meist eine leibliche Hülle das Amt des Lehrers und des Schneiders.
Da es kaum liebreich wäre den Leser hier mit belanglosen Zahlen zu plagen, er über die Kantoren Braunholz und Niemann auch sonst z. B. nur die Anzahl ihrer Kinder erfahren könnte – jeder besaß deren 12 -, so möge er mit kühnem Griff 90 Jahre der Geschichte überschlagen.
„Anno 1741 Ist die hiesige Schulwohnung vom Grunde auf neu gebaut worden, welche insgesamt gekostet 340 rh. 13 gg 11 pf, dazu die Kosten ins gesamt auf dem Kirchen aerario genommen worden. Gott lasse den Wunsch des damahligen Predigers, welcher über die Schulthür eingehauen ist, stets reichl. erfüllet werden, und erhore das gebet allen Nachkommen zugute, welches derselbe nach der Einweihungs Rede in diesem neuen Schulgebäude vor Gottes Angesicht verrichtet.“
Schon wieder findet sich nach dieser Mitteilung eine Lücke in der Berichterstattung. Nun ja, was hätte man auch über solch einen Schulmeister sagen sollen. Er arbeitet tagaus, tagein die vorgeschriebene Zeit und sucht die ihm anvertrauten zu unterweisen und zu festigen in den Anfängen der christlichen Religion und des notwendigsten Wissens. Frucht und Lohn war ein kärgliches Gehalt und – oftmals – der Undank der Gemeinde.
Vielleicht ist es nicht zwecklos hier auch einmal eine Berufungsurkunde zum Abdruck zu bringen:
„JCH Johann Friedrich Carl von Alvensleben Königl. Großbrittannischer und Churfürstl. Braunschweig Lüneburgischer Etat Ministre und wirklicher Geheimbder Rath auf Calbe, Neugattersleben, Woltersdorff, Gloethe, Randau, Schermen, Plate, Moeser und Badingen Erbherr, hiermit als Erbherr Kirchen und Schul-Patron zu Randau uhrkunde und bekenne daß Ich auf freiwilligen Abzug und beschehene Dienstaufsagung des dortigen Cantoris und Schulhalter Wattenberg den Schüler der Stadt Schule zu Magdeburg Johann Peter Kühne aus Eikendorff in Betracht seines mir angerühmten christlichen Wandels und Schulgaben auch deshalb beigebrachtem guten Zeugniß zum Cantor, Organisten und Schulhalter bei der Kirche und Schule zu Randau ordentlich berufen, berufe ihn auch hiermit dazu, so, daß er seinen mit Hand und Mund gethanen Versprechen gemäß, sich in solchem Dienste nach aller schuldigen Gebühr, wie es von einem treu fleißigen Cantor und Schulmann erfordert wird, verhalte. Mir als seinem Patrono und gerichts Obrigkeit alle gebührende Treue und Gehorsam bezeige, seinem vorgesetzten Prediger mit schuldiger Achtung begegne, und dessen Anweisungen und Bestimmungen in Kirchen- Schul- und Amts Sachen willige Folge leiste, auch männiglich und besonders seinen anvertrauten Schulkindern allstets mit einem unsträflichen Leben und Wandel vorgehe, und sich eifrig angelegen sein lasse selbige in den ersten und nöthigsten Gründen der reinen christlichen Lehre, so wie solche in der heiligen Schrift verfasset, und von dem seel. Luthero in seinem Cathechismo vorgetragen, zu unterrichten, so daß sie in der wahren Erkenntniß und Furcht Gottes je mehr und mehr wachsen und zunehmen, wie er denn auch selbige im Schreiben, Rechnen und Singen zu unterrichten, und zu anständigen Sitten gebührend anzuweisen, und die blöde Gemüther mit Sanftmuth anzuregen, und seine Untergebenen nach deren Gemüths Beschaffenheit durch vernünftige Disciplin in Ordnung zu halten, auch seinen Cantorat Dienst gebührend zu versehen, die Orgel zu spielen, und den öffentlichen Gottesdienst auch in den wöchentlichen Betstunden abzuwarten, wie er denn auf Verlangen des Herrn Predigers des Sonntags Nachmittags ein Capitul aus der Bibel oder eine erbauliche Predigt aus einer Postille der Gemeinde zu verlesen, oder auch die Jugend zu cathechisiren, so wie es angeordnet und ihm aufgegeben werden wird, und sich überhaupt so verhalte, wie es einem gottesfürchtigen redlichen und gewissenhaften Kirchen und Schuldiener gebühret, wozu ihm der dreieinige Gott Gnade und Segen verleihen wollte, und soll er dagegen, das mit dieser function verbundene Gehalt und Accidentien zu geniessen, auch bei seinem guten Verhalten auch allen geneigten Willen zugewarten haben: dessen zur Uhrkunde ich diese Vocation und Bestallung ihm ausgereichet, solche mit meinem angebohrnen Pettschafte bedruckt und eigenhändig unterschrieben.
So geschehen London den 5ten April 1790.
L.S. Johann Friedrich Carl von Alvensleben.“
Wie gesagt ist wenig oder gar nichts von dem Wirken und Walten im Kantorat überliefert. Doch sprechen einige Zahlen deutlich davon, daß Randau mit seinen Jugenderziehern nicht schlecht bestellt gewesen ist. Denn in zwei Jahrhunderten sind nicht mehr als sieben Lehrer zum Wohle der Gemeinde tätig gewesen.
Sicher war es zum Besten, daß fast keiner weniger als 30 Jahre hier lebte und schaltete. Denn so kam er nach und nach in engere Fühlung mit den Bauern und ihrem ganzen Wesen und konnte mitarbeiten an der Erhaltung des Guten in Art und Lebensweise der Dörfler.
Als im Jahre 1828 August Ferdinand Löwe an die Stelle Kühnes tritt, besteht das Kantorat aus einer bequemen, ziemlich geräumigen Wohnung mit drei Stuben, einer Kammer, einem Keller und einem guten Boden. Dicht daneben steht ein zum Schulsaal eigens bestimmtes Gebäude mit Boden. Eine kleine Scheune und ein paar Viehställe bilden die anderen Seiten des Hofraums. Dazu gehören drei Gärten, von denen zwei um die Gebäude liegen, der dritte im Göbs. Dem Küster steht die Benutzung des Gemeindeangers in den Rechten eines Kossaten zu, also durch milchtragende Kühe, dazu Rinder oder Kälber nebst Gänsen und Schweinen. Im Jahre 1840 betragen die Einkünfte der Schulstelle noch die Spottsumme von 340 rthl. 10 Sgr. Im Jahre 1886 wid das pensionsrechnungsfähige Gehalt der Lehrer- und Küsterstelle auf 2001 Mark 35 Pf. festgesetzt.
Auf Löwe ist dann Philipp Möhring gefolgt, „der das erste Examen mit Note 1 so tüchtig bestanden, daß ihm das zweite erlassen wurde“. Nach seinem Tode verwaltete Candidat Tilger ein halbes Jahr lang die Stelle, bis am 3. Oktober 1890 Kantor Otto Ramme seinen Einzug hält. – Für Jugend und Gemeinde ist Ramme stets eifrigst tätig gewesen. Knaben und Mädchen verehren in ihm den väterlichen Freund, der sich so ganz ihrem Wesen anpaßt und neben Ernst und Arbeit auch Frohmut und lustiges Lachen in die kleine Schar hineinträgt. Und wer von uns Randauern denkt nicht der Stunden, da dieser selbe Mann, dem irdischen Getriebe entrückt, vor seiner Orgel sitzt und mächtig in Tasten und Register greift. Da tönte einst an einem Totensonntag der gewaltige Trauermarsch aus einer Sonate Beethovens.
Sebastian Bach grüßt oftmals die andächtige Gemeinde. Und Heiligabend lauscht das ganze Dorf ergriffen weltenfernen Klängen, die unsre Orgel uns als Weihnachtsgabe bietet. Und wer den Kirchenchor mit seinen jubelnd hellen Kinderstimmchen hörte, und wem einmal der Niederländer Dankgebet vierstimmig von dem neugeschaffnen Chor der schulentwachsnen Jugend klang, der weiß: ein Mann steht wiederum an dieser Stelle, der seinen Namen unauslöschlich schreibt in aller derer Herzen, die mit ihm und um ihn leben und wachsen.
Teil 11 - Der Greifenwerder
Da draußen in den Wiesen, die im Frühjahr die Elbe mit ihren Wassern überflutet, liegt in einem Viereck von riesigen Pappeln ein Haus. „In den Pappeln“ sagt der Volksmund zu diesem Hof des Wärters der Prinzenwiesen. Daß dieses unscheinbare Fleckchen den Mittelpunkt des Gutes Greifenwerder bildet, wissen die wenigsten, die daran vorbeigehen. Auch daß vor fast 200 Jahren ein „adl. Esebeckisches Vorwerk“ Greifenwerder bezeugt wird, sieht man ihm heute nicht mehr an.
Der Randauer Pastor Johann Melchior Becker gibt uns die älteste Nachricht von diesem noch heute bestehenden Gutsbezirk:
„1722. Um Bartholmai ist des Schützens Frau die Sievertin auff dem Greiffenwerder begraben, und die Kirch-hoff Stelle daselbst mit einem sermon eingeweihet worden.“
„Am 2. Dezember 1724 war ohne proclamation eine Trauung auf dem Greiffenwerder, dem Gute des Herrn Stallmeisters von Esebeck.“
Dann hören wir wieder 1732 und 1741 von einer Beerdigung und 1739 und 1742 von einer Trauung in der dortigen „Kirchstube“. Taufen werden von 1725 bis 1741 sogar siebenmal vorgenommen. Doch mit diesen Bemerkungen ist unsere Kenntnis jener Zeit noch nicht erschöpft. Münnich schreibt vielmehr im Randauer Kirchenbuch:
„Anno 1741 verkaufte der von Esebeck den Greiffenwerder an das Stift St. Sebastiani und dieses wolte den Pächter dieses Werders nach Westerhausen einparochiren. Patronus von Alvensleben aber klagte dawider beym Consistorio, und wurde Pastor Randawiensis in professione parochiali geschüzet, Westerhusano aber bey nahmhafter Straffe alle actus ministeriales daselbst verboten.“
Diese Entscheidung wurde wohl durch den Attest des Herrn von Esebeck herbeigeführt, der bescheinigte, daß der Greifenwerder bei Randau eingepfarrt sei, und er sich bei seiner Anwesenheit immer zur dortigen Kirche gehalten habe. Das bewies auch ein Stuhl in der Kirche, der noch 1742 die Auffschrift „Greiffenwerder“ trug. *) – Damit müßte, so meint man, diese Sache erledigt gewesen sein. Keineswegs. Am 2. Nov. 1843 (!) richtet Pastor Schulze aus Westerhüsen an den Randauer Pfarrer Flacke einen Brief, in dem wir zu unserem Erstaunen die Frage wieder aufgeworfen finden. Es heißt da unter anderem:
„Durch einen Irrthum veranlaßt, haben Sie, werther Herr Bruder, die Familie des jedesmaligen Wärters als zu Ihrer Parochie gehörig angesehen; dieselbe ist aber seit früher Zeit hier eingepfarrt gewesen, welches ich mir erlaube Ihnen darzuthun.
Die dortigen Wiesen haben früher dem Domkapitel gehört und sind jetzt erkauftes Eigenthum des Stadtcüsters Asilo. Dies Letztere ist Ihnen bekannt. Der Grund und Boden, worauf das Haus steht, gehört nicht zu Randau, denn zwischen diesen Wiesen liegen auch die von Westerhüsen und machen eine Scheidung von der Randauer Feldmark.
Im Jahre 1746 vermuthlich nach Erbauung oder Gründung des dortigen Hauses **), ist dem damaligen Wärter von der Domvoigtey aufgegeben, sich zur Gemeinde Westerhüsen in kirchlicher Hinsicht zu halten und seine am 7. März d.J. geborene Tochter von dem hiesigen Prediger Freitag taufen zu lassen, welches denn auch am 11. d.M. geschehen ist. Eine gleiche Anweisung ist von der Domvoigtey der Ehefrau des im Jahre 1767 gestorbenen Wärters Andreas Siebitz ertheilt ihren verstorbenen Ehemann in Westerhüsen beerdigen zu lassen, wo er denn auch nach Aussage des Kirchenbuches beerdigt ist. Seit der Zeit sind alle dort geborenen Kinder von dem hiesigen Prediger getauft und alle Todten hier beerdigt. Die Bewohner des Hauses haben auch, wie der Kantor Witte darthun kann, stets das Quartalgeld an die hiesige Pfarre gegeben, und der gegenwärtige Bewohner gibt es noch hieher.“
Wir hören da manches Interessante. Besonders nimmt es uns Wunder, daß kurze Zeit nach dem oben erwähnten Beschluß ein dem widersprechender Erlaß der Domvoigtei entstehen kann, und daß volle hundert Jahre keine Klärung der Sachlage erfolgt zu sein scheint. Plötzlich 1843 behauptet der Pfarrer von Westerhüsen wie der von Randau, der Greifenwerden sei bei ihm eingemeindet. Richtig ist, daß die dem Wärter unterstehenden Wiesen zu Westerhüsen gehören und von dort aus bewirtschaftet wurden und noch werden.
Die Frage kommt zur Verhandlung vor einer hohen Behörde. Flacke führt da auch ein Protokoll an, „worin die Erklärung des jetzigen Bewohners des fragl. Hauses enthalten, nach welcher das fragliche Haus seit spätestens 1814 hierher eingepfarrt gewesen sei.“
Auf die frühere Verfügung greift er nicht zurück. Sie wird überhaupt nicht erwähnt. – Am 26. Mai 1844 findet der Schlußtermin in Randau statt. Das Wichtigste möge hier im Auszug Platz finden. Vorgeladen waren die beiden Kirchenvorsteher Peter Denze und Friedrich Koch und der Wiesenwärter Buchholz. Zunächst wird der Inhalt des Königl. Dekrets vom 15. Februar a.c. erklärt Bei den mangelnden Urkunden über die Begrenzung der Parochie Westerhüsen und einem mangelnden ausdrücklichen Einpfarrungsdekret müsse entschieden werden, daß es es den Bewohnern des Grundstückes frei stehe, zu welcher Parochie sie sich schlagen wollten. In den letzten Jahren hätten sich ja die Inhaber des Hauses urkundlich nachweisbar zur Kirche von Randau gezählt. Auch habe der jetzige Wärter den Wunsch geäußert der leichteren Zugänglichkeit wegen nach Randau eingepfarrt zu werden. „Dieser Zuschlag habe dann jedoch nicht die Wirkung einer beständigen Einpfarrung, vielmehr bleiben den künftigen Bewohnern des ge. Hauses das Recht vorbehalten, unter den Bedingungen des Gesetzes und nach vorheriger ausdrücklicher Genehmigung der geistl. Obern, nach Erheblichkeit der Ursachen, sich von der Kirche zu Randau loszusagen und einer andern Parochie zuschlagen zu lassen.“ Nach Verlesung der zustimmenden Erklärung des Kirchenpatrons wird dem Wiesenwärter die Schlußfrage vorgelegt, „worauf derselbe entschieden erklärte, – es sei und bleibe sein Wunsch und Wille, zur Parochie Randau förmlich zugeschlagen zu werden.“
Heute wird der Hausherr auf Greifenwerder über diese Entscheidung nicht böse sein. Er ist so gleichzeitig Mitglied des Gesamtschulverbandes Randau und als solcher verpflichtet einen Teil der Kosten zu tragen. In den Jahren 1912 – 1915 betragen diese hier für ihn je 127,50 Mark. In dem zur Stadt Magdeburg gehörenden Westerhüsen dürfte er vielleicht ein Mehrfaches entrichten müssen.
*) früher soll der Greifenwerder überhaupt zu Randau gehört haben. Vor 1720 hat das Gut jedenfalls nicht bestanden, denn der Kantor Niemann bezeugt er sei darüber gegangen, als noch kein Gebäude dagestanden habe.
**) Wie wir gesehen haben, ist es zwischen 1720 und 1722 erbaut.
Teil 12 - Aus dem Dorfe Randau
„Auf einem Spaziergang ist jeder Weg der rechte.“
Dieses Wort wollen wir den beiden folgenden Abschnitten voranstellen. Denn der Leser wird da über Dorf und Gut vielerlei erfahren, was in sich lediglich durch die Zeitfolge geordnet ist. Es bleibt noch manches zu sagen, was den verschiedensten Gebieten angehört, und so soll dieser Spruch – besonders für die Neuzeit – ein Zeitwort unserer Ausführungen sein.
„Was Du ererbt von Deinen Vätern hast – Erwirb es, um es zu besitzen!“
Ein Faustwort, dessen Bedeutung dem kraftvollen Schlag der Randauer Bauern in Fleisch und Blut übergegangen ist. In hartem Kampf leben sie mit der heimatlichen Scholle. Nicht leicht spendet ihnen das Land den zum Leben nötigen Ertrag. Ein heißes Werben gilt es um den widerstrebenden Boden. Gleich wie Rittersang und Minnelied der Heldenzeit dem holden Geschlecht liebliche Gunst abgewinnen sollten, so erringt sich hier das hohe Lied des Fleißes und ungebeugter Kraft wohlverdienten Lohn.
Gar manche Randauer Familie hat Grund und Boden schon durch Jahrhunderte ererbt. In Kirchenbüchern und anderen Akten finden wir ihre Namen: Lemcke, Ahlheit, Koch, Blumenthal, Hesse und wie sie alle heißen. Die Steuerprofessionsprotokolle vom März 1685 geben ein gutes Bild über Besitz und Vermögen der Dorfgemeinde. Den für die Neuzeit wichtigeren Familien sei in Achtung ihrer Arbeit und ihrer treuen Anhänglichkeit an altüberkommene Scholle aus diesen Akten ein Gedenkblatt geweiht. Nachdem Pastor und Kantor für Kirche, Pfarre und Schule den Professionseid abgelegt haben, heißt es in dem Protokoll weiter:
„Christoff Schrader Bauermeister undt Oßwald Borges profitiren wegen der gemeinde als gemeinde.
2 wiesen, als die Bauermeierey, undt der Zimpel genannt, beydes von 4 fuder hew, diese wiesen ernteten die Einwohner uff der reige.
1 kleiner gras ohrt von ¼ fuder hew, worauff etwas untherholz.
Dieses genütze der kleine Bauermeister pro labore, das er die Steyern einfordere.
1 Lacke die Hirten Lacke genanndt von 5 fuder hew, worvon der große Bauermeister, 1 fuder pro labore bekomme, die andern 4 fuder ernte der Hirte.
Die Bullen wiese von 1 fuder hew, so der jenige begrauche, der das gemeinde Rindt ausfüttere.
2 Kolcke in Zimppel, der Gieseler Pfuel , der Rohrpfuel, u. etzliche pfützen, so theils in des von Alvensleben Ecker u. wiesen belegen, worinnen die gemeinde mit Hamen zu fisschen befugt, es druckneten aber dieselben theils des Sommers fasst ganz aus.
Die Gemeinde habe auf der alten Elbe auch macht zu fisschen so weid des v. Alvensleben gebiethe ginge.
Ihr dorff gebe in Simplo 6 tal 9 g. hierzu trügen bey 1 Feyerstedte gleich durch 6 g. Von 1 melckenden Kuh 6 pf. Von der graserey undt dem giersten viehe Steyreten sie nicht.
Die weyde ihres ohrts sei guth, wen sie nicht von wasser überschwemmet würde.“
Zunächst interessiert dann Hans Blumenthal, von dem wir schon früher (Seite 16) gehört haben.
„4 Morgen wiesewachs von 4 fuder hew à 8 tal
2 grase Cabeln von ½ fuder hew à 1 tal
1 Haus, Ställe u. garthen à 8 tal.
Er habe von dem hause Randau den Acker gepachtet vorvon er sich ernehre.
Grase geld dem adel. Hause 1 tal 12 g.
4 Rauchüner dahin 8 g.
Dienstgeld dahin 2 tal.
Er Steyre in simplo 13 g 6 pf. – 15 Kühe, 4 Rinder –„
„Hans Lemcken wegen, so verreiset profitiret Jacob Rintorff.
2 Morgen wiesewachs von 2 fuder hew a 4 tal
2 gras Cabeln von ½ fuder hew a 1 tal
1 alt haus, stall u. garthen a 4 tal
Grasegelder dem adel. Hause 18 g
2 Rauchüner dahin a 4 g
Dienstgeld dahin 2 tal
In Simplo Steyre er 7 g 6 pf. – 3 Kühe.“
Michael Blumenthal gibt an, „er sey der Krüger, habe von dem adel. Hause die Schencke, nebenst 2 ft. Acker undt 2 morgen gras gepachtet umb jährliche 10 tal, möchte des Jahres von seine mühe profitiren 20 tal. – 4 Kühe, 2 Rinder.“
Das Protokoll schließt mit den Worten: „Der Bauermeister berichtet, das die Einwohner insgesambt dem Adeligen hause an Schoffe jährlich geben müssen 4 tal 3 g.“
Die hier noch nicht erwähnte Familie Ahlheit findet sich im Jahre 1699 in den Registern der Randauer Kirchenbücher.
Es sei hier auf den Anhang hingewiesen, der einen weiteren Auszug des Protokolls aus dem Jahre 1685 bietet mit Angabe des Viehbesitzers, der ja für unserer Bauern in damaliger Zeit die Haupterwerbsquelle bildete. Ferner findet sich dort eine Aufzählung aller Familien aus dem Jahre 1810.
Nur ganz wenige Bemerkungen stellen im übrigen die Verbindung zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert her. Sie betreffen Feuers- und Wassersnot.
„Anno 1694 d. 11. Novemb. Kam des Nachts auf Bartholomeus Bösens Hoffen in der Scheune Ein schräcklich feuer aus dadurch in wenig Stunden dieser ganz Beste ackerhoff eingeäschert wurde; Ach kl. Straffe uns nicht weiter in deinem Zorn und züchtige uns nicht in deinem Grimm!“
„1762 riß das Wasser durch des Predigers Finkenherd Stücke, weil nun dieses ein allgemeiner Felddamm, der dem Prediger zu repariren nicht angemuthet werden konnte, wurde das Geld solange von der Kirche zur reparation vorgeschossen, bis erst reguliret seyn würde wie viel Patronus selbst, der Prediger oder vielmehr die Kirche (welche die Kirchengüter bey casibus fortuitis ….. vim majorem existentibus restituiren muß), ingleichen die beyden Ackerleute Blumenthal und Hesse zu contribuiren schuldig.“
„1770 und 1771 Waren hier so große Ueberschwemmungen, daß man von Westerhüsen aus mit der Fähre bis an den hiesigen Adl. Hof fahren und unser Vieh abholen konnte, weil hier kein Futter war. Das Wasser stand sonderl. 1771 von gallen bis zum Junio. Alles gesamte Korn, wie auch alle Weide ersof und wurde kein Heu geerntet. Die Däme wurde fasst gänzl. Und alle ruinirt, und die Kirchen und Pfarr Däme musten auf Kosten der Kirche wieder gemachet werden.“
Später brachte das Jahr 1844 noch ein besonders großes und schwer schädigendes Hochwasser mit sich.
Mit dem Jahre 1830 treten wir in die für Randau recht wichtige Zeit der Separation ein, wichtig darum, weil bedeutende Besitzveränderungen vorgenommen wurden. Bis dahin hatten die Aecker des Gutes und die Pläne der Bauern völlig durcheinander gelegen.
Jetzt wird alles zu einem gemeinschaftlichen Komplex zusammengeworfen und dann jeder gemäß seinem früheren Besitze abgefunden. Ferner wird die Hutungsgemeinschaft aufgehoben und alle Teilnehmer entsprechend entschädigt. Einen kleinen Einblick in die zur Separation gestellten Fluren bekommen wir, wenn wir lesen, daß es sich unter anderem um etwa 743 Morgen Acker, 427 Morgen Wiesen und 401 Morgen Hutungsreviere handelte. Holzflächen sind nur 128 Morgen angegeben, obgleich der – meist der Kirche gehörende – Holzbestand 1820 noch 370 Morgen betrug. Vielleicht lag das Uebrige außer Bereich der Separation Die gemeinschaftlichen Bullen und Eber werden verkauft und der Erlös nach der Anzahl der Güter geteilt. Der Name Bullenwiese – übrigens schon im Visitationsprotokoll 1583 zu finden – ist noch heute im Gebrauch. Von den in § 14 des ……… erwähnten Einschränkungen des Eigentums interessiert uns einiges. Es heißt da:
„Es steht dem Rittergute zu Randau die Jagd auf der ganzen dortigen Feldmark zu, und es bleibt dieselbe von der Separation unberührt.“ Von dem Rittergute sind zu dulden:
a) Das ….. des Flachses seitens der Gemeindeglieder zu Randau findet in einem dem Rittergute Randau gehörigen Kolke statt und erleidet durch die jetzige Separation keine Aenderung.
b) Die Besitzer der im Dorfe Randau vorhandenen Acker-Halbspänner- und Kossaten-Güter, der Ackermann Andreas Friedrich Blumenthal und Gen., sind berechtigt, in folgenden zum Rittergute gehörigen, hinsichts ihrer Lage und Begrenzung genau bekannten Kolken:
1) den sog. Ziegenkolken,
2) den schwarzen Krügern,
3) demjenigen Teil des großen Steinsee, welcher von der Schafwäsche westlich bis zum kalten Loche reicht, während zweier Tage in jeder Woche mit dem Schiebehaamen die Fischerei auszuüben.“
Die an der Separation Beteiligten konnten sich nicht über Schädigung beklagen. Zum Beispiel besaß die Pfarre vorher 170 Morgen und Weidefreiheit für 10 Stück Rindvieh, was zusammen einem Einkommenswert von rund 881 th. Gleichkam, nach der Teilung 218 Morgen, was einer Verbesserung auf 1116 rh. Entspricht. Allerdings hatte sie dafür die Anlage neuer Wege und die Rodung von Holzgrundstücken übernehmen müssen. Die Aufbesserung der bäuerlichen Besitzer erfolgte natürlich auf Kosten des Gutsbesitzers.
Der in dem Vertrag erwähnte Flachsbau wird bis 1860 betrieben.
Wenn gesagt wurde, daß die Separation 1830 angeordnet worden war, so ist hier zu ergänzen, daß sie sich bis Ende der vierziger Jahre hinzog. Ueber den Besitz der Kossaten sei noch erzählt, daß die beiden großen Ackerhöfe sehr im Vermögen zurückgegangen sind.
Der Blumenthal’sche Hof besaß 1848 etwa 150 Morgen, 1903 nur noch 11 Morgen, während der Hesse’sche Hof, zu dem damals 100 Morgen gehörten, heute landlos ist.
Hiermit ist – sicher zur Freude der Leser – die Frage des Besitzes erledigt und wir können uns unterhaltenderen Dingen zuwenden. Da ist zunächst eine kleine Episode aus den Befreiungskriegen zu berichten. Wahrscheinlich im Jahre 1808 wurde Pechau von französischen Exekutionstruppen geplündert. Eine kleine Abteilung, geführt von einem Offizier, gedachte auch Randau heimzusuchen, vermutlich auf eigene Faust. Sie konnten die Fährstelle ohne Kahn nicht überschreiten, uns so war rechtzeitig Hilfe zur Stelle. Der Gutsförster, den man herbeigeholt hatte, erschoß den Offizier, der sein Grab dort auf Calenberger Seite erhielt. Da die Soldaten keinen Befehl zur Plünderung Randaus gehabt hatten, unterließ man es, die Randauer für die Tat der Selbsthilfe zu züchtigen.
Mit der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt die Zeit, seit der wir aus mündlichen Berichten der Alten unseres Dorfes etwas wissen. Freude und Erbitterung herrschte damals in Randau. Freude über den alten General von Pfuel, der dort ein Haus besaß und mit allen liebevoll und freundlich verkehrte, – Erbitterung über den Rittergutspächter Lamprecht, der ein Feind des Generals war und ihn mit allen Mitteln wegzuärgern suchte. Ernst von Pfuel, geboren 1780, Mitkämpfer in den Befreiungskriegen, 1848 auf kurze Zeit Kriegsminister und Ministerpräsident, hatte sich für den Abend seines reichen Lebens in Randau ansiedeln wollen. Pfuels zweite Frau war eine geborene von Alvensleben, desgleichen hatte der Pastor Flacke eine Schwester des Patrons von Alvensleben geheiratet. Als im Jahre 1848 Pfuels Haus abbrannte, wohnte er bei seinem Schwager Flacke. 1850 erbaute er sich dann ein neues Haus, das heute unter dem Namen Lindemannsches Haus in Randau bekannt ist.
Wie gut der greise General mit allen im Dorfe stand, geht aus einigen kleinen Geschichten hervor. Der Held der einen, Christel Lemke, lebt noch heute als Gärtner auf dem Gute. Christel war damals ungefähr 13 Jahre alt. Pfuel hatte immer seine besondere Freude an dem Knaben, und die Freundschaft war sogar so eng, daß Christel den alten Herrn mit „Du“ anreden mußte. Der General, der als ausgezeichneter Schwimmer und Taucher bekannt war, badete oftmals in der damals noch bedeutend Wasser führenden alten Elbe. Eines Tages trifft er Christel, der eine Handvoll Beifuß – wie er sich ausdrückte „Nebenbein“ – holen sollte, und es entspann sich folgendes kurze Gespräch. „General, wohin Du?“ – „Baden! Komm mit, wenn ich versupe, kannst vertellen!“ Sie wandern zur Elbe, Pfuel springt ins Wasser und verschwindet. Christel wartet eine Weile, der General taucht nicht wieder auf. Da bekommt er plötzlich Angst, ergreift die am Ufer liegenden Kleider und rennt so schnell er kann dem Dorfe zu. Als Pfuel wieder auftaucht und Christel davonjagen sieht, ruft er ihm nach: „Junge, wo willst du mit meinen Kleidern hin?“ Der dreht sich erschrocken um und antwortet kleinlaut: „Ich dachte, du wärst versupen.“
Pfuel hatte die Jagd von der Gemeinde gepachtet und hielt nun eines Tages große Treibjagd ab. Er hatte sämtliche Kossaten und Bauern, die ein Gewehr besaßen, dazu eingeladen. Alle anderen sollten Treiber spielen. Fröhlich erschien man mit Feuerschoßflinten und ähnlichen Mordinstrumenten. Die Jagd begann. Ein Hase hatte sich auch wirklich in das Treiben verlaufen, und dem glücklichen Besitzer eines Vorderladers war es gelungen ihn schwer zu verwunden. Freund Lampe hatte aber noch die Kraft sich über die Grenze des Gutsgebiets zu retten. Man nahm das nicht so genau und ließ ihn holen. Da erscheint der Gutsbesitzer Lamprecht und im Vollgefühle seiner Polizeigewalt verlangt er die Jagdscheine der Beteiligten zu sehen. Das war damals eine ganz neumodische Einrichtung, so daß niemand, selbst Pfuel nicht, einen besaß. Der Herr Patron untersagt darauf allen weiter zu jagen und schickt sie nach Hause. Betrübt und wütend muß die ganze Schar abziehen und schimpft weidlich über den Gerichtsherrn, der sie und ihren lieben General dieses unschuldigen Vergnügens beraubt. Den Hasen hat natürlich Lamprecht verzehrt.
Wie arg der Gutsbesitzer dem verdienten Manne zusetzte, geht auch noch aus einer anderen Ueberlieferung hervor. Die Wiesen des Göbs kamen fast jedes Jahr unter Wasser. Eines Winters Anfang der fünfziger Jahre war die ganze Fläche zugefroren, und Pfuel beschäftigte sich damit darauf Schlittschuh zu laufen. Aber der Göbs gehörte zum Gute – also wandte Lamprecht wieder seiner Polizeimacht an und ließ den General bestrafen. Die Stimmung seitens der Bauern war sehr erregt. Pfuel selbst war über die ewigen Plänkeleien ziemlich erbittert und kehrte deshalb bald nach 1852 Randau den Rücken zum Kummer der ganzen Dorfgemeinde.
Ein treuer Diener des Generals von Pfuel war der alte Stensbeck, den ich den Lesern auch im Bilde vorführen kann. Ich sage „der alte“, weil ich ihn nur unter diesem Namen kenne und nur als Greis gesehen habe. Sein Geist war noch in den letzten Jahren ungewöhnlich frisch, und oft erzählte er von den Zeiten, die er gesehen, von der Güte Pfuels und dem, was er in Randau alles erlebte. Er wohnte an der Nordwestseite des Dorfes in einem der kleinen Strohdachhäuser, die uns dort armselig und doch so freundlich entgegenblicken. Ich habe ihn und seine treue Ehefrau, mit der er 1906 seine goldene Hochzeit feierte, mehrmals dort besucht und in dem schmucken Stübchen viel liebe Andenken gefunden. Er erzählte mir dann von meinem Großvater und zeigte mit Stolz auf das Bild, das er von ihm erhielt. Die Weihnachtsglocken des Jahres 1910 riefen ihn und seine sorgende Gattin zur ewigen Ruhe. Der Kriegerverein, dessen Vorsitzender er lange Jahre hindurch gewesen war, und das ganze Dorf gaben ihm das letzte Geleit.
Unsere Gemeinde besitzt noch mehr solch prächtiger alter Menschen. Christel Lemke kennen wir schon. Der Müllermeister Curio, dem bei einem Raubanfall vor 20 Jahren der Schädel eingeschlagen wurde, lebt noch heute recht frisch und gesund. An der Spitze der Veteranen steht Friedrich Ahlheit, Invalide des Regiments 66 aus der Schlacht von Königgrätz. Noch manchen könnte ich nennen, doch führe ich nur noch Heinrich Ahlheit an, den Schulzen der Dorfgemeinde. Ueber 25 Jahre steht er schon – ein Siebenziger – an der Spitze der Verwaltung und hat verstanden sich durch regen Fleiß und große Sachkenntnis das Vertrauen und die Verehrung aller zu gewinnen. Möge er der Gemeinde noch lange erhalten bleiben!
Es ist nicht ganz leicht, aus der Neuzeit objektiv etwas zu berichten. Was man selbst mit erlebte, ist doch nie ganz frei vom Schatten eigenen Geschmacks und eigener Gedanken. In fünfzig Wintern, wenn des Besitzes erstes Jahrhundert sich erfüllt, dann wird vielleicht ein Enkel sich auch unserer Zeit erinnern.
Doch eins noch! Schon einmal erwähnte ich den Aufschwung, den das geistige und soziale Leben unseres Dorfes sub auspicio patroni et pastoris genommen. Familien- und Elternabende wurden nun wirklich eingerichtet. Eine Sanitätskolonne wird ins Leben gerufen, und mit Begeisterung widmet sich die junge Mannschaft den Uebungen für Krieg und Frieden. Auch der Gedanke einer Kinderbewahranstalt taucht wieder auf, um den Frauen die Sorge für ihre Kinder zu nehmen und ihnen die Möglichkeit einer ungestörten Arbeit im Felde zu verschaffen. So ersteht zunächst unter dem Vorsitz der Gutsherrin der Vaterländische Frauen-Verein Randau. Der Patron bringt den Bestrebungen großes Interesse entgegen und erbaut mit seiner Gattin ein Haus, das er dem Verein zur Verwirklichung seiner Pläne zur Verfügung stellt. Am 19. August 1911 wird das „Hennige-Haus“ durch Herrn Konsistorialrat Dr. Hermens feierlichst seiner Bestimmung übergeben. Der folgende Tag vereint jung und alt zu einem fröhlichen Fest.
Und wie so die Dorfgemeinde Randau zu neuem Leben erblühte, so zeigt auch das Gut, daß die letzten 50 Jahre nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind.
Teil 13 - Vom Rittergute Randau
„Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!“
Als im Jahre 1863 das Rittergut Randau in den Besitz Moritz Paul Henniges überging, stand es dort schlimm. Die Bedeutung des Wortes klar vor Augen, sah der neue Herr eine gewaltige Aufgabe vor sich. Seine Vorgänger hatten in der unverantwortlichsten Weise gehaust. Randau hatte große Eichen- und Kiefernbestände besessen auf dem Göbs, in der Feldmark und an der Grenze von Grünewalde. Alles war der Habgier Lamprechts zum Opfer gefallen. Für 85 000 Mark hatte er in 10 Jahren abschlagen lassen; damit war die Forst natürlich erledigt. Die letzten Besitzer aus der Familie von Alvensleben hatten sehr viel Land veräußern müssen, um ihre dringendsten Schulden decken zu können. Das war besonders in den vierziger Jahren gewesen. Einige Zahlen mögen kurz die Belege geben. Hermann Carl Achaz verkaufte 1842 und 1843 an den Rentier Schulze in Magdeburg für rund 27 000 Thl. Insgesamt etwa 295 Morgen mit allen daran haftenden Rechten wie Jagd, Fischerei und Wegegerechtigkeit. In denselben Jahren an den Kaufmann Strutz aus Schönebeck 112 Morgen mit dazugehöriger Ziegelei an der Elbe für etwa 26 000 Thl., ebenfalss mit allen Gerechtsamen. 1843 an den Ziegeleibesitzer Schulze zu Frohse 10 Morgen und an die Witwe Marth geb. Möbes zu Frohse 20 Morgen des hohen Holzangers. Ferner haben die Gebrüder Eiserhard von ihm im Jahre 1840 etwas über 140 Morgen für 12 500 Thl. Erhalten. Weitere 144 Morgen – die sog. Außenschläge – waren vom Gutsherrn zum Verkauf bestimmt. Alle diese Stücke werden vom Gute abgeschrieben, haften aber noch mit für die 40 Thl. Ritterpferdsgelder, die das Rittergut dem Staate jährlich als Canon zu entrichten hat.
Abgesehen von den Außenschlägen kamen also fast 600 Morgen zum Verkauf.
Es galt nun nach Möglichkeit den früheren Umfang des Gutes wieder herzustellen und durch Kauf und Tausch dem Besitz die einstige Größe zu verschaffen. Heute nach 50 Jahren ist das Areal fast doppelt so groß als bei Erwerbung des Landsitzes. Bis 1906 war das Rittergut mit seinen Anteilen in den Gemeinden Randau, Frohse, Elbenau, Grünewalde auf rund 2350 Morgen angewachsen.
Sogleich 1863 begann der Rückkauf. Paul Hennige übernahm 116 ½ Morgen des Blumenthalschen Hofes. Nach diesem glücklichen Anfang wurden fortwährend Grundstücke wieder erworben. So von den Bauern der Gutsgemeinde die Hausstellen von Lindemann, Bühnemann (1876) und Albrecht (1890). Zur Arrondierung aus der Dorfgemeinde Pläne von Grashof und Schüler (1875), Frauendienst (1876), Ohle (1881), Wilhelm Koch (1884), Hensel (1890), Curio (1892), Hesse (1892), Schlüter (1893), Stephan (1893). Größere Käufe werden abgeschlossen 1871 mit Siegel (22 ½ Morgen), 1876 mit Schneider (12 ½ Morgen), 1881 mit Bühnemann (32 Morgen).
Von der Pfarre kauf Paul Hennige 1901 die Schleusenbreite (51 Morgen), ferner 1876 aus der Gutsgemeinde von Paul und Mahrenholz 68 Morgen. Aus der Gemarkung Westerhüsen kamen dazu 12 ½ Morgen der Schrader’schen Wiesen und 7 Morgen sogenannte chemische Wiesen (Besitzer chemische Fabrik Buckau). Aus der Gutsgemeinde verkauften dem Gut an Wiesen Katzmann (1884) 153 ½ Morgen und Schmidt (1888) 166 Morgen. Kleinere Tausche und Käufe gingen immer nebenher. Der Grundsatz verloren gegangene Stücke wieder zu erwerben brachte es dazu, daß im Jahre 1884 die erste Ziegelei an der Elbe mitgekauft wurde. Es folgten 1890 und 1893 zwei weitere und zwar mit sämtlichen dazugehörigen Grundstücken. Da bis Ende der neunziger Jahre die Geschäfte der Ziegeleien gut gingen, wurden die alten unmodernen Anlagen ausgebaut, auch zum Teil Maschinenbetrieb eingerichtet. Zum Transport der Steine wurden Kähne beschafft. In den letzten Jahren ist durch ungünstige Verhältnisse das Geschäft sehr zurückgedrängt.
Als im Jahre 1903 Paul Hennige sen. starb und 1904 sein Sohn das Gut übernahm, trat kein Stillstand in der Zurückerwerbung des von früheren Besitzern veräußerten Landes ein. Es sind Tausche mit Kupitz, Ahlheit, Schlüter und Schüler zu erwähnen, besonders aber der 1907 erfolgte Ankauf des dem Forstfiskus gehörenden 40 Morgen großen Drachenberges.
Ehe wir nun auf die weitere Tätigkeit der Rittergutsbesitzer Hennige in Randau eingehen, sei es gestattet den Leser nochmals in frühere Zeiten zurückzuführen. Wir wollen uns kurz mit der Wohnung des jeweiligen Besitzers beschäftigen und hören, welche Wandlungen der adlige Sitz im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat.
Einige Bemerkungen finden sich schon in dem Abschnitt über die Geschichte der Besitzer. Die adlige Burg lag auf dem Göbe. Der genaue Ort läßt sich nicht angeben, da noch verschiedene Käufer in neuerer Zeit dort gestanden haben und man ihre ….. mit denen der Burg verwechseln würde. An einem Unterschied in der Färbung des Bodens ist ein unterirdischer Gang zu verfolgen, der von dem Burgplatz zur Furt an die alte Elbe führte, doch wird er wohl auch aus jüngerer Zeit stammen. Wie überliefert wird, hat Lamprecht nachgraben lassen in der Hoffnung Geld zu finden. Er förderte aber nur verbranntes Getreide und einige alte Waffen und Schlüssel zu Tage. Das Wohnhaus der Familie von Alvensleben hat zunächst wahrscheinlich auf dem Göbs gelegen, auch das von Kuno in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts neu erbaute. Heute steht das „Schloß“ südlich vom Göbs, etwas näher an die Elbe heran. Dorthin wurde es wohl von Friedrich von Alvensleben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlegt. Zu diesem gehörte wahrscheinlich eine gesondert stehende Kapelle, wohl gleichzeitig eine Art Familienbegräbnis. Man fand jedenfalls im Jahre 1903 an der vermuteten Stelle einen gut erhaltenen Menschenschädel mit vollständigem Gebiß. Ein neueres Erdgrab soll sich nach der bestimmten Aussage einiger Randauer im Park des Schlosses befunden haben. In ihrer Jugend hätten sie oftmals durch ein Glasdach in die ausgemauerte Gruft hinabgesehen, in der unter anderem ein Kindersarg gestanden habe. – Gebhard Johann Achaz, der das Gut 1795 übernimmt, schlägt seinen ständigen Wohnsitz dort auf. Er verbessert das Wohnhaus von Grund auf, gibt ihm ein geschmackvolles Aeußere und erweitert es durch zwei Seitenflügel und zwei massive Seitengebäude. Diese Form hat der Gutshof bis heute behalten. Ein Vergleich zwischen dem alten einstöckigen Haus und dem in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf den alten Grundmauern neu aufgeführten Baues zeigt, wie wenig sich geändert hat. 1912 wird das Haus dann einer bedeutenden Neuerung unterzogen, indem Zentralheizung und elektrisches Licht gelegt werden. Der Fortschritt hat auch hier seinen Einzug gehalten.
Doch wir wollen unsere vorhin unterbrochenen Betrachtungen wieder aufnehmen. Es ist natürlich nicht möglich, in diesem kurzen Abschnitt noch alles vorzubringen, was wissenswert und interessant erscheinen könnte. So wollen wir nur hören, was einer zweckmäßigen Bewirtschaftung halber die letzten Jahrzehnte Neues gebracht haben.
Unter den Grundstücken des Rittergutes von 1863 befanden sich einige Parzellen, welche bei dem damaligen Stande der Landwirtschaft den Ackerbau nicht lohnten. Es wurde daher beschlossen, diese Pläne mit Kiefern aufzuforsten. Der Versuch der Saat mißlang vollständig, da bei Wind alles verweht wurde. So wurde zur Pflanzung einjähriger Kiefern gegriffen. Auch diese litten bei dem sterilen Boden stark durch Trockenheit und Stürme. Nachdem die ersten Kulturen geglückt waren, erkannte man, daß es für die anliegenden Grundstücke mit besserem Ackerland ein großer Vorteil wäre, wenn der ganze Komplex sandigen Bodens durch Kulturen festgelegt würde. Denn sonst bestand die Gefahr, daß nach und nach der Streifen fruchtbaren Landes vollständig verweht und damit minderwertig würde. Bei den dadurch notwendig werdenden Ankäufen und Tauschen brachten die bäuerlichen Besitzer dem Gutsherrn einigen Argwohn entgegen, weil sie annahmen, daß die ganze Aufforstung nur den Zweck haben sollte, die Jagd zu heben. Das Mißtrauen bekam neue Nahrung, als die Schonungen größer und umfangreicher wurden, und sich plötzlich auf unaufgeklärte Weise Kaninchen einfanden. Mit der Vergrößerung des Waldbestandes ist bis in die letzte Zeit fortgefahren worden. Es ist das Verdienst des Herrn Försters Donau dem Rittergute wieder einen ansehnlichen Wald schlanker Kiefernstämme geschaffen zu haben. Wenn Anfang nur Kienen gepflanzt wurden, so machte er auch in den letzten 15 Jahren Versuche, Mischbestände durch Eichensaat und Pflanzung von Birken und Erlen zu ziehen.
Die Jagdverhältnisse waren anfangs sehr traurig, da durch jährliche Ueberflutungen, oft auch zum zweiten Male im Sommer, der Wildstand nicht aufkommen konnte. Erst nachdem 1877 der Elbumflutkanal und mit ihm die starken Elbleitdeiche fertiggestellt waren, erholte er sich recht bald, besonders da günstige Grenzen vorhanden waren und ein gut nachbarliches Verhältnis mit dem Verwalter der Klosterforst Kreuzhorst bestand. Nach dessen Tode wurde die Jagd mit angepachtet. Nun entwickelte sich der Wildstand ganz bedeutend, vor allem das Rehwild, das oft in Rudeln von 60 bis 70 Stück auf den Roggenschlägen stand. Es wurden bis zu 48 Böcke geschossen. Während früher eine Treibjagd wegen Mangel an Schützen selten abgehalten wurde, waren später die Jagden in Randau und in der Kreuzhorst die begehrtesten der Umgegend. Starke Winter, Wilddieberei, besonders aber nach dem Inkrafttreten des Wildschadensgesetzes die hohen Wildschadenansprüche, haben zu erheblicher Verminderung des Bestandes beigetragen. Es war auch eine Degeneration unter dem Wilde eingetreten, so daß Gewicht und Stärke der Gehörne sehr zurückgingen. Eine zweimalige Blutauffrischung durch ungarische Böcke, verbunden mit guter Winterfütterung, hat diese Uebel in den letzten Jahren behoben. Aber nicht allein der Mangel an Wild in den sechziger Jahren ließen eine Treibjagd selten zustande kommen, sondern auch die schlechten Verkehrsverhältnisse taten das ihre. Ist es doch vorgekommen, daß ein kleiner Omnibus, besetzt mit sechs Schützen, seine Not hatte, mit vier starken Ackerpferden von Magdeburg nach Randau zu gelangen. Nach langen Mühen und großen Opfern wurde im Jahre 1884 die Fahrstraße von Magdeburg bis Calenberge gebaut, der auf eigene Kosten eine Abzweigung nach Randau angegliedert wurde Die alte Fähre wird aufgehoben, das herrschaftliche Fährhaus abgebrochen und an seiner Stelle das Forsthaus errichtet.
Wie aus manchen Bemerkungen der früheren Abschnitte zu ersehen war, nährten sich die Bewohner des Elbenauer Werders hauptsächlich von der Viehwirtschaft. Auch die von Alvensleben hatten diesem Erwerbszweig den Vorzug vor dem Ackerbau gegeben. 1583 beklagen sich die Leute darüber, „das der Junker, der von Alvensleuen viel Viehe halte, die alles verwüsten“. Nach Uebernahme des Besitzes durch Paul Hennige sen. Scheint zunächst auch der Weidebetrieb eine große Rolle gespielt zu haben. Später fiel eine Wiese nach der anderen dem Pflug zum Opfer, und bald wurde neben dem Ackerbau eine einträgliche Milchwirtschaft vom Stalle aus betrieben. Zur Verbesserung der Ackerflächen nahmen die Inspektoren Holzapfel und Trautwein bedeutende Meliorationsarbeiten vor, indem sie z. B. Kolke zuschütteten und überflüssige Dämme beseitigten. Das Jahr 1911 brachte wieder einen Umschwung, indem auf Anregung des Herrn Professors Falke die Anlage von Weiden, als dem Boden mehr zusagende Ertragsquelle, in Angriff genommen wurde. Trotz mancher Unbilden ist doch in einem Jahre der Bestand auf 80 Kühe und 60 – 70 Stück Jungvieh gewachsen. Den Tieren gefällt es außerordentlich gut draußen in den Koppeln, die sie den ganzen Sommer über nicht verlassen. Auch das landschaftliche Bild hat sich durch das lebendige Treiben auf den grünen Flächen nicht zu seinem Schaden verändert. Hand in Hand mit der Wiedereinrichtung des Wiedebetriebes ging auch die Begründung einer Schweinezucht, die schon von den früheren Geschlechtern nicht verachtet worden war. Dagegen wurde die bis dahin gehaltene Schafherde gänzlich aufgegeben.
Ein Blick auf das Dorfbild zeigt uns, wie den Gutsherren bei all dem nicht nur ihr eigner Vorteil, sondern auch das Wohl ihrer Arbeiter am Herzen liegt. Da springt uns sofort jener rote Bau in die Augen, der den polnischen Sachsengängern – diese fremden Arbeiter lassen sich ja leider in der Landwirtschaft nicht entbehren – als Wohnhaus dient. Er trägt bei uns nur den wohlklingenden Namen „Polenburg“. Und die Polen haben es wirklich recht gut in ihrer Burg. Die ganze Einrichtung zwingt sie zu größtmöglicher Sauberkeit. Auch die Randauer Gutsarbeiter können sich nicht beklagen. Eine zielbewußte Sorge hat ihnen manch nettes Häuschen gebaut, in dem sie mit Weib und Kind glücklich und zufrieden leben können.
Mögen denn all das Streben und die zuversichtliche Arbeit, die in den fünfzig Jahren unter dem Wappenbilde des Hahnes so reiche Früchte getragen haben, auch weiterhin grüne, lohnverheißende Zweige zeitigen, und möge dieses Zeichen noch recht lange als glückbringendes Sinnbild dem Gute Randau voranleuchten! –
„Was Du ererbt von Deinen Vätern hast,
„Erwirb es, um es zu besitzen!“
Mahnend drängt sich das Wort uns nochmals auf. Gedenket, Ihr Söhne, was Eure Väter taten! Zeigt Euch würdig der Vorfahren, denen Euer Randau so sehr ans Herz gewachsen war! Und auch Euch, Ihr Randauer, erinnere der Spruch daran, festzuhalten an dem alten deutschen Geist, dem Ihr Euer Blühen und Gedeihen verdankt!
Dann wird auch bei redlichem Streben ein noch innigeres Band des Vertrauens Gut und Gemeinde verknüpfen, und unter dem Glücksstern eines verstehenden Zusammenarbeitens werden die Fluren Randaus für alle Zukunft gesegnet sein.
Schluss - Die Sage von der Ahnenfrau der alten Burg Randau
Eine wilde Oktobernacht zieht über das Land. Vom Sturme gepeitscht eilen zerrissen die Wolken am Himmel dahin. Gespenstisch beleuchtet von Zeit zu Zeit der Mond mit fahlem Antlitz die unfrohe Natur.
Mich hält es nicht länger unterm schützenden Dach. Die Jugend mißt ja so gerne kampfesfroh ihre Kräfte selbst mit dem Toben der entfesselten Elemente. So treibt es auch mich jetzt hinaus.
Unter stetem Kampf mit dem Sturme gelange ich vor die Tore. Gerade bescheint der Mond einige über das Land dahinschwebende Nebelfetzen. Wie ragende Burgzinnen erscheinen sie mir, hinter denen sich riesenhaft groß eine Gestalt mit wallendem weißen Haar drohend reckt. Da erstehen vor meinen Augen die Bilder jener Oktobernächte vor mehr als 600 Jahren, um deren Helden Frau Fama jenen düster geheimnisvollen Schleier wob.
1297. – Schon hatte man gehofft, nach der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit solle nun wieder Frieden im weiten deutschen Land werden. An eine Erstarkung und Kräftigung dachte man, träumte von der Rückkehr der alten Pracht und Macht des Rotbartes, von den wissenschaftsfreundlichen Plänen des Kaisers Friedrich – und nun war man bitter enttäuscht.
Ein heiterer Spätsommertag strahlt über dem Elbetal und über der berühmten Handelsstadt, in der heute ein eifrig Treiben herrscht. Es sind ja die Kähne von Böhmen gekommen. Die Magdeburger dürfen nach altem Recht schauen und kaufen, was ihnen gefällt. Den ganzen Tag ist emsiges Leben am Stapelplatz, bis endlich der Abend auch den eifrigsten Käufern ein Ziel setzt. Und heim eilen sie, um von des Tages Müh Erholung zu suchen im Kreise der Ihren und in erquickendem Schlaf Geist und Körper zu neuer Arbeit zu kräftigen.
Da hallt plötzlich – es naht schon der Morgen – ein seltsamer, langgezogener Hornruf über das erwachende Magdeburg. Und schon ladet auch der schrille Ton der Ratsglocke die Vertreter der Bürgerschaft. Eilig kommen die bestürzten Männer auf dem Rathause zusammen. Was sollen wir hier? So geht die Frage. Gibt’s neue Unbill im Reich? Kann der schwache Adolf die Fürsten wieder einmal nicht im Zaume halten? Zieht etwa Markgraf Otto wider die Stadt? – Doch ehe noch die Spanne Zeit verstrich, weiß es jeder: Der freche Randauer hat mit seinen übermütigen Kumpanen den Sitz Burkhards, unseres Erzbischofs, überfallen. Dank unsern tapfern Söldnern, die ihm das Leben gerettet und den Feind geschlagen! – Man wußte ja schon lange, daß die Adligen im Lande mit Burkhard in Fehde lagen. Denn er war scharf gegen die Unsitten der Ritterschaft aufgetreten, der er doch selbst früher angehört hatte.
Jetzt erhebt sich dräuend der Schultheiß Tile Weske. In markiger Rede fordert er die Vernichtung der Ritterhorstes Randau. Oft schon hätte sein Magdeburg unter den frevelnden Händen der Adligen gelitten. Wie oft hätten die Ritter Warenzüge angehalten und mit ihrer Raublust Handel und Gewerbe empfindlich geschädigt. Und nun gar der Überfall auf den Erzbischof! „Ermannt Euch, Ihr Bürger, sagt der frechen Sippschaft die Fehde an und rächt blutig die Schmach, die Ihr nun lange genug knechtisch erduldet!“ Ein Sturm des Beifalls umtost den mutigen Ratsherrn. Sie alle stimmen ihm begeistert zu, und so zieht er mit einem Fähnlein hinaus, die Burg Randau der Stadt botsam zu machen. – Da hat der Randauer trotzig gelacht und den Boten, der ihm der Stadt Fehdebrief überbrachte, zurückgejagt und mit seinen ritterlichen Zechgenossen gespottet über die Verwegenheit der Pfeffersäcke, die ihnen, den freien Herren, Vorschriften machen wollen.
Frohgemut sind die Magdeburger ausgezogen. Aber eine Woche vergeht und noch eine. Es wird ein Monat, der raue Oktober hat schon seinen Einzug gehalten. Und noch immer trotzen die Ritter und höhnen. Noch haben Sie Vorrat die Fülle. Gar manche Frau in der Stadt flucht schon dem unseligen Fehdezug, in dem ihr Gatte geblieben, getroffen vom Bolzen der Rittersöldner. Schon murren die Krieger selbst, und es scheint, der tapfere Tile solle doch gezwungen werden ohne Erfolg, schimpfbedeckt, heimzuziehen. Wenn er durch die Stadt geht, So grüßen ihn die Bürger ehrfurchtsvoll. Sie raunen sich zu: Dort ist der Tile, der gegen Markgraf Otto so tapfer gestritten! Und nun?
So sinnend steht er auch in einer finsteren Oktobernacht nach einem Rundgang vor dem Wall der Burg. Da flammt plötzlich an einem Fenster ein helles Licht auf und beleuchtet grell seine Gestalt. In dem Gemach erkennt er jene schöne Frau, die er schon öfter bei seinen Gängen gesehen hat. Sie beobachtet ihn jedes Mal wohlwollend und fast ängstlich und erwidert holdselig seinen ritterlichen Gruß. Denn er führt ja nicht mit Frauen Krieg und zollt ihnen selbst in der Fehde die schuldige Verehrung. – Dies alles fällt ihm ein, während er sich dem Bannkreis des Lichtes nicht entzieht, um vor dieser Frau nicht feige zu erscheinen. Schon hört er den klangvollen Ton einer geschnellten Sehne. Vor seinen Füßen fällt der feindliche Gruß zur Erde. Verwundert bemerkt er, daß der Schaft mit einem Papierstreifen umwunden ist. Er hebt den Pfeil auf. Im gleichen Augenblick erlöscht das Licht. Nun erwacht in ihm doch die Lust zu einem kecken Abenteuer und neue Hoffnung auf einen baldigen Sieg. Hier scheint Verrat in Feindes Burg zu hausen. An einem Wachtfeuer liest er die Botschaft, welche die schöne Unbekannte ihm gesandt:
„So Ihr Mut habt, eine unglückliche Gefangene zu befreien, so gebt ein Zeichen. Schlagt Feuer, und ich werde Euch eine Strickleiter zuwerfen. Ein reicher Lohn wird Euch, wenn das Wagnis gelingt. Nur Euch mochte trauen
Adelheid Gräfin von Barby.“
Er liest es noch einmal. Will man ihn fangen? Ist der Brief der Gräfin ehrlich gemeint? Darf er seiner Mitbürger Leben aufs Spiel setzen und auf diesem Wege in die Burg zu dringen suchen? Denn das ist ihm klar, eine günstigere Gelegenheit zum Sieg wird sich kaum bieten. – Die Rottenführer sind eilig berufen. Er erzählt ihnen von dem Brief. Sein Plan findet den Beifall der Ungeduldigen – und so geht man sofort an die Ausführung. Der geretteten Gräfin soll sich Tiles Freund, der Hauptmann und Tuchmachermeister Wild, annehmen. Er selbst will mit einer auserlesenen Schar die Schlafenden von innen überfallen.
Durch den von Wasser leeren Graben steigt Weske hinab zur Burgmauer und gibt das verabredete Zeichen. Sofort rollt die Strickleiter herab. – Die Gräfin scheint zu zögern. Noch immer zeigt Sie sich nicht. Von Ungeduld und Kampfesgier getrieben klettert er deshalb eilig empor. Die Freunde, hofft er, werden ihm schon folgen. Doch noch hat er das Fenster nicht erreicht, als er unter sich heftigen Kampfeslärm hört. Der Feind hat die verräterischen Bewegungen bemerkt und die Ahnungslosen überfallen. Zurück kann Weske nicht mehr. Er hätte den Tod auf den Spitzen der feindlichen Lanzen gefunden. So schwingt er sich denn ganz zum Fenster hinein und zieht eiligst die Leiter nach sich. Beim Schein einer flackernden Kerze sieht er, daß das Gemach fast leer ist. Nirgends die Möglichkeit eines Verstecks. Schon hört er auf dem Gange Schritte und Waffengeklirr, dazwischen eine weiche Stimme: „Überzeugt Euch, Herr Ritter, daß ich allein bin, und stört nicht ferner die Ruhe einer Unglücklichen.“
Entschlossen, lieber im Kampfe mit einer Übermacht zu sterben als sich einer schmachvollen Gefangenschaft auszusetzen, zieht er das kurze Schwert. Da erscheint unerwartete Hilfe. Im Getäfel der Wand öffnet sich eine Tür, die Weske bis dahin noch nicht bemerkt hat. Eine ehrwürdige Matrone in langem weißen Gewand, weißem Haar, mit weißem Gesicht und tief in den Höhlen liegenden Augen steht vor dem Überraschten. Mit einem kräftigen Ruck hat sie ihn in das Gemach gezogen und schlägt die Tür hinter sich zu. Dann tritt die furchtbar bleiche näher an den Erstaunten heran und spricht mit tiefer Stimme: „Steckt Euer Schwert ein, Herr Schultheiß! Ihr seid hier sicher. Doch haltet Euch ruhig, was Ihr auch sehen und hören möget. Dann werdet Ihr als Sieger in Eure Vaterstadt einziehen. Seid aber auf Eurer Hut, wenn Frauenliebe Euch naht. Ihr seid zu Höherem berufen. Und wanket Ihr in einer schwachen Stunde, so werden Euch und das geliebte Wesen fallend die Trümmer der besiegten Feste unter sich begraben.“
Bei ihren Worten hört Weske Waffenklirren und eiliges Hin- und Herlaufen im Zimmer, das er eben verlassen. Er hat sein Ohr an die Wand gelegt und lauscht, bis der Lärm sich verzogen. Als er sich jetzt umwendet, erstaunt er von neuem. Denn die Frau im weißen Haar ist verschwunden, obgleich er keine weitere Tür bemerken kann. Das von einer düsteren Ampel beleuchtete Zimmer ist leer. Der Warnung gemäß wagt er nicht sich der Gräfin zu entdecken. Auch hallt das Schloß noch immer von Kampfesrufen wieder. So setzt er sich auf den Boden, wo den kriegerischen Ratsherrn der Schlaf übermannt. Mehrere Nächte hindurch hatte er gewacht und ist deshalb bald in schweren, tiefen Schlummer gesunken.
Als er erwacht, dämmert bereits der Morgen durch eine schmale Öffnung der Mauerwand. Von unten schallt der Lärm eines heftigen Angriffes. Die braven Magdeburger wollen ihren Führer aus den Händen der Feinde zu retten suchen oder seinen Tod durch den Untergang der Burg rächen. Da läßt Tile sich nicht länger durch die Warnung zurückhalten. Mit gezücktem Schwert reißt er die kleine Türe auf und steht mit einem Sprung im Zimmer der Gräfin. Diese kniet gerade vor einem Tisch, den ein Kruzifix schmückt. Ihre wundervollen blonden Haare fallen in langen aufgelösten Flechten über den Rücken. Erschrocken wendet sie dem Eindringling ihr bleiches Madonnenantlitz entgegen. Beide blicken sich befangen an. Dem Manne klopft das Herz gewaltig ob so großer Schönheit. Hoffnungsvoll blickt sie zu dem stattlichen Bürgerhauptmann auf. Der tobende Kampf bringt beide rasch zur Besinnung. Weske rafft sich zuerst auf und redet sie also an: „Holde Jungfrau! Habt Dank für das Vertrauen, das Ihr mir schenktet! Ihr werdet von meinem Aufenthalt in diesem Seitengemach unterrichtet sein. Ihr wißt, daß ich ein erbitterter Feind dieser Burg bin. Meine braven Magdeburger werden Euch nach erfochtenem Sieg nun zwar als ihre Gefangene betrachten, doch werde ich niemals zugeben, daß Euch irgend Leides geschieht. Sagt, wie ich Euch dienen kann!“
Immer furchtbarer hatten die Wogen des Streites getobt. Jetzt schallt Jubel von unten empor. Adelheid hat sich erhoben und ist ans Fenster geeilt. Entsetzen in den Augen, wendet sie sich um: „Herr Schultheiß, die Euren fliehen! Seht, sie sind geschlagen. Verbergt Euch schnell wieder, ehe Ihr uns beide ins Verderben stürzt! Nicht mein Wunsch war es, daß Ihr die Leiter ersteigen solltet.“
Schon nahen Schritte dem Zimmer der Gräfin. So zieht sich Weske eilig in sein Versteck zurück. Es scheinen jedoch nur Frauen zu sein, die ihrer Herrin das zum Leben nötige bringen.
Wieder hat sich der unfreiwillig Gefangene auf den Boden des engen Verließes niedergelassen. Und wieder sinkt er dem Schlaf in die trostspendenden Arme.
Da glaubt er sich angeredet: „Schlaft Ihr noch, Herr Schultheiß? Folgt mir und labt Euch an dem Wenigen, was ich Euch an Speise und Trank bieten kann“. Weske ermuntert sich und schreitet in das Zimmer der Gräfin. Er muß lange geschlafen haben, denn schon naht der Abend. Ein Hunger, der eines Kriegers würdig ist, zehrt in ihm, und so langt er eifrig zu. – Adelheid erzählt indessen, daß die Ritter sich auf der Verfolgung des Magdeburger Fähnleins befänden, und daß man noch einige Zeit vor ihnen Ruhe haben werde. Nach manchen Gesprächen fragt unser Freund auch nach der würdigen Matrone im weißen Haar, der er seine Rettung zu verdanken habe. Die schöne Gräfin erschrickt und bleibt stumm. Da legt der stolze Mann seinen Arm um die holde Jungfrau, die ihm nicht wehrt, vielmehr mit gleichem Feuer seinen Kuß erwidert. Schon öffnet sie den Mund, um ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben – da tut sich gespenstisch langsam die kleine Tür auf, die zu Weskes Versteck führt. Drohend steht die bleiche Frau vor ihnen und blickt sie mit eisigen Augen an, daß selbst dem rauen Hauptmann schaudert. – Ein heftiger Windstoß schlägt die Tür wieder zu.
Adelheid ist auf die Knie gesunken und stammelt auf Weskes fragenden Blick: „Die Ahnfrau!“ Zwar packt den Krieger Entsetzen, als er an die Warnung denkt und von der Jungfrau erfährt, daß die Ahnfrau nur denen erscheine, denen ein großes, unabwendbares Unglück bevorstehe. Doch dann schämt er sich der zagen Gedanken und versucht, die schöne Gefangene zu trösten.
„Glaubt Ihr etwa an die Möglichkeit einer schicksalbestimmenden Erscheinung? Laßt uns lieber überlegen, wie wir mit Hilfe der Leiter unsere Rettung bewerkstelligen.“ Sie kommen überein, die Stunde der Geister für ihre Flucht zu benutzen. Adelheid soll dem Versteckten ein Zeichen geben, wenn die sie bedienenden Frauen das Zimmer verlassen haben. – Nach langem Kuß trennen sich die beiden.
In quälender Unruhe verbringt Weske die Zeit in seinem engen Gefängnis. Schon kann die Stunde der Tat nicht fern sein. Die Ritter sind längst zurückgekehrt und geben sich nun, wie es Brauch, nach reichlichem Mahl der langentbehrten, wohlverdienten Ruhe hin. Da scheint es Weske, als klänge gedämpftes Waffenklirren aus der Ferne herüber. Gewiß, die braven Magdeburger wollen die schwach bewachte Burg überfallen und so die Schmach der Flucht blutig abwaschen. – In diesem Augenblick tönt das verabredete Zeichen. Weske eilt in das Zimmer der Gräfin, und nach einer stummen Umarmung geht man sogleich ans Werk. Ungefährdet gelangen sie über die Strickleiter zu einem Mauervorsprung, doch hier merkt der Bürgerhauptmann zu seinem Schrecken, daß die Ritter den Burggraben mit Wasser gefüllt haben. Kurz entschlossen packt er Adelheid und springt mit ihr in die Flut. Glücklich erreichen sie das andere Ufer, doch wäre er hier beinahe ein Opfer der Seinigen geworden, wenn diese ihn bei der anbefohlenen Stille nicht an seiner Stimme erkannt hätten. Die Freude, den geliebten Führer wieder unter sich zu sehen, bestärk den Kampfesmut der Magdeburger. Weske vertraut seine teure Beute dem Schutze seines Freundes an. Dann ersteigt er mit einigen Wagehälsen die Burgmauer und überfällt so die Schlafenden. Man legt Feuer an und gelangt, mit Brandfackeln und Schwertern bewaffnet, in die inneren Räume. Hier stellt sich aber dem kühnen Häuflein die Übermacht der Ritter entgegen, so daß die Magdeburger immer weiter zurückgedrängt werden. Da plötzlich geschieht etwas, was den Mut der tapferen Verteidiger bricht und die Eroberer zu heller Siegeswut entflammt. Mitten unter den Kämpfenden erscheint die weiße Frau, die Ahnfrau der Burg. Zum Streite ermunternd schreitet sie vor Weske her und führt die kleine Schar sicher durch den dichtesten Haufen der Feinde in den Burghof. Dort öffnet sie selbst das Tor. Die Zugbrücke rasselt herab und herein stürmen in nicht zu hemmendem Strom die Bürger Magdeburgs.
Nach tapferem Kampf unterliegen die Randauer. Die Feste geht in Flammen auf. Doch Trauer liegt über dem Fähnlein. Vergebens sucht man den tapferen Führer. Er hat nicht lebend die Burg verlassen. Auch die Gräfin hat sich, so bekunden einige, jammernd durch das Tor in die brennende Burg gestürzt. – Nach langem Suchen findet man unter den rauchenden Trümmern die Leichen des Siegers Tile Weske und der schönen Adelheid, Gräfin von Barby.
So fiel Randaus stolzer Rittersitz.
Der Sturm hat sich gelegt. Nur leise spielt der Wind die Begleitung meiner Gedanken. Da scheint mirs, als schüfe er eine zarte Musik, und eine befreiende Weise schwänge sich sanft verklingend gen Himmel:
„Höher als jene lohenden Flammen
schlägt die Glut unserer Liebe zusammen,
Hehr, ohne irdischen Qualm oder Rauch,
Strahlt sie, genährt vom himmlischen Hauch!“
(Woyrsch, Totentanz.)
Aus: Randau, Gut und Dorf in Vorzeit und Gegenwart, von Max Hennige Comissions-Verlag von Ulrich Putze Nachfolger / Hans Goltz, München 1913
Lieber geneigter Leser!
Mit diesem Teil endet die Chronik, die uns Max Hennige seinerzeit hinterlassen hat.
Die Redaktion möchte es jedoch nicht versäumen, Sie auf die interessanten Anlagen hinzuweisen, die im Buch enthalten und auf Randau-Calenberge.de natürlich ebenfalls eingebunden wurden. Sie geben manch interessanten Einblick in Ahnentafeln, Internas und zur Aufteilung der Wald- und Ackerbauflächen zur damaligen Zeit.
Viel Spaß bei der Lektüre….
… Ihre Redaktion