Unsere Kreuzhorst – ein Bild des Grauens
„Schau mal, früher war hier mal alles Wald“
- 24.03.2023 | Susann Arndt / Uwe Bierschenk
Das schöne, bereits im Mittelalter angelegte und seit 1961 unter Naturschutz stehende Waldgebiet im Südosten Magdeburgs hat durch Kahlschlag seit den letzten Jahren eher den Charakter eines Drehortes für Horrorfilme bekommen. Die jetzige „Schönheit“ unserer Kreuzhorst – Bilder des Grauens!
Bereits seit einigen Jahren verfolgen nicht nur die Anwohner die umfangreichen Forstarbeiten in der Kreuzhorst als einzigem Naturschutzgebiet (NSG) Magdeburgs mit Argwohn. In diesem Jahr fanden diese ihren (bisherigen) traurigen Höhepunkt!
Bis Mitte März wurden nach hier vorliegenden Quellenangaben an diversen Stellen insgesamt rund 2.500 Festmeter Holz gefällt, das sind bei 282 Hektar NSG umgerechnet knapp 9 Festmeter je Hektar.
Im Bereich Soldatengrab/Franzosengraben wurde sogar eine Fläche nahezu komplett beräumt. Bei den gefällten Bäumen handelt es sich vorrangig um Eschen, aber auch um einige Eichen, darunter auch ein 200jähriges Exemplar mit einem Stammdurchmesser von 1 Meter (gemessen von einem Fachmann in 1 Meter Höhe).
Als Folge befinden sich an insgesamt fünf Aufbereitungs- und Verladeplätzen in der Kreuzhorst 19 riesige, teils bis zu hundert Meter lange Polter (Holzstapel), die verkauft werden. Gleiche Quellen berichten davon, dass das besonders wertvolle Holz, unter anderem Alteichen, sofort nummeriert und abtransportiert wurden.
Die abgeholzten Stämme weisen teilweise einen Durchmesser von über 60 cm auf, was darauf schließen lässt, dass hier teils sehr alte Bäume gefällt wurden. Nur ein Teil davon sah tatsächlich krank aus. Markierungen waren nicht ersichtlich. Es fällt somit sehr schwer, der Begründung „alles krank“ zu folgen. Die wenigen verbliebenen Bäume werden sehr wahrscheinlich dem nächsten schweren Sturm zum Opfer fallen, da ihnen die schützende Gemeinschaft fehlt. Die Folge? Der Waldboden ist ungeschützt der Sonnenhitze ausgesetzt und Neuanpflanzungen gestalten sich schwierig.
Droht das, was im folgenden Film gezeigt wird, auch unserer Kreuzhorst?:
Außerdem wurde der Waldboden derart mit schweren Holzvollerntern, sogenannten „Harvestern“ (Harvester wurden in Nordamerika und in Skandinavien entwickelt. „To harvest“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „ernten“) durchpflügt, dass die früheren Waldwege nun 30 cm tiefe, schlammige Fahrrinnen sind. Dabei wurden jedoch nicht nur die bestehenden Waldwege genutzt, sondern die Fahrzeuge schafften sich rigoros auch ihre eigenen Wege, sogenannte Rückegassen, das sind unbefestigte forstwirtschaftliche Wege zum Transport von gefällten Bäumen (Holzrücken) durch Maschinen vom Hiebort zum Aufbereitungs- und Verladeplatz an einer befestigten Forststraße. Was im Wege stand, wurde dabei rücksichtslos entfernt. So ist der einstmals so schöne Wald kaum noch passierbar.
Viele Anwohner aus Pechau, Prester, Randau und Calenberge sehen diese Forstarbeiten im NSG Kreuzhorst mit großer Besorgnis und Empörung. Bei allen stellt sich verständlicherweise die Frage nach dem: Warum machen die das? Darf so etwas sein? Ist das überhaupt genehmigt? Ist das in diesem Umfang erforderlich? Nach Angaben des Umweltamtes erfolgten die Arbeiten mit Erlaubnis der Unteren Naturschutzbehörde unserer Landeshauptstadt zur Unterschreitung des sogenannten „Rückegassenabstandes“ (i.d.R. 40m) im Rahmen der Schadholzbeseitigung.
Als Gründe für die Entstehung werden die langen Trockenperioden und Schädlingsbefall genannt (Quelle: Volksstimme). Dennoch bleibt offen, warum der Tot- bzw. Schadholzholzanteil nicht belassen werden konnte. In einem Naturschutzgebiet gibt es nämlich kein „Schadholz“, sondern nur „Biotopholz“, welches auch nicht beräumt werden muss, sondern vor allem für Vögel, Reptilien, Insekten aber auch Pilzen und Flechten wichtige Habitat-Nischen darstellt. Zudem ist zu klären, ob vorweg ausreichend geprüft wurde, inwiefern die Habitate der zu schützenden Flora und Fauna-Arten zerstört werden könnten und ob die Forstarbeiten in dieser radikalen Form tatsächlich so genehmigt wurden. Die Kreuzhorst ist eine insgesamt 323 Hektar große Heimat für 32 Säugetierarten (die Hälfte davon auf der „Roten Liste“) und gehört teilweise zum Fauna-Flora-Habitat (FFH) -Gebiet „Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg“, ein Habitat für seltene Fledermäuse, beherbergt rund 3000 Schmetterlingsarten, dient als Brutplatz für den sehr seltenen Schreiadler und rund 90 weitere Vogelarten sowie Lebensraum des Elbe-Bibers.
Zur Klarstellung: Immer wieder wird im Zusammenhang mit der Kreuzhorst von Privatwald gesprochen. Das ist falsch. Nur ein kleiner Teil Kiefernwald bei Randau befindet sich tatsächlich in Privatbesitz. Das Naturschutzgebiet selbst ist Landesforst!
„Holzentnahme in der Kreuzhorst brauchte keine Genehmigung“
Besonders erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang die Aussage, dass eine Genehmigung der Arbeiten (in einem Naturschutzgebiet! – d.Red.) durch das Umweltamt gar nicht notwendig war: „Nach Erläuterungen und Vollzugshinweisen zur Umsetzung der FFH-Landesverordnung vom 6. Juli 2020 erfolgt die Schadholzbeseitigung genehmigungsfrei“. Bei einem internen Vor-Ort-Termin Ende Oktober 2022 sei der Unteren Naturschutzbehörde Umfang und Notwendigkeit der geplanten Maßnahmen durch den Revierförster erläutert worden. Dieser habe angekündigt, dass neuer Laubwald in der Kreuzhorst etabliert werden soll (Quelle: Volksstimme).
Eine Einzelbaumprüfung und Kennzeichnung der zu fällenden Bäume erfolgte nicht. Beispiel gefällig? Pechau, Einfahrt in die Kreuzhorst zwischen Sportplatz und Friedhof, Höhe Schlagbaum. Auf der linken Seite wurde eine etwa 15jährige, kerngesunde und standsichere Wildkirsche grundlos gefällt. Gegenüber auf der rechten Seite hängt noch immer ein – seit drei Jahren totes – Exemplar derselben Art.
Fakt ist: So schnell, wie das Holz geschlagen und entfernt wurde, wird es keinen neuen Wald geben. Viele viele Jahre werden unsere Nachfolgegenerationen nun mit dem trostlosen Zustand der einstmals so schönen Kreuzhorst leben müssen:
„Schau mal, früher war hier mal alles Wald“.
Interessierte Bürger wenden sich bitte direkt an:
Hendrik Schulz
Landeshauptstadt Magdeburg
Dezernat für Umwelt und Stadtentwicklung
Fachbereich Bau- und Umweltrecht
Fachdienstleiter Umweltamt